Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Dämonomanie in Lothringen. (1580 – 1595)

Die Dämonomanie in Lothringen. (1580 – 1595)

Die Hauptnachrichten über den Teufelswahn in Lothringen sind in dem Werk von Remigius enthalten, welches 1596 in Köln erschien. Nach ihm sind im Zeitraum von fünfzehn Jahren bloß in Lothringen, wo er Kriminalprokurator war, 900 Unglückliche wegen ihres angeblichen Verkehrs mit dem Teufel getötet worden.

In der Schilderung, durch die sich Remigius bemüht, den wirklichen Verkehr mit dem Teufel nachzuweisen, werden die schon zum Öfteren erwähnten Data wieder vorgebracht. Der Teufel gibt ihnen Pulver, Salben, Gifte verschiedener Art; das Geld des Teufels verwandelt sich in Schmutz; er drückt seinen Anhängern seine Marke auf, vermischt sich fleischlich mit ihnen, aber der Koitus mit ihm ist sehr schmerzlich, führt sie auf den Sabbat, wo er als Bock präsidiert, verwirrt ihren Verstand, sodass sie glauben, sie seien in Tiere verwandelt usw. Remigius macht dann die Bemerkung: Viele Teufelsverehrer hätten die Absicht gehabt, ihre Lebensart zu ändern, aber der Teufel hätte sie nicht losgelassen, er hätte sie angetrieben, sich selbst zu töten. Teils aus Ekel vor der teuflischen Gemeinschaft, teils aus Gewissensbissen, teils aus Furcht vor der menschlichen Gerechtigkeit stürzten sich die Unglücklichen haufenweise ins Wasser, hingen sich auf oder brachten sich tödliche Wunden bei. In einem Jahr kamen fünfzehn Selbstmorde vor.

Ein gewisser Désir sollte lebendig verbrannt werden, nachdem er mit glühenden Zangen gezwickt worden war, weil er Hexenmeister war und auch den Tod seines Vaters verschuldet haben sollte. Er schnitt sich mit einem alten Messer im Kerker die Kehle durch und war auf der Stelle tot.

Ein anderer erdrosselte sich mit einem halb verfaulten Stück Leinwand, dessen Enden er an einen aus der Mauer hervorragenden Knochen geknüpft hatte. Seine Beine waren unter den Schenkeln zusammengebogen und seine Knie berührten beinahe die Erde, aber trotzdem hatte er seinen Zweck vollkommen erreicht.

Johanne von Banne hatte nicht die Kraft, sich zu töten, kämpfte aber fortwährend mit dem Antrieb dazu. Je mehr sie sich bemühte, die fürchterliche Neigung zu unterdrücken, desto stärker trieb sie der Teufel dazu, indem er ihr alle mögliche Arten des Selbstmordes vorspiegelte. Eines Tages zeigte er ihr eine eiserne Kette, die unbedachterweise in einem Winkel ihres Gefängnisses liegen geblieben war. Schon wollte sie die Enden der Kette zusammenknüpfen, aber sie kam doch nicht zum Ziel.

Anna Drigée gestand, dass ihr der Teufel die grausame, schmachvolle Hinrichtung vorspiegelte, die Schande, die auf ihrem Namen lasten sollte, was sie durch Selbstmord alles leicht vermeiden könnte. Mehrmals stieg sie bis zur Höhe ihres Gefängnisses, wo sich eine Öffnung befand, und maß die Tiefe des Abgrundes, um sich herabzustürzen. Aber die Furcht vor dem Schmerz und der ewigen Verdammnis ließ sie vor dem Selbstmord wieder zurückbeben.

Désir Gerard versicherte, der Teufel habe ihn oft zum Selbstmord locken wollen. Als er sich aber immer nicht dazu entschließen wollte, habe der Teufel ihm versprochen, ihn unter der Gestalt eines Dämons wieder aufleben zu lassen und alle seine Wünsche zu erfüllen. Nur die Furcht vor einer neuen Täuschung habe ihn dem Leben erhalten.

Die Frauen wünschten oft mit der größten Sehnsucht den Augenblick ihrer Hinrichtung herbei. Antonie Marchand versicherte, ihr einziger Wunsch wäre nur, so rasch als möglich auf den Scheiterhaufen zu steigen, wo sie lebendig verbrannt werden soll.

Apollonie von Freissen beteuerte, dass ihr der Tod nur in den heitersten Farben erschiene, denn so lange sie lebe, würde der Teufel nicht aufhören, sie zu Verbrechen und zur Sünde zu verführen usw.

Der Teufel erschien den Unglücklichen nicht bloß in der Stille und der Einsamkeit des Gefängnisses. Sie sahen und hörten ihn selbst während der peinlichen Frage. Zu Quirinia kam der Teufel ins Gefängnis und verkündete ihr, sie würde die fürchterlichsten Schmerzen zu erdulden haben, aber sie sollte nur ausharren, und sie könnte während der Prüfung auf seine Hilfe rechnen. Als sie auf der Folter ausgespannt war, kam es ihr vor, als ob der Teufel, unter ihren Haaren sitzend, ihr fortwährend Mut einflößte und ihr zuriefe, die Schmerzen gingen zu Ende; aber trotzdem verlängerte sich die Pein auf eine unerträgliche Weise. »So also«, rief sie aus, »verhöhnst du mich durch treulose Worte?«

Franziska Felleo blieb einige Zeit regungslos auf der Folterbank ausgestreckt, ohne die Stimme des Richters zu hören, weil ihr der Teufel das tiefste Stillschweigen anbefohlen hatte. Als ihr die Heftigkeit des Schmerzes das Gehör wiedergab und sie anfing, ihre Geständnisse abzulegen, bedrohte sie der Teufel mit dem Tode, sodass sie die Richter flehentlich bat, sie niemals und besonders in der Nacht allein zu lassen. Anna Morelie und einige andere versicherten, der Teufel habe sich bis zum Ende der peinlichen Frage neben ihnen aufgehalten, sie hätten seine Stimme so deutlich vernommen, als ob er in ihrem Ohr gesessen hätte. Alexia Belhore begann die Erzählung ihrer Geschichte mit einem frommen Gebet. Plötzlich stürzte sie hinten über, man hielt sie für tot. »Seht ihr denn nicht«, ruft sie aus, als sie wieder zu sich kam, »dass der Teufel mich erschreckt hat, dass er sich hier unter diesem Gerät verbirgt? Soeben hat er meinen Hals zusammengeschnürt, als ob er mich erwürgen wollte. Nun sieht er mich drohend an, dass ich seine Geheimnisse nicht verraten soll. Als ich auf der Folter lag, hat er mir den Daumen ins linke Ohr gesteckt und mich ermahnt, mutig Widerstand zu leisten.«

Man sieht, dass die Dämonomanen in Lothringen fortwährend von Sensationen und Bildern heimgesucht wurden, die sie in der Überzeugung bestärkten, der Teufel verlasse sie niemals. Ihre Fantasie variierte die Bilder nach der Lage, in der sie sich jedes Mal befanden; in der Gefangenschaft nahmen die Bilder den düstersten Charakter an. Remigius macht schon die Bemerkung, dass die Dämonomanie sich gewöhnlich in denselben Familien fortpflanze. Er hat sehr oft junge Kinder an dem Scheiterhaufen, auf dem ihre Eltern verbrannt wurden, auspeitschen lassen, aber trotzdem, meint er, behielt sie der Teufel in seinen Schlingen. Oft genug legen die Kinder Zeugnis gegen ihre eigenen Eltern ab. Nicole Morèle sagt aus, sie sei noch nicht mannbar gewesen, als sie ihr eigener Vater schon zu einer nächtlichen Versammlung der Teufel geführt habe. Sie habe dann die Liebkosungen eines Dämons geduldet, der aber sehr schwer wie ein Marmorblock auf ihr gelastet. Mütter gestehen, dass sie keinen anderen Ausweg vor den Zudringlichkeiten des Teufels gewusst haben, als ihre Kinder ihm als Beute zu überliefern. Eine Menge der von Remigius angeführten Tatsachen zeigen, wie sehr die geistige Verirrung der Eltern auf die psychische Entwicklung der Kinder Einfluss gehabt habe.

In den Geständnissen der Angeklagten kommen auch die früher schon erwähnten Hexensalben und Gifte wieder vor. Anna Ruffe wollte mit einer anderen zusammen einen Leichnam unter den Dielen einer Kirche hervorgescharrt, ihn verbrannt und das Pulver als Gift gebraucht haben. Katharine Mathe fügt zu ihren Giften Alant (Inule Helenium), Feigbohnen, Farnkraut, Ruß und Ochsengalle. Brice verkocht den Körper eines Kindes zu Salbe und bedient sich der Asche von den nachher verbrannten Knochen, um die Bäume unfruchtbar zu machen etc. Andere klagen sich an, die Häuser ihrer Nachbarn angezündet zu haben.