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Deutsche Märchen und Sagen 103

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

137. Reise nach Jerusalem

Dem Johannes Nider hat ein Erzbischof von Mainz folgende Geschichte zu wiederholten Malen erzählt.

Ein edler deutscher Ritter, der, wie es nun einmal so ging, in ewigem Hader, Zwist und Fehde mit seinen Nachbarn lebte, ritt eines Nachts, begleitet von mehreren Knechten, in einen Wald nahe an dem Rhein. Ehe er das Ende desselben erreicht hatte, sandte er einen der Knechte voraus, um zu spähen, ob im Feld nichts Verdächtiges sei und nicht etwa ein Hinterhalt dort gelegt wäre. Da der Mond gar hell schien, so konnte der Knecht das leicht und gut. Als er aber am Rand des Waldes zwischen den Baumzweigen durch das Feld überschaute, da sah er, dass ein unendliches Reiterheer dasselbe in seiner ganzen Länge bedeckte und sich auf hohen Rossen langsam dem Wald näherte. Schnell lief er zu dem Ritter zurück und hinterbrachte ihm das.

Der sprach: »Lasst uns ein wenig warten, denn es ist wahrscheinlich, dass dem Heer eine Nachhut folgt. An diese wollen wir uns wenden und von denen können wir leicht erfahren, ob die Vorziehenden Freunde oder Feinde sind. Keinesfalls haben wir die Nachzügler zu fürchten und können es wohl mit ihnen aufnehmen.«

Nachdem sie nun ein wenig gezögert hatten, ritten sie getrost dem Waldende zu, fanden aber im Feld keine Spur mehr von dem Heer, einen einzigen Soldaten ausgenommen mit zwei Pferden, auf deren einem er saß, das andere an der Hand führend.

Als der Ritter ihm näher kam, glaubte er ein bekanntes Gesicht zu erblicken und fragte den Reiter erstaunt: »Was, sehe ich recht, so bist du mein Koch?«

Der Koch war nämlich einige Tage vorher gestorben und darum wunderte sich der Ritter so. Auf die Antwort »Ja, der bin ich, Herr«, fragte der Ritter weiter: »Was machst du denn hier und wer sind die, welche vor dir herzogen?«

Darauf entgegnete der Tote: »Herr, die vorherzogen, das sind die Ritter und Knappen und mit denen muss ich noch in dieser Nacht zu Jerusalem sein; denn das ist unsere Strafe.«

»Was tust du denn aber mit dem anderen Pferd, welches du ohne Reiter neben dir herführst?«, fragte der Ritter weiter.

Und der Koch antwortete: »Das steht zu euren Diensten, Herr, wenn Ihr mit uns zum Heiligen Land kommen wollt. Fürchtet Euch darum nicht, Übles wird Euch nicht widerfahren und ich gelobe Euch bei meinem Glauben als Christ, dass ich Euch unverletzt dahin und wieder zurück bringe, wenn ihr meinen Mahnungen Folge leistet.«

Darauf entgegnete der Ritter: »Ich habe viel Wunderbares in meinen Tagen erlebt, aber das ist doch dagegen alles nichts.«

Seine Knechte rieten ihm, die Fahrt nicht zu wagen und mit ihnen zurück nach Hause zu kehren; aber davon wollte er nichts wissen, sprang von seinem Pferd auf das Handpferd des Koches und war in einem Augenblick aus der Knechte Augen verschwunden. Am folgenden Tag erst kehrte der Ritter mit dem Geist an denselben Ort wieder zurück, wo die Diener ihn noch erwarteten.

Dann sprach der Geist: »Nun glaubt nimmer, dass das, was ihr gesehen, ein bloßer Traum war. Zwei seltene und köstliche Dinge will ich Euch nun geben und die bewahrt gut als Angedenken von mir.« Er gab ihm ein Salamandertischtuch und ein Messer in einer Scheide und fuhr fort: »Ist dies Erstere schmutzig, dann werft es ins Feuer und es wird rein; das Messer aber gebraucht mit Vorsicht, denn, wen ihr damit verwundet, der ist ein Kind des Todes.«

Mit den Worten verschwand der Geist.

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