Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Nick Carter – Das Opfer eines Giftmischers – Kapitel 9

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv

Gerettet aus den Händen des Giftmischers

Pünktlich erfüllten die Detektive die ihnen von ihrem Meister aufgetragene Aufgabe. Chick und Patsy sprangen auf die hinter der Kutsche stehenden drei Burschen zu. Unmittelbar von Nick gefolgt, der damit begann, einen der Begleiter des Mädchens mit einem wuchtigen Fausthieb niederzuschlagen, eilte Ida auf Myrtle zu und versuchte sich ihrer zu versichern. Das Mädchen war auf das Äußerste verschüchtert und geängstigt. Dennoch schien Idas Gegenwart sie zu beruhigen und ihr Vertrauen einzuflößen, denn schutzsuchend hängte sie sich augenblicklich an den Arm des vermeintlichen Jünglings.

Wütend drangen die übrigen Strolche auf die drei Detektive ein, und nur nach langem, hartem Kampf gelang es Nick und seinen beiden Gehilfen, die Verbrecher zu überwältigen.

»Well, Nick Carter, was geschieht nun mit uns?«, fragte einer von ihnen.

»Nichts!«

»Nichts?«, echote es von den Lippen sämtlicher vier Schurken, einschließlich Athersons, zurück.

»Nein«, erklärte Nick Carter. »Ihr könnt in eurer Kutsche fortfahren. Wir dagegen werden das Mädchen zu einem sicheren Ort bringen, wo es geheilt werden wird!«

Doch als die Burschen, ganz verwundert über die ihnen erteilte Auskunft, sich nach ihrem Wagen umwendeten, wurden sie gewahr, dass der Kutscher sich das Kampfgewühl zunutze gemacht hatte und samt seinem Wagen auf Nimmerwiedersehen verschwunden war.

Wütend wendete sich Stediger nach Atherson um und schrie diesen an. »Heraus mit dem Lösegeld!«

»Fällt mir gar nicht ein, ihr habt mir das Mädchen nicht ausgeliefert«, entgegnete Atherson, der sich wieder leidlich gefasst zu haben schien.

»Ich hielt mein Versprechen, und ihr haltet das eurige«, rief Stediger drohend.

»Lass den Mann zufrieden, Stediger«, mischte der Detektiv sich streng ein. »Sei froh, dass ich dich nicht verhafte. Verdient hättest du es reichlich!«

»Aber der Himmelhund schuldet mir tausend Dollar!«, entgegnete Stediger trotzig.

Statt jeder Antwort befahl Nick Carter seinen beiden Gehilfen, die Taschen der drei Männer nach Waffen durchzusuchen. Als dies geschehen war, befahl ihnen der Detektiv kurz: »Nun fort mit euch – und zwar etwas plötzlich!«

»Feiglinge!«, schrie Atherson wütend hinter ihnen her. »Verdient doch euer Geld und packt das Mädchen – dort steht sie ja!«

Doch Stediger lachte nur rau auf.

»Schrei so viel du willst, du alter Esel«, zischte er. »Hol dir das Mädchen doch selbst; wir werden uns hüten und uns mit Nick Carter einlassen. Kommt, Boys«, rief er seinen Kumpanen zu, »wir sind hier ziemlich überflüssig geworden!«

Nick Carter aber war auf Atherson zugetreten und maß ihn mit einem scharfen Blick von oben bis unten.

»Nun zu Ihnen, Mr. Alfred Copeland«, versetzte er in eisigem Ton. »Ich stelle Sie vor die folgende Wahl: Entweder begeben Sie sich mit uns in unserem Wagen zum nächsten Notar und fertigen eine Urkunde des Inhalts aus, dass Sie Ihre Vormundschaft mit allen Rechten und Befugnissen niederlegen …«

»Das werde ich niemals tun!«, unterbrach ihn Atherson wutschnaubend.

»Ich lasse Ihnen genau eine Minute Bedenkzeit«, erklärte Nick Carter mit unerschütterlichem Gleichmut. »Ist die Ihnen gestellte Frist abgelaufen, so werde ich Sie verhaften!«

»Verhaften – mich«, stammelte Atherson nun und wollte auffahren.

Doch sehr zu seiner Überraschung spürte er sich von dem hinter ihm stehenden Chick wie mit Eisenklammern festgehalten.

»Ich werde Sie verhaften!«, erklärte Nick Carter seelenruhig. »Sie sollten doch meinen Einfluss bei der Polizei kennen. Ich werde es durchsetzen, dass Ihnen die sicherste Zelle in den Tombs (Polizeigefängnis) zugewiesen wird, und ich schwöre Ihnen, dass ich diese Zelle nur aus dem Grund bestellt habe, um Sie auf den elektrischen Stuhl zu bringen! Mann, glauben Sie, es vielleicht mit Kindern zu tun zu haben? Schon morgen früh werden die gewieftesten Sachverständigen von ganz New York Ihr Laboratorium durchsuchen, und es sollte mich sehr wundern, vermögen wir bei dieser Gelegenheit nichts zu entdecken!«

Atherson schien plötzlich wie umgewandelt. Es schien, als ob in der Drohung des Detektivs lähmender Schrecken für ihn verborgen lag.

»Well, was geschieht mit mir, wenn ich die von mir verlangte Urkunde ausstelle?«, erkundigte er sich lauernd.

»Leider nichts – nichts!«, erklärte Nick Carter nachdrücklich. »Sie haben in solchem Fall die Erlaubnis, dorthin zu gehen, wohin es Ihnen immer belieben mag, und sich den passendsten Galgen selbst auszusuchen! Ich glaube, eine solche Rücksichtnahme Ihrer Familie schuldig zu sein – und auch Ihres unglücklichen Mündels wegen ziehe ich es vor, die Sache mit Stillschweigen zu begraben, falls Sie vernünftig sind!«

»Gut denn, ich beuge mich der Gewalt!«, stieß der entlarvte Schurke zwischen den geschlossenen Zähnen hervor. »Doch jetzt ist es noch nicht zwei Uhr morgens – wo in aller Welt wollen Sie einen Notar auftreiben?«

»Das lassen Sie nur meine Sorge sein!«, erklärte der Detektiv.

In geschlossener Reihe ging es nun die Straße hinunter und zu dem dort harrenden Wagen zurück. Es entging dem Detektiv nicht, dass Stediger und dessen beide Kumpane ihnen auf der anderen Straßenseite folgten. Doch der von ihm erwartete Überfall blieb aus.

Als die kleine Gruppe den harrenden Wagen erreichte, fanden sie dort einen Mann vor, welcher in eifriger Unterhaltung mit dem Kutscher stand. Nick Carter fasste ihn bei der Schulter, und als der Bursche erschreckt herumfuhr, erkannte er in ihm Barney Tobin.

»Well, mein Lieber, das Spiel ist aus«, bemerkte der Detektiv gelassen. »Dort auf der anderen Seite befindet sich dein Freund Stediger, der dir meine Worte bestätigen wird. Du dürftest samt deinem sauberen Schätzlein Annie gut daran tun, dich einer kleinen Luftveränderung zu unterziehen, denn wir haben für Leute deines Gelichters sehr unbehagliche Zellen hier in New York!«

Wie ein begossener Pudel schlich sich Barney Tobin davon.

Als Erster stieg Patsy in den Wagen, dann folgten Ida mit der befreiten Myrtle, die sich völlig apathisch verhielt. Hierauf musste Alfred Copeland einsteigen, und als Letzter folgte der Detektiv selbst, während Chick mit schussbereiten Revolvern neben dem Kutscher auf dem Bock Platz nahm und die Pferde schnell ausgreifen ließ.

Als sich das Gefährt in rasche Bewegung setzte, erklang hinter ihm wüstes Schimpfen, denn augenscheinlich hatten Stediger und dessen Kumpane gehofft, Atherson würde nicht mitgenommen, sondern von den Detektiven vielmehr ihrer liebevollen Behandlung überlassen werden. Darum das enttäuschte Wutgeheul – übrigens auf lange Zeit hinaus das Letzte, was der berühmte Detektiv von den übertölpelten Halunken zu hören bekam.

Alfred Copeland war sehr wenig erbaut davon, als er sich nach einem Haus an der 5th Avenue mitgenommen sah, das seinem eigenen schräg gegenüber gelegen war. Chick war vom Bock gesprungen und hatte durch energisches Läuten an der Türglocke die schlafenden Hausbewohner bald geweckt.

Eine Viertelstunde später befanden sich die Insassen des Wagens in dem hell erleuchteten Hausparlor. Weinend vor innerer Bewegung hielt Mrs. Boughton ihre wiedergefundene Nichte in den Armen, während sie für den ziemlich niedergedrückt dasitzenden Alfred Copeland nur einen stummen Blick tiefster Verachtung übrig hatte.

Patsy war alsbald zu einem mit dem Detektiv befreundeten Rechtsgelehrten sowie einem öffentlichen Notar ausgeschickt worden, hatte die beiden Herren aus den Betten getrommelt und kehrte schon vor Ablauf einer Stunde mit ihnen nach dem Hause zurück.

Nun begann für Alfred Copeland eine unangenehme halbe Stunde. Er mochte sich winden und drehen sowie hinter seinen gesetzlichen Vormundsrechten verschanzen, wie er wollte, alle Einwendungen halfen ihm nichts, denn immer von Neuem sah er sich wieder vor die Wahl gestellt, klein beizugeben oder ins Gefängnis zu wandern.

Endlich kam ein in Form rechtens gültiger Vertrag zustande, in welchem Alfred Copeland nicht nur all seine Befugnisse als Vormund an Mrs. Boughton übertrug, sondern in welchem er sich auch ausdrücklich verpflichtete, im Falle des Ablebens seiner Stiefschwester auf deren Gesamtvermögen zu verzichten.

»Das wäre geschehen«, bemerkte Nick Carter, nachdem die erforderlichen Unterschriften geleistet und die amtlichen Siegel von dem Notar beigefügt waren.

»Wie Sie wohl genau wissen werden, Mr. Alfred Copeland, verjährt Mordversuch nach amerikanischem Recht erst nach Ablauf von zwanzig Jahren. Wir haben Ihnen Straffreiheit zugesichert – nicht etwa, um Sie zu schonen, sondern aus Rücksicht auf Ihr bisheriges Mündel und deren hochachtbare Familie. Nun hüten Sie sich, in Zukunft auch nur um Haaresbreite von dem Ihnen vorgeschriebenem Weg abzuweichen, Sie dürften sonst ein Ende mit Schrecken nehmen!«

Mit lächelnder Miene wendete sich der Detektiv den übrigen Anwesenden zu.

»Ich glaube, wir haben diesem ehrenwerten Gentleman nichts weiter zu sagen«, meinte er.

Dann streckte er befehlend die Hand nach der Tür aus.

»Hinaus mit Ihnen, Alfred Copeland«, sagte er voll unverhohlener Verachtung. »Die hier im Zimmer Anwesenden haben mit Ihnen nichts mehr gemein!«

Alfred Copeland ergriff seinen Hut und ging. Hinter der Tür versuchte er, höhnisch zu lachen, aber es blieb bei einem kläglichen Versuch, der umso mehr misslang, als Patsy bereits diensteifrig die Tür aufgerissen hatte und sie nun schneller wieder schloss, als der Hinausgewiesene die Schwelle überschreiten konnte – was zur Folge hatte, dass sich Mr. Alfred Copeland mit der Schnelligkeit eines Gummiballes stolpernd durch den Korridor bewegte, um mit einem wütenden Fluch für immer zu verschwinden.

Die glücklich den Mordanschlägen ihres unnatürlichen Stiefbruders entrissene Myrtle Copeland wurde der ausschließlichen Behandlung des berühmten Nervenspezialisten Dr. Rullmann unterstellt. Nicht nur dieser, sondern auch der bald darauf in dessen Klinik als Assistent eintretende junge Arzt Dr. Henning bemühten sich mit einem solchen Erfolg um ihre schöne Patientin, dass Myrtle Copeland völlig genesen, blühend an Körper und Geist, ihrer Familie wieder zurückgegeben werden konnte. Freilich war ihres Bleibens im gastfreundlichen Boughtonschen Hause nicht lange, denn in dem jungen Dr. Henning erstand ihr ein glühender Verehrer, der nicht eher ruhte, bis die Liebliche eingewilligt hatte, ihm als junge Frau Doktor in sein behagliches Heim zu folgen.

 

*

 

Als Nick Carter nach Jahr und Tag zufällig in der Zeitung las, dass der durch verschiedene Entdeckungen auf dem Gebiet der Chemie vorteilhaft bekannte Dr. Atherson in einem Anfall periodischen Wahnsinns Hand an sich gelegt und sich mit einem erst von ihm frisch zubereiteten Pflanzengift getötet hatte, ging der Ausdruck grimmiger Befriedigung durch seine ernsten Züge.

»Es lebt eine ewige Gerechtigkeit, welche dafür sorgt, dass alle Schuld sich noch auf Erden rächt«, sagte er leise vor sich hin und legte das Zeitungsblatt nachdenklich aus der Hand.

Ende

 

Als Band 12 dieser Serie erscheint:

Eine gestörte Hochzeit