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Der Welt-Detektiv Band 6

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Deutsche Märchen und Sagen 178

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

235. Kobold quält den Soldaten

Ein französischer Kürassierhauptmann, der in Flandern im Winterquartier lag, saß eines Morgens beim Frühstück, als einer seiner Reiter zu ihm kam und ihn bei allen Heiligen beschwor, ihm ein anderes Quartier anzuweisen, indem er jede Nacht von einem Kobold beunruhigt werde, der ihn nicht schlafen lasse. Dessen lachte der Hauptmann herzlich und schickte den Reiter weg. Ein paar Tage danach kehrte derselbe wieder und erneuerte seine Bitte; der Hauptmann wurde aber böse darüber und drohte ihn mit einer Tracht Schläge, wenn er es noch einmal wage, sich zu beklagen. Das dauerte wieder einige Tage; da kam der Reiter zum dritten Mal und erklärte, dass er sich gezwungen sähe, zu desertieren, wenn ihm seine Bitte nicht gewährt würde.

Der Hauptmann kannte den Reiter zu gut als braven Soldaten, als dass er hätte denken können, derselbe lasse sich so leicht erschrecken. Darum beschloss er, mit ihm zu gehen und selbst zuzusehen, was an der Sache sei.

Abends kam der Hauptmann in die Kammer, legte seine Pistole geladen auf den Tisch und seinen Degen neben sich ins Bett. Bis Mitternacht ging alles gut, da hörten beide etwas in die Kammer kommen. Ehe sie sich aber noch umsehen konnten, lagen sie unter dem Bett und in Kissen und Matratzen wie begraben, sodass sie sich nur mit großer Mühe wieder herausarbeiten konnten. Der Hauptmann suchte lange nach seinem Degen und seiner Pistole, und als er dieselben endlich gefunden hatte, schlich er still nach Hause und gab dem Reiter am folgenden Tage ein anderes Logis.

236. Noch etwas vom langen Wapper

In der Nähe des Klosters der Minderbrüder in Antwerpen wohnte eine Wäscherin, ein gutes altes Frauchen. Die kam eines Abends spät nach Hause und fand unterwegs ein schönes dickes Reisigbündel liegen, war herzlich froh darüber, denn sie konnte sich damit ein so warmes Feuer anmachen, ehe sie schlafen ging, und von dem Rest am anderen Morgen noch ihren Kaffee kochen.

Sie nahm es denn unter den Arm und eilte umso mehr, nach ihrem Häuschen zu kommen. Je weiter sie aber ging, umso schwerer wurde das Reisig. Sie dachte, das käme wohl daher, dass sie heute so viel gearbeitet hatte, und steckte das Bündel unter den anderen Arm; aber kaum hatte sie einige zwanzig Schritte mehr gemacht, als es ihr noch schwerer wog. Als sie endlich ihr Häuschen sah und schon den Schlüssel in der Tasche suchte, da wurde es ihr so schwer, dass sie es fallen lassen musste. Das gab einen Schlag, als ob ein Stück Eisen gefallen wäre. Doch als sie auf den Boden schaute, war das Bündel verschwunden und sie hörte hinter sich den langen Wapper hoch in der Luft lachen. Erschrocken sah sie sich um – da schritt er mit seinen langen Beinen über die Häuser hinweg.

Eine Weberin hatte von einer ihrer Nachbarinnen eine schöne getigerte Katze geschenkt bekommen und ließ die in ihrer Kammer rumlaufen, nicht aber im Haus, denn sie fürchtete, dann könnte die Katze das Freie riechen und wegspringen.

Des anderen Morgens saß die Frau neben dem Ofen und hatte ihr Kind auf dem Schoß, gab dem Würmchen eben ein Tässchen Brei, da siehe, kam die Katze herangeschlichen, seht sich ihr zu Füßen und sagt mit ganz deutlicher Stimme: »Frau, gebt mir auch einen Schluck!«

In Todesangst ließ die arme Frau Tasse und Kind fallen; die Katze begann ein abscheuliches Miauen und verschwand dann mit dem bekannten Hahaha!

Minder nicht erschreckte der Wapper den Wirt aus den Drei Schinken. Der lag eines Abends in der Dämmerung im Speicherfenster und rauchte gemächlich sein Pfeifchen. Da kam ein Matrose auf der Straße daher, stopfte sich seine kurze irdene Pfeife, einen Bartbrenner, wie man die in Antwerpen, oder Nasenwärmer, wie man sie zu Köln nennt, und winkte dabei dem Wirt mit der Hand.

»Was steht zu Diensten?«, fragte der Wirt.

Und der Matrose antwortete: »Herr, lasst mich einmal anzünden.«

Darüber lachte der Wirt: »Ihr seid ein wunderlicher Kerl; meint Ihr denn, ich sollte darum all die Treppen herunterkommen?«

»Das ist nicht nötig«, sprach der Matrose, »ich will schon hinauf zu Euch kommen.«

In weniger als einer Sekunde war er so lang, dass er sich noch bücken musste, um mit dem Kopf ans Söllerfenster zu kommen. Da zündete er seinen Bartbrenner an und verschwand unter seinem Hahaha, während der Wirt vor Schrecken halb ohnmächtig kein Glied rühren konnte.

Auf Trunkenbolde hatte er es häufig gemünzt. Wenn die aus der Schenke kamen, dann ging er, gleichen Schritt mit ihnen haltend, hinter ihnen her. Blieben sie stehen, dann blieb er auch stehen; liefen sie, dann lief er auch. Darüber wurden sie unruhig und eilten, nach Hause zu kommen. Öffneten sie dort alsdann ein Fenster, um zu sehen, wer sie verfolgt hatte, dann lag der lange Wapper gemächlich mit beiden Armen draußen auf dem Fensterstein und lachte ihnen entgegen.

Ein junger Maurergeselle hatte die Gewohnheit, sich alle Samstage, wenn er seinen Wochenlohn empfing, zu betrinken, sodass er nicht selten unfähig war, einen Schritt mehr zu tun. Eines Sonnabends nun war er vor der Tür der Schenke niedergefallen und eingeschlafen. Da fand ihn der lange Wapper, nahm ihn auf und trug ihn mit sich, weit weg von der Stadt, jenseits des Weilers Luithagen an eine Stelle, die der alte Gott heißt. Was der Mensch am anderen Morgen für Augen gemacht haben muss, kann man sich wohl denken.

Einen jüdischen Kaufmann hatte er einmal abscheulich zum Besten. Er kam nämlich in der Gestalt eines Fischweibes und bot dem Mauschel ein schönes Stück Kabeljau feil. Abends meinte der Mann, sich einmal etwas zugute zu tun, kochte sich einen Topf Kartoffeln und hieb wacker in den Fisch. Doch hatte er noch keine drei Stücke im Mund, als er mit Schrecken gewahrte, dass der Kabeljau sich langsam in ein Stück gebraten Speck verwandelte.