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Der Teufel im Schornstein

Der Teufel im Schornstein
Eine Lausbubengeschichte aus dem Jahre 1779

Ein gewisser Gastwirt, ich weiß nicht wo, hatte die löbliche Gewohnheit, dass er keine Magd lange behalten mochte. Er liebte die Veränderung; ja unter 25 Mädgens, die noch so ganz artig und hübsch waren, denn in Gasthöfen müssen sie doch wohl hübsch sein. Weiß man keine Einzige, die ein ganzes Vierteljahr bei ihm ausgedient und ihren vollen Lohn bekommen hatte; denn er wusste immer etwas: Bald war ein Löffel weg, bald vermisste man einen neuen Besen, bald blieb das Mensch so lange in bei Kirche, bald war ein Topf, bald eine Schüssel entzwei, bald steckte der Muz bei den Passagieren, bald machte der Sausödel die Stiefel nicht sauber, bald hätte sie die Tür auf und allerlei Nachtgeister eingelassen. Kurz, der Mann hatte alleweil recht darauf studiert, immer Mägde ohne Lohn zu halten, denn diese waren nur froh, wenn sie gesund aus dem Haus kommen konnten.

Liesgen, ein armes ehrliches Mädgen, hatte das Unglück, sich bei diesem politischen Gastgeber auf ein ganzes Jahr zu verdingen; allein kaum war sie acht Wochen in Diensten, so musste sie fort – ohne Lohn, ohne Kostgeld. Es war doch wohl nicht recht. Sie begab sich in die allgemeine Versammlung der übrigen Mägde; ich meine auf den Markt. Sie traf daselbst gleich zwei bis drei Bekannte an, denen sie ihr Unglück mit tränenden Augen und glucksender Stimme erzählte. Es kamen immer mehr und mehr von dieser geschwätzigen Gesellschaft zusammen, welche ihr Schicksal beklagten, den Wirt einen Mägdeschinder hießen und endlich überhaupt beklagten, wie elend itzo ihr Dienst wäre, da die Herrschaften so knauserig würden, dass sie entweder selbst auf den Markt gingen ober doch eine genaue Rechnung haben wollten, dass ein armer Dienstbote sich nicht für einen Taler Flecken auf die Schuh mehr schaffen konnte. Kurz, sie erhoben ein solches Gewäsch zusammen, dass man weder das Geschnatter der Gänse noch das Wiehern der Pferde noch weniger die erhabene Rede eines mit vielen tausend Zähnen privilegierten Zahnarztes vernehmen konnte.

Und sie würden auf Kosten ihrer Herrschaften noch fortgefahren haben, wenn sich nicht ein neugieriger Schornsteinfegerjunge diesem Parlament genähert hätte, da jede von diesen Küchennymphen besorgt war, dass diese schwarze Gestalt ihren weißen Küchenschürzen gefährlich werden könnte. So wurde ihm auf allen Seiten Platz gemacht.

Er näherte sich der betrübten Agar und fragte sie mit fletschender Miene eines lauernden schwarzen Pudels, was ihr fehle.

»Was hast denn du schmutziger Teufel danach zu fragen?«, fing eine dicke wabbelige Ente von einer Köchin an, der auf ihre Elsteraugen getreten war.

»Da sehmer ener den fletschgen Jungen an«, sagte ein langes, spitznasiges Gesicht und nahm ihre Schürze zusammen, »der wills och nog wissen.«

»Du wirst ihr doch nicht helfen können«, sagte eine Hofratsköchin mit einem Puter unterm Am.

»Wer weiß nicht», versetzte der Junge, »ich habe schon mancher geholfen.«

»Ja, ja, das fehlte noch«, unterbrach eine alte hinkende Doktorköchin, welcher der liebe Kümmel zum Auge herausblitzte, »ich musters nur sagen, eh ders junge vergeht.«

Als er darauf ihre Geschichte vernommen hatte, sagte der Junge: »Ho – ho – wenn es nichts mehr ist als das, so will ich ihr heute noch zu ihren Lohn und Kostgeld verhelfen. Aber einen Gulden muss sie mir davon abgeben.«

Die Magd versprach ihm solches und der Junge gab ihr seine schmutzige Hand darauf.

Des Abends begab sich dieser dienstwillige Geist in das Wirtshaus. Da ihm in selbigen alle Schliche bekannt waren, so steckte er sich heimlich von oben herab in den Schlund eines Kamins, der in dem Zimmer war, wo sich des Abends der Wirt mit den Gästen aufzuhalten pflegte. Zum guten Glück hatte er nur einen einfältigen Landmann bei sich, dem er erzählte, wie es ihm heute mit seiner Magd gegangen wäre, und dass er ihr weder Lohn noch Kostgeld geben würde, weil durch ihre Unvorsichtigkeit die Katze eine Wurst gefressen hätte.

»Ja«, sagte der Landmann, »wenn sie nun zum Richter gebt und sich darüber beschwert?«

»Was schert mich der Richter?«, versetzte der Wirt mit ziemlichen Gebrüll. »In meinem Haus bin ich selber Richter; des Teufels müsste ich sein, wo ich der Hure einen Pfenning geben wollte. Die Würste kosten mich wohl nichts – denkt einer – der Richter – nu ja doch …«

»In tausend Stücken will«, unterbrach ihn der Junge im Schornstein mit einer grässlich fürchterlichen Stimme, »wirst du der Magd nicht noch diesen Abend einen halben Jahreslohn und Kostgeld geben, so will ich dich schon wieder sprechen.«

Bei dieser unverhofften Stimme hatte der Landmann, der am nächsten an der Tür saß, Reißaus genommen; und ob es der Wirt schon auch versuchen wollte, so fiel er doch über einen Stuhl der Länge nach auf die Erde, dass er als ein dicker schwerfälliger Mann das Aufstehen vergaß.

Der Landmann hatte gleich Lärm gemacht und versichert, dass der Teufel in sichtbarer Gestalt mit großen feurigen Augen zum Kamin heruntergekommen wäre und den Wirt zum Fenster hinausgeholt hätte.

Da war nun Lärm über Lärm. Kein Mensch getraute sich in die Stube. Zur Vermehrung ihres Schreckens fand man ein Fenster offen, das der Wirt wegen des Tabaksrauches selbst aufgemacht hatte. Da glaubte man nun gewiss, dass da der Teufel mit ihm durchpassiert wäre. Einige Nachbarn beteuerten, dass sie etwas in der Luft gesehen hätten.

Endlich musste man die Stube doch öffnen. Sobald einer die Tür aufriss, so prellten die anderen zurück. Keiner wollte der Erste sein, der hinein ginge.

Da man nun den Wirt auf den ersten Blick nicht sah, so schrie der Hausknecht: »Ja, ja, Gott sei bei uns – der hat ihn geholt!«

»Nein«, schrie ein anderer, »da liegt er auf der Erde. Der Böse hat ihn nur das Genick rum gedreht.«

»Ach Gott!«, seufzte endlich der arme Wirt, »kommt mir doch zu Hilfe und helft mir auf.«

Wie sie hörten, dass er noch lebendig war und Hilfe verlangte, so gingen sie zwar hinein, keiner aber getraute sich ihn anzurühren, doch endlich erbarmte sich der Landmann über ihn und half ihn auf einen großen Stuhl.

»Hans«, rief der Wirt mit ängstlicher Stimme dem Hausknecht, »Hans, lauf den Augenblick und gib von dem Geld, davon du morgen Haber kaufen sollst, Liesgen vier Taler Lohn und zwei Taler Kostgeld! Lauf den Augenblick, du weißt schon, wo sie wohnt.«

Der Knecht, so dieser Magd sonderlich gewogen war, ließ es sich nicht zweimal sagen und überbrachte ihr die benannten sechs Taler.

Was sie sonst miteinander gesprochen haben, davon meldet die Chronika nichts; wohl aber dieses, dass am nächsten Morgen die ganze Stadt voll war, als ob der Böse – Gott sei bei uns – den dicken Gastwirt Zur goldenen Sau geholt hätte. Da aber endlich der Sache so sehr widersprochen würde, verkehrte es sich endlich, dass es heißt, dass es der Teufel nur hätte tun wollen, dass er ihn leibhaftig erschienen wäre und ihn gewiss geholt hätte, da er der Magd nicht das Geld zahlen wollte.

Der Schornsteinfegerjunge erhielt von dem Mägden zwar den versprochenen Gulden, weil er sich aber mit seiner listigen Erfindung gar zu viel wusste, dass er es allen Leuten erzählte, was er dem Gastwirt für Furcht eingejagt hatte, do ließ ihn dieser als einen Dieb arretieren und gab vor, dass er ihn bestohlen hätte. Weil er aber ihn solches nicht überführen konnte und der Junge der Obrigkeit die ganze Sache erzählte, so bekam zwar der Junge einen derben Verweis wegen seiner Leichtfertigkeit, der Wirt aber einen derben Wischer, dass er mit seinen Mägden so grausam verfahre, die Obrigkeit so schlecht respektierte und an das Fluchen sich so sehr gewöhnt hätte.