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Die Sternkammer – Band 3 – Kapitel 3

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 3
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Drittes Kapitel

Wie unsere Lieblingslaster zu Geißeln werden, um uns zu züchtigen.

Wir müssen nun den Leser bitten, das stolze Herrenhaus am Strand, welches von Thomas Cecil, damaligen Grafen von Exeter, errichtet worden war und seinen Namen führte, mit uns zu besuchen. In einem Zimmer desselben werden wir Lord Roos und die Gräfin von Exeter zum letzten Mal allein beieinander finden.

Sehr verschieden gegen früher war das Benehmen des schuldigen Paares gegeneinander. Die Blicke, die sie wechselten, waren nicht mehr die der leidenschaftlichen Liebe, sondern des menschlichen Hasses. Bittere Vorwürfe waren von der einen Seite ausgesprochen worden. Seitdem der unheilvolle Befehl der Gräfin abgedrungen worden war, war ihr Seelenfrieden gänzlich zerstört und sie eine Beute der vollen Qual der Reue geworden. Die Veränderung ihrer Gesinnung gegen ihn bemerkend, bemühte sich Lord Roos durch die Künste, die sich bisher erfolgreich gezeigt hatten, den verlorenen Platz in ihrer Neigung wieder zu gewinnen. Als ihm dies aber misslang und er durch ihre Vorwürfe, noch mehr aber durch ihre Kälte aufgeregt wurde, sprach er sein Missfallen in Ausdrücken aus, die

sehr bald einen entschiedenen Streit zwischen ihnen hervorbrachten. Wenn gleich dem Aussehen nach versöhnt, waren sie einander doch nie wieder, was sie vorher gewesen waren.

Da dies ihre letzte Zusammenkunft sein sollte, so waren sie übereingekommen, dieselbe nicht durch vergebliche Vorwürfe und Beschuldigungen zu verbittern. Lord Roos teilte der Gräfin mit, dass er sich entschlossen habe, in Italien und Spanien zu reisen und eine längere Zeit auszubleiben. Die Ankündigung seiner Absicht wurde von ihr ohne eine Entgegnung angenommen. Vielleicht hoffte er, sie werde nachgeben, wenn er sie auf diese Probe stelle. Wenn er dies hoffte, so täuschte er sich. Sie bat ihn sogar, seine Abreise nicht zu verzögern, und schloss ihre Rede mit den Worten: »Es sagt mir etwas, dass wir einander in dieser Welt nicht wiedersehen werden. Wie werden wir uns einander dann ansehen?«

»Belästigt mich nicht mit dieser Frage, versetzte Lord Roos düster, ich komme nicht hierher, um Strafpredigten anzuhören und will keine Vorwürfe mehr dulden.«

»Ich will Euch keine Vorwürfe machen, William«, entgegnete sie milde, »aber der Gedanke an unser schreckliches Verbrechen erhebt sich beständig vor mir. Wollte

Gott, wir könnten ungeschehen machen, was wir getan haben!«

»Ich sage Euch, es ist zu spät«, versetzte Lord Roos in rauem Ton.

In diesem Augenblick trat Diego plötzlich ein und entschuldigte sich damit, dass Sara draußen sei und mit Seiner Herrlichkeit zu reden wünsche. Er fügte hinzu, sie bringe eine Botschaft von Lady Roos, deren Befinden sich sehr verschlimmert habe, und als sie Seine Herrlichkeit nicht in seinem Haus gefunden hatte, habe sie gewagt, ihm nach Exeter House zu folgen, um dieselbe abzuliefern.

»Ich will sogleich zu ihr kommen«, sagte Lord Roos nachlässig.

»Nein, nein, lasst sie sogleich ein, Diego«, rief die Gräfin, »ich möchte hören, was sie zu sagen hat.«

Als im nächsten Augenblick Sara Swarton ins Zimmer geführt wurde, stürzte sie auf sie zu und fragte lebhaft: »Wie geht es mit Eurer Dame? Ist irgendeine Hoffnung für sie?«

»Durchaus keine«, versetzte Sara, traurig den Kopf schüttelnd. »Sie ist über alle Wahrscheinlichkeit der Genesung hinaus.«

»Dann verzeihe mir der Himmel!«, rief die Gräfin, ihre Hände zusammenschlagend und auf die Kniesinkend.

Sara Swarton sah sie mit Erstaunen an, während Lord Roos zu ihr eilte und ihr gebot, aufzustehen.

»Nehmt Euch in Acht, was Ihr sagt und tut, Gräfin«, flüsterte er. »Ihr werdet den Verdacht dieses Frauenzimmers erregen.«

»Warum flehen Ihre Herrlichkeit den Himmel um Verzeihung an, weil meine arme liebe Dame ihrem Ende nahe ist?«, fragte Sara.

»Weil ich ihr viel Kummer verursacht habe«, versetzte die Gräfin.

»Eure Botschaft, Sara, Eure Botschaft?«, fiel Lord Roos ein. »Was habt Ihr mir zu sagen?«

»Mylady wünscht Euch noch einmal zu sehen, ehe sie stirbt, Mylord«, versetzte Sara. »Sie möchte Abschied von Euch nehmen und … und … sie hat Euch etwas mitzuteilen. Ihr werdet doch ihre letzte Bitte nicht abschlagen?«

»Er wird es nicht – er wird es nicht, dessen bin ich gewiss«, rief die Gräfin, als sie bemerkte, dass er unentschlossen aussah.

»Ich erwartete nicht, von Euch unterstützt zu werden, Mylady«, bemerkte Sara in zunehmender Überraschung.

»Ich wollte, ich könnte sie auch besuchen und ihre Verzeihung erlangen!«, rief die Gräfin, ohne die Bemerkung zu beachten.

»Ein törichter Wunsch, dem Ihr Euch nicht hingeben dürft«, sagte Lord Roos.

Sara schien einen plötzlichen Einfall zu haben und rief: »Euer Wunsch kann wahrscheinlich erfüllt werden. Meine arme Dame wünscht in Frieden mit der Welt und selbst mit denen, die sie beleidigt haben, zu scheiden. Ich will ihr Euren Wunsch mitteilen. Vielleicht wird sie einwilligen, Euch zu sehen.«

»Ihr sollt eine Belohnung haben, die dem Dienst angemessen ist, wenn Ihr es ausführt«, sagte die Gräfin. »Eilt so schnell Ihr könnt zu ihr, Mylord, und ich werde in meiner Sänfte folgen, bereit, auf Saras Ruf zu erscheinen.«

»Mir gefällt der Plan nicht«, versetzte Lord Roos.

»Ihr tut Unrecht zu gehen. Warum wolltet Ihr sie besuchen?«

»Warum?«, antwortete sie, ihn fest ansehend, »weil es mir später einen geringen Trost gewähren könnte.«

»Da geht allein«, sagte Lord Roos wild. »Ich will Euch nicht begleiten.«

»Ich bitte Euch nicht, mich zu begleiten, sondern mir voranzugehen«, versetzte sie. »Nun hört mich an, Mylord«, fügte sie in leisem, aber festem Ton hinzu, »und haltet Euch überzeugt, dass ich nicht mehr sage, als ich ausführen werde. Wenn Ihr die letzte Bitte Eurer Gattin verweigert, werde ich mit Sara gehen und ihr alles bekennen.«

Lord Roos sah aus, als hätte er sie vernichten können, und murmelte eine schreckliche Verwünschung über ihr Haupt.

»Droht mir nur – ja, und führt die Drohung später aus, wenn Ihr wollt«, fuhr die Gräfin in demselben leisen und entschiedenen Ton fort, »aber gehen sollt Ihr jetzt.«

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