Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Oberhessisches Sagenbuch Teil 29

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Im Gederner Schloss

Im Gederner Schloss ist es immer nicht ganz geheuer gewesen, das könnte man durch viele Geschichten beweisen.

Eine der alten Fürstinnen, wenn mir recht ist, Eleonore mit Namen, war noch nicht lange verheiratet, als sie beim Gehen aus ihrem Schlafgemach ein kleines Graumännchen vor sich fand, das sie mit dem freundlichsten Gesichte von der Welt anblickte, stillschweigend durch das ganze Gebäude begleitete und Tag und Nacht nicht von ihrer Seite wich. Außer ihr aber blieb das Graumännchen allen anderen Menschen unsichtbar. Nach einiger Zeit fragte sie ihren Hofkaplan um Rat, was solches Ding bedeute und was sie bei diesem Abenteuer zu tun habe. Der riet ihr, sie solle sich ein Herz fassen, nach seinem Begehr fragen und wenn dieser nichts gegen Gottes Gebot in sich fasse, ihm dasselbe erfüllen. Dieser Ratschlag deuchte der Fürstin auch gut zu sein. Allein sie konnte es nie über sich gewinnen, ihn auszuführen. Also begleitete sie das Graumännchen, wie eine getreues Hündlein, auf Schritt und Tritt lange Jahre. Am Tage aber, da es wider Gewohnheit ausblieb, wurde die Fürstin plötzlich unwohl und verstarb eines jähen Todes.


Das Bandhaus zu Büdingen

Nicht weit von dem Obertor zu Büdingen, in einem herrschaftlichen Garten, steht ein altes, düsteres, nun nicht mehr bewohntes Gebäude, in dem eine Menge schaurige Geschichten passiert sind. Es ist das Bandhaus, welches nun als Eiskeller, Fruchtspeicher und Kelterhaus dient.

Ein Mann aus der Stadt sollte einst in demselben Obst auslesen und wurde in dieser Beschäftigung durch ein furchtbares Getöse aufgeschreckt. Da aber dieses nach einiger Zeit nachließ, auch ihm selbst nichts Böses geschah, so ließ er sich das Ding nicht sonderlich anfechten und schaffte weiter. Wie er sich indes zufällig dabei einmal umschaute, sah er ein altes graues Männchen sich gerade gegenübersitzen, das mit dem freundlichsten Gesicht von der Welt ihm zunickte und offenbar zu sprechen begehrte. Er ließ es jedoch dazu nicht kommen, sondern entfloh heulend vom unheimlichen Ort. Zu Hause musste er sich alsbald zu Bett legen. Die heftige Krankheit, in welche er verfiel, hätte ihm beinahe das Leben gekostet.

Nicht viel besser erging es im Siebenjährigen Krieg einer Rotte Kaiserlicher, welche man in das Bandhaus einquartiert hatte. Es waren Reiter, die sich den schaurigen Oktoberabend nach ihrer Weise bei Bier, Tabak, Gesang und Kartenspiel vertrieben, sodass sie gar nicht merkten, wie die Mitternachtsstunde herannahte. Ein verwegener und vom Spiel und Trinken erhitzter Wachtmeister warf gerade in diesem Augenblick die Karten laut schallend auf den Tisch.

»Und wenn der Teufel selbst käme«, brüllte er, »so muss ich den Stich doch gewinnen!«

Weil er aber so heftig aufgeschlagen hatte, sprang die Karte zwischen ihnen durch und fuhr unter die neben ihnen stehende Bank. Geschwind ergriff der Wachtmeister den Leuchter, um sie wieder zu suchen. Ebenso geschwind aber fuhr er auch wieder zurück, seine Züge verzerrten sich, seine stammenden Lippen vermochten nicht mehr zu reden und nur mit der Hand deutete er den ihn verwundert anglotzenden Kameraden zitternd zur Bank hin. Siehe, da lag ein großer, pechschwarzer Hund mit rollenden Feueraugen, dem eine glühende Kette um den Hals geschlungen war! Die Karten hinwerfen und mit Grausen zur Tür hinausspringen, war bei allen eins. Obwohl sie draußen sich ihrer Furcht schämten, wollte niemand von ihnen mit dem höllischem Hund anbinden, noch in dem Haus über Nacht bleiben. Der Rat der Stadt musste ihnen andere Quartiere beschaffen.