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Der Hexer 25

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer, Band 17
Gefangen im Dämonen-Meer

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 26. November 1985, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: David Hardy

Es war wie an den Abenden zuvor, und doch wieder anders: Die unheimlichen, tanzenden Lichter weit draußen auf See waren heller, der sonderbare Singsang, der mit dem Wind heranwehte, lauter, der Hauch von Kälte, der sich wie ein Dieb vom Meer herangeschlichen hatte, deutlicher geworden.

Und mit der Nacht kamen die Boote. Sehr sonderbare Boote; Boote, wie sie Eldekerk nie zuvor erblickt hatte. Boote mit seltsamen, knöchernen Gestalten, Wesen mit zu großen Köpfen und zu dürren Gliedern, mit Haut wie aus Stahl oder poliertem Holz, und mit Gesichtern, die nicht die von Menschen waren …

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Die SIEBEN SIEGEL DER MACHT – sie sind der Schlüssel zu verschlossenen Toren, hinter denen uralte, finstere Dämonen lauern. Necron, der Herr der Drachenburg, plant die Wiedergeburt der vorzeitlichen Monstren. Doch um die Sieben Siegel zu finden, muss er das erste in seinen Besitz bringen.

Es befindet sich an Bord der DAGON, einem bizarren, gewaltigen Weltenschiff, auf dem der gleichnamige Fischgott und zweihundert seiner Anhänger einem »verheißenen Land« entgegenfahren. Mit an Bord ist Robert Craven, der HEXER. Er hilft Dagon – obwohl er dessen düstere Pläne erahnt –, um seine beiden Freunde Howard und Rowlf vor dem sicheren Tod zu retten. Das Amulett seines verstorbenen Vaters ermöglicht der DAGON die phantastische Reise.

Da schickt Necron seine Drachenkrieger aus, um das erste Siegel zu erbeuten. Unter ihnen sind Shannon, ein ehemaliger Freund und Kampfgefährte Roberts, und der UNAUSSPRECHLICHE, ein Wesen, das die DAGON zerstören soll, sobald das Siegel gefunden ist. Es schafft einen gewaltigen Mahlstrom, der das Schiff zu verschlingen droht.

Der Fischgott spürt die Nähe des Gegners – und weiß, dass er ihm nicht gewachsen ist. So ergreift er durch ein Tor (das bizarre Transportsystem der GROßEN ALTEN) die Flucht und lässt seine Jünger hilf- und wehrlos zurück.

Doch Robert Craven stellt sich auf die Seite der irregeleiteten Menschen. Plötzlich merkt er, dass ein unglaublich mächtiger Geist ihm zu Hilfe kommt und seine Kräfte verstärkt; ein Wesen, das offensichtlich ebenfalls Necrons Feind ist. Shannon muss seinem Herrn und Meister gehorchen, doch ändert er dessen Pläne, um Robert und Dagons Anhängern das Leben zu retten. Während der UNAUSSPRECHLICHE die Wirklichkeit zu verändern beginnt und das Schiff ins sichere Verderben zieht, schließen er und Robert einen Handel – das Leben der Menschen gegen das Siegel. Der Hexer ahnt nicht, dass er das Schicksal der Welt in Necrons Hand legt, als er einwilligt.

Durch das neu belebte Tor im Bauch der DAGON kehren die enttäuschten, hoffnungslosen Jünger des Fischgottes in ihr Dorf zurück. Und Robert hält sein Wort – er liefert Shannon das Siegel aus. Erst die wütenden Worte des Wesens, das ihn in seinem Kampf unterstützte, machen ihm seinen Fehler klar. Doch es ist zu spät. Die Jagd nach den SIEBEN SIEGELN DER MACHT hat begonnen …

 

*

 

Es war das zwölfte oder dreizehnte Mal, dass Eldekerk diese seltsamen Boote und ihre noch seltsameren Insassen beobachtete, aber der Anblick hatte nichts von seinem Schrecken verloren.

Und nichts von seiner furchtbaren Faszination.

Jop Eldekerk war ein Mann von gut fünfzig Jahren, den ein Schicksal, gegen das der Lebensweg eines Marco Polo langweilig erschienen wäre (so erzählte er es selbst jedenfalls gerne), bis nach Krakatau verschlagen hatte; auf eine Insel in der Sundastraße, so klein und unbedeutend, dass sie auf den meisten Karten Indonesiens nicht einmal zu finden war.

Aber wenn auch das meiste von dem, was Eldekerk über seine Abenteuer zu erzählen wusste, schlichtweg erfunden war, so hatte er doch genug erlebt, um zu wissen, dass es Dinge gab, in die man seine Nase besser nicht hineinsteckte, wollte man nicht Gefahr laufen, sie zu verlieren – unter Umständen mitsamt des dazugehörigen Kopfes. Und das, was er jetzt seit annähernd zwei Wochen Abend für Abend nach Sonnenuntergang beobachtete, gehörte ganz eindeutig zu diesen Dingen.

Diese sonderbaren Boote, die Lichter, die Geräusche und die seltsamen Knochenmänner machten ihm Angst.

Und gleichzeitig faszinierten sie ihn so, dass er jeden Abend sein Fernglas und die Bergstiefel hervornahm und sich wieder auf den Weg hier heraus machte.

Eldekerk verstand sein Tun in diesem Punkt selbst nicht so recht. Im Grunde war er ein ganz vernünftiger Mann – wäre er es nicht gewesen, hätte er in seinem Leben als Weltenbummler und Abenteurer kaum ein so stattliches Alter erreicht, ohne mehr als zwei Finger und ein halbes Ohr einzubüßen – und normalerweise hätte er um etwas, das derart fremd und bedrohlich wirkte, einen Bogen geschlagen, so groß wie der Wendekreis des Krebses. Überdies nahm er sich jeden Morgen, wenn er erschöpft und todmüde in seine kleine Hütte zurückkam und auf sein Bett fiel, fest vor, nicht noch einmal zur Küste hinunterzugehen.

Und jeden Abend, wenn die Zeit kam, brach er wieder auf. Es war wie ein Zwang, etwas, das stärker war als seine Vernunft und ihn immer wieder aufs Neue dazu brachte, die lebensgefährliche Kletterei in Kauf zu nehmen, um den kleinen Felsüberhang über der Küste zu erreichen, von dem aus er der unheimlichen Prozession zusehen konnte. Und da war noch etwas.

Es war ihm unmöglich, darüber zu sprechen.

Gleich am ersten Morgen hatte er es versucht, an dem Morgen, der der Nacht folgte, in der er sich hierher verirrt und die bizarren Knochenboote zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte versucht, mit seinen Freunden darüber zu reden und von dem Sonderbaren zu berichten, aber es war ihm nicht gelungen. Seine Kehle war wie zugeschnürt gewesen. Alles, was er hervorgebracht hatte, war ein albernes Kichern.

Der Wind drehte sich, fuhr raschelnd durch das dichte, tropische Unterholz, in dem Eldekerk Schutz gesucht hatte, und trug den düsteren Singsang, der das Erscheinen der Boote begleitete, für einen Moment stärker heran. Eldekerk schauderte. Das Geräusch erinnerte ihn an den dumpfen Wechselgesang mittelalterlicher Mönche, die ein Opfer zur Inquisition begleiteten. Eldekerk wusste nicht, warum – aber ganz genau das war das Bild, das seine Phantasie zu diesen Tönen erschuf.

Er versuchte die Vorstellung zu vertreiben, aber es gelang ihm nur zum Teil. Sie blieb und gesellte sich der Angst hinzu, die der Anblick des guten Dutzends niedriger Boote ohnehin in ihm wachrief.

Die sonderbare Prozession kam näher, so nahe, dass Eldekerk sie nun fast schon mit bloßem Auge als Schiffe erkennen konnte. Beim ersten Mal hatten sie kaum hundert Meter zurückgelegt, ehe sie verschwanden, am zweiten gut die doppelte Distanz, dann einen halben Kilometer, einen ganzen…

Eldekerk wusste nicht, was geschehen würde, wenn sie die Küste erreichten. Der Felssims, auf dem er lag, wuchs wie ein von der Hand der Natur erschaffener Balkon gute zehn, zwölf Meter ins Nichts hinaus, so dass er den dreißig Meter tiefer gelegenen Küstenstreifen nicht erkennen konnte. Aber er glaubte auch nicht, dass sie die Küste heute erreichen würden. Es gab zwei Dinge, die dagegen sprachen.

Das eine waren Eldekerks – zugegeben beschränkte – Mathematikkenntnisse. Er hatte versucht, die Strecke abzuschätzen, die noch zwischen der gespenstischen Flotte und der Küste lag, und die allabendliche Verdoppelung des Weges, den sie zurücklegte. Wenn er sich nicht geirrt hatte, durften sie die Küste frühestens in der folgenden Nacht erreichen.

Das andere war der Mond.

Eldekerk war kein abergläubischer Mensch, ganz und gar nicht. Er wusste nur, dass es Dinge gab, die mit dem Wissen und der Logik der Menschen nicht unbedingt zu erklären waren. Diese Flotte und ihre gespenstischen Steuermänner gehörten dazu. Als Eldekerk sie das erste Mal gesehen hatte, war Neumond gewesen. Jetzt fehlte noch ein Fingerbreit, aus dem Mond ein vollkommen gerundetes, fettes Auge zu machen, das vom Himmel blinzelte.

Er war sehr sicher, dass die Gespensterflotte die Küste Krakataus genau bei Vollmond erreichen würde.

Das erste Boot näherte sich der Stelle, die Eldekerk in Gedanken errechnet hatte. Hastig stemmte er sich auf die Ellbogen hoch, fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, die vom langen angestrengten Starren zu schmerzen begonnen hatten, und setzte sein Fernglas wieder ab.

Der langgestreckte Schatten wuchs zu einem grotesken Boot heran, in dem ein noch groteskeres Wesen stand, das es mit einer langen, irgendwie lebendig aussehenden Stange von der Stelle stakte. Aber Eldekerk hatte an diesem Abend weder einen Blick für das abstruse Knochengesicht des Mannes noch für sein seltsames Boot. Mit angehaltenem Atem und zitternd vor Spannung wartete er.

Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.

Der Knöcherne stakte das Boot noch zehn, vielleicht zwölf Stöße weiter und zog seine Stange dann ein.

Einen Augenblick später begann das Boot zu verblassen.

Eldekerk hatte einmal zugesehen, wie ein Fotograf eine seiner Platten in ein Chemiebad legte und auf dem scheinbar leeren Stück Metall nach und nach ein Bild erschien, wie aus dem Nichts. Der Vorgang, den er jetzt beobachtete, war genau so, nur umgekehrt. Langsam, ganz langsam, als stehle eine unsichtbare Macht dem Schiff dort draußen seine Realität, löste sich das seltsame Gefährt auf. Seine Farben verblassten. Es wurde durchsichtig, schien für einen kurzen Moment zu zerfließen wie ein Spiegelbild in klarem Wasser, in das jemand einen Stein geworfen hatte – und war fort.

Das Fernrohr in Eldekerks Hand suchte das nächste Boot. Lautlos glitt es heran, erreichte die Stelle, an der das erste verschwunden war – und verblasste ebenfalls.

Der Vorgang wiederholte sich noch ein gutes Dutzend Mal, dann war der Ozean wieder so leer wie vor dem Erscheinen der seltsamen Flotte, und auch die Lichterscheinungen und Geräusche waren verschwunden.

Aber Eldekerk hatte genug gesehen. Er wusste jetzt, dass er sich nicht getäuscht hatte. Morgen, wenn der Mond aufging, würden sie die Küste erreichen.

Und er, Jop Eldekerk, würde dort unten sein, um auf sie zu warten.