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Der Wolfmensch Dritter Teil – Kapitel 7

Elie Berthet
Der Wolfmensch
oder: Die Bestie des Gévaudan
Aus dem Französischen von A. Kretzschmar
Hartleben’s Verlags-Exedition. Pest, Wien und Leipzig, 1858.

Dritter Teil

Der Lykanthrop

Kehren wir nun zu Fargeot zurück, den wir im dichtesten Teil des Waldes verlassen haben. Er war in dieser Art Urwald nicht weit gekommen, ohne von ernsten Hindernissen aufgehalten zu werden. Bald war es ein Felsen, den er umgehen musste, bald eine mit Schneewasser angefüllte Höhlung, bald ein Dorngestrüpp, welches nur für das Feuer zu taugen schien.

Fargeot besaß, wie wir wissen, noch so viel Korpulenz, dass diese Schwierigkeiten ihm doppelt mühsam zu übersteigen sein mussten. Dennoch aber wiederholte er von Zeit zu Zeit jenes Geheul, welches ihm als Erkennungszeichen mit dem Lykanthropen dienen sollte, und da man nicht aufhörte, ihm zu antworten, so verlor er auch den Mut nicht.

Dennoch aber kam ein Augenblick, wo er sich in tödlicher Verlegenheit sah. Er war an dem Rand eines schlüpfrigen Felsens angelangt, unter welchem man einen unterirdischen Wasserstrom brausen hörte. Das Dickicht, welches Fargeot durchschritten hatte, hatte sich hinter ihm geschlossen, sodass es ihm ebenso unmöglich schien, sich vorwärts oder rückwärts zu bewegen.

In seiner Verwirrung stieß der dicke Mann das gewohnte Geheul aus. Diesmal aber antwortete man ihm nicht in demselben Ton, sondern nur ein spöttisches, blödsinniges, seltsames Gelächter ließ sich in kurzer Entfernung hören.

Fargeot schaute sich sehr aufmerksam um, ohne etwas zu sehen. Als aber das spöttische Gelächter mit noch entschiedenerem Ausdruck von Ironie und Schadenfreude wieder anhob, erkannte er endlich dicht am Fuß der Gebüsche, welche ihm eine unübersteigbare Schranke entgegenstellten, ein bärtiges, scheußliches Antlitz mit langen, hervorragenden Zähnen, und dessen rotes, durchbohrendes Auge sich auf ihn heftete. Der ganze übrige Körper war unsichtbar, nur dieser scheußliche Kopf zeigte sich unbeweglich einen halben Fuß hoch über dem Boden zwischen dem Ginster und dem Gestrüpp.

Vielleicht fühlte Fargeot in diesem Augenblick seine Unruhe sich verdoppeln, doch hütete er sich wohl, diesen Eindruck kundzugeben. Im Gegenteil gab er seinen Zügen den ganzen Ausdruck von Sicherheit und Freundlichkeit, dessen sie fähig waren, und sagte in gewinnendem Tone: »Guten Tag, Wolf! Es ist ein Wolf, der dich besuchen will. Willst du mir nicht helfen, mich hier herauszuarbeiten?«

Der Wolfmensch fuhr aber fort zu grinsen, als ob der Anblick der Verlegenheit seines ehemaligen Freundes ihm sehr ergötzlich wäre.

»Ah, empfängst du mich auf diese Weise?«, sagte der arme Fargeot. »Wohlan, höre, Wolf! Du musst hungrig sein wie immer. Ich habe in meiner Tasche ein großes Stück Brot, welches ich für dich aufgehoben habe.«

Der bärtige Kopf schüttelte seine borstige Mähne und antwortete mit kaum verständlicher Stimme, aber in augenscheinlichem Zorn: »Die Wölfe fressen kein Brot, sondern Hammelfleisch und dann … und dann auch noch etwas.«

Dies wurde auf eine Weise gesagt, dass Fargeot nicht umhinkonnte, zu schaudern.

»Na, werde nicht böse«, hob er wieder an, »man hat bei deinem Wolfshandwerk Fasttage, wo man isst, was man findet, und du musst hier oft fasten.«

Dieses Argument schien dem Wahnsinnigen einzuleuchten. Er erweiterte mit seinen beiden hufartigen, behaarten Händen die Passage, die in dem Gebüsch entstanden war und sagte dann mit seiner heiseren Stimme: »Nun gut! So komm mit zu den Wölfen, du wirst mir dein Brot geben und wir werden freundschaftlich plaudern.

Es ist noch einer da, mit dem ich nicht zufrieden bin. Ich werde dir die Sache erzählen. Komm!«

Er kroch wieder in das Dickicht hinein.

Fargeot schickte sich an, ihm zu folgen. Seinerseits in das von dem Wolfmenschen gemachte Loch kriechend, bewegte er sich wie dieser auf den Händen fort. Ohne Zweifel musste diese Art zu gehen ihm sehr ermüdend scheinen, aber es war wirklich die einzig ausführbare in diesem beinahe undurchdringlichen Wald.

Unglücklicherweise besaßen die Kleider des Forsthüters unter diesen Umständen nicht die Bequemlichkeit des einfachen Kittels von Sackleinwand, welcher das ganze Kostüm des Wahnsinnigen ausmachte. Jeden Augenblick wurde Fargeot durch niedrige Zweige und stachlige Äste aufgehalten, die ihn wie ebenso viele hartnäckige Widerhaken packten. Nur die Notwendigkeit und ein geheimes Verlangen nach Rache gaben ihm den Eifer, der notwendig war, um diese Hindernisse zu überwinden.

Dennoch wäre es ihm vielleicht unmöglich geworden, dem Wolfmenschen zu folgen, der mit unglaublicher Leichtigkeit so vor ihm herkroch, wenn dieser nicht von Zeit zu Zeit Halt gemacht hätte, um zu horchen. Es schien, als ob etwas Ungewohntes dann und wann die Neugier, wenn auch nicht das Misstrauen Jeannots erweckte. Der arme Forsthüter benutzte diese Augenblicke, um aufzuatmen.

Bald aber ließ der Wahnsinnige, ohne Zweifel beruhigt durch die Gedanken, dass er in diesem Labyrinth von Felsen und Gebüschen unangreifbar sei, sein spöttisches Gelächter wieder hören und setzte seinen Weg weiter fort.

Endlich kam man aus dem tiefen Teil des Waldes heraus und erkletterte den Abhang des Berges. So wie man höher kam, wurde der Wald weniger dicht. Obwohl Jeannot noch beharrlich auf den Händen lief und damit einer schon seit langer Zeit angenommenen Gewohnheit folgte, so benutzte Fargeot doch die Gelegenheit, um sich auf seine Füße aufzurichten und auf die Weise zu gehen, welche unter menschlichen Wesen die gebräuchliche ist.

Übrigens waren seine Kleider zerfetzt, er atmete aus keuchender Brust und große Schweißtropfen fielen von seiner Stirn auf den Schnee.

Man stieg einige Augenblicke lang bergauf. Trotz der Steilheit der Bergwand bot der Weg doch keine unübersteiglichen Schwierigkeiten mehr dar. Fargeot musste sich allerdings noch manchmal an den Farnkrautbüscheln festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, aber wurde doch nicht wie vorher von tausend scharfen Spitzen geritzt. Man befand sich nun sehr nahe beim Wasserfall und wurde vom feuchten eisigen Nebel durchnässt, welcher davon aufstieg. Es schien zuweilen sogar, als ob man unter die Ströme von weißem Schaum hineinkommen müsste, welche mit lautem Getöse vom Felsen hinwegsprangen, indem sie zwischen sich und diesen einen breiten leeren Raum ließen, der durch den furchtbaren Sims eingenommen wurde, welchen wir bereits kennen.

An der Stelle des Berges, wo das Gesträuch dünn und dürftig zu werden begann, machte Jeannot, der immer noch voranging, endlich Halt. Er drehte sich um, um seinen Gefährten zu erwarten, der ihn keuchend einholte. Dann glitt der Wahnsinnige, einige Ginsterbüschel auf die Seite drückend, in eine von außen kaum sichtbare Felsenhöhle.

Ehe Fargeot sich an diesen verdächtigen Ort wagte, warf er einen raschen Blick um sich herum. Kein Jäger war sichtbar. Wenn ein Streit entstand, so hätte er allem Anschein nach nur auf sich selbst zu zählen gehabt.

Nichtsdestoweniger schreckte er vor dieser Eventualität nicht zurück und drang entschlossen in die Grotte hinein.

Diese Art von natürlichem Gewölbe war sehr dunkel. Ein starker Wildgeruch gab Grund zu der Vermutung, dass sie gewöhnlich auch noch andere Geschöpfe aufnähme als menschliche.

Bald jedoch gewöhnte sich das Auge an dieses Halbdunkel und er konnte die Wohnung seines Freundes genauer mustern.

Diese Höhle, deren Höhe die Körpergröße eines gewöhnlichen Menschen überstieg, hatte acht oder zehn Schritt Tiefe. Es herrschte hier eine ziemlich milde Temperatur und die Auskleidung von Laub ließ keine Feuchtigkeit durchdringen. Man sah hier weder Kleidungsstücke noch Vorräte irgendeiner Art. Nur eine dichte Schicht von Laub und Moos bildete ein weiches Bett, welches intelligente Voraussicht verriet.

Fargeot hatte indessen nicht Zeit, lange Beobachtungen anzustellen.

Sein Begleiter hatte sich im Hintergrund der Grotte niedergesetzt und sagte mit wilder Gier: »Das Brot! Das Brot! Schnell! Der Wolf will fressen, der Wolf ist hungrig.«

Der Forsthüter zog aus seiner Tasche ein großes Stück Brot, welches Jeannot mit seinen beiden schmutzigen Händen packte und mit wildem Heißhunger zu verschlingen begann. Mit wenigen Bissen war alles verzehrt und der Appetit des Lykanthrop schien noch nicht befriedigt zu sein.

Fargeot sagte in sanftem Ton zu ihm: »Wie mir scheint, Wolf, hast du lange gefastet. In der Tat musst du in diesem erbärmlichen Land nur sehr magere Mahlzeiten finden! Ich wollte wetten, dass Du seit drei Tagen nichts gefressen hast.«

»Das ist wahr«, entgegnete Jeannot, indem er mit seinen großen Augen blinzelte. »Der andere beträgt sich schlecht gegen mich, er bringt mir nichts mehr. Er hält weit von hier gute Mahlzeit und kommt nicht eher wieder zu mir, bis er eine Wunde wegbekommen hat. Dann muss ich ihn pflegen. Er ist ein Undankbarer, ein schändlicher Undankbarer!«

»Der andere!«, wiederholte Fargeot im Ton der Verwunderung, obwohl er die Worte des Wahnsinnigen recht gut verstand. »Von wem sprichst du denn, Jeannot?«

Als der Wahnsinnige seinen Namen hörte, bekam er einen plötzlichen Anfall von Wut. »Ha!«, hob er plötzlich wieder an, »willst du vielleicht auch behaupten, dass ich ein Mensch sei und ich Jeannot heiße? Wenn ich glaubte …« Er schwieg plötzlich, sein Blick wurde starr. Es war, als ob die Gegenwart seines ehemaligen Herrn unklare und ferne Erinnerungen in ihm erweckte. »Zuweilen«, hob er mit gedankenvoller Miene wieder an, »scheint es mir in der Tat, als wäre ich sonst ein Mensch gewesen und hätte Jeannot geheißen. Wenigstens lebte ich unter Menschen, aß Brot und schlief in Häusern. Aber vielleicht habe ich dies alles nur geträumt.«

Fargeot sah in diesen Worten einen Beginn der Rückkehr zur Vernunft und wollte diesen lichten Augenblick benutzen, um die Aufschlüsse zu erhalten, welche er zu suchen gekommen war. »Ganz gewiss bist du ein Mensch gewesen«, sagte er in bestätigendem Ton. »Erinnerst du dich nicht mehr, auf der Meierei in Varinas mein Knecht gewesen zu sein? Hast du denn meine Frau Margarethe, die Amme des kleinen Vicomte, meine Tochter Marion und deinen Kameraden Simon Granget vergessen, mit welchem du dich so oft geschlagen hast, weil er seine Schafe davonlaufen ließ und dich dann beschuldigte, sie ihm gestohlen zu haben?«

Jeder dieser Namen brachte einen lebhaften Eindruck auf den Wolfmenschen hervor. Sein bestialisches Gesicht verriet Nachdenken.

Ermutigt durch diesen Erfolg fuhr Fargeot fort: »Eben fällt mir noch ein Umstand ein, der deinem Gedächtnis nicht entschwunden sein kann. Erinnerst du dich noch des Abends, wo jener arme kleine Knabe, der Vicomte Varinas, verschwand? Man hat immer geglaubt, er sei durch einen Zufall ums Leben gekommen, aber du wusstest, du hattest gesehen …«

»Weder ich noch der andere haben den Knaben gefressen«, sagte Jeannot, wie durch seine Erinnerungen hingerissen. »Die Wölfe waren nicht da, es gab noch keine Wölfe. Aber ich begegnete am Abend dem Mönch, welcher mit einem anderen Mann zum Schloss hinaufging. Der Mönch war es, der den Knaben mit fortnahm, das weiß ich ganz gewiss.«

»Ah, das ist ein Geständnis, welches sehr wichtig ist!« rief Fargeot alle Zurückhaltung vergessend. » Wohlan, höre mich an, Jeannot. Verstehe dich dazu, vor Leuten, die nicht sehr weit von hier sind, zu wiederholen, was du soeben in Bezug auf den Mönch gesagt hast. Und zum Lohn dafür wirst du gut bewirtet werden. Du sollst Brot und Fleisch bekommen.«

Er schwieg, als er gewahrte, dass er allzu schnell auf die Intelligenz des Lykanthrop gerechnet hatte. Dieser, der durch diese verführerischen Versprechungen einen Augenblick lang versucht worden war, hatte plötzlich wieder seine wilde Miene angenommen.

»Ich bin kein Mensch«, sagte er wütend, »ich bin ein Wolf. Sieh meine Klauen an, sieh meine Zähne an. Muss ich dich denn zerreißen und fressen, um dir zu beweisen, dass ich ein Wolf bin?« Gleichzeitig streckte er seine mit spitzigen, eines wilden Tieres würdigen Nägeln bewaffneten Hände aus und knirschte mit den langen spitzigen Zähnen, welchen er seinen Beinamen verdankte.

Fargeot fühlte unter seinen Kleidern nach den Kolben seiner Pistolen, um im Notfall bereit zu sein. Dennoch aber antwortete er indem er sich bemühte, seine Furcht zu verhehlen: »Nun wer sagt dir denn das Gegenteil? Man sieht es wohl, dass du ein Wolf bist, und zwar einer von den furchtbarsten, die es geben kann. Bist du es nicht, den man die Bestie des Gévaudan nennt und vor dem das ganze Land erzittert?«

Diese seltsame Schmeichelei schien Jeannots Manie auf ganz besondere Weise zu kitzeln. »Nein, nein«, antwortete er im Ton falscher Bescheidenheit, indem er seinen dicken Kopf auf seinem schuppigen Hals hin- und herwiegte, »ich bin es nicht, das ist der andere. Und dennoch, wo wäre er, frage ich dich, wenn er mich nicht hätte? Wer würde ihm die Türen öffnen, damit er in die Häuser kann? Wie wollte er den Schlingen aus dem Weg gehen, welche man ihm überall legt? Wer würde ihm zeigen, wie er sich bei den großen Treibjagden verstecken muss? Wer würde seine Wunden verbinden, wenn er sich von den Jägern hat ertappen lassen? Er ist so hartnäckig, so unklug. Ohne mich wäre er schon längst zwanzigmal tot. Und dennoch, wenn du wüsstest, wie schlecht er an mir handelt. Wir zanken uns unaufhörlich, denn er denkt nur an sich. Er ist ein Undankbarer, sage ich dir. Und dennoch habe ich ihn aufgezogen, ich könnte beinahe sagen, dass ich sein Vater bin!«

»Aber, Wolf, wenn er so schlecht ist, warum verlässt du ihn dann nicht?«

»Ich kann nicht«, entgegnete der Lykanthrop in einem wehmütigen Ton, der sich in einem solchen Falle sehr seltsam ausnahm. »Er ist stärker als ich. Es ist so lange her, dass wir Freunde sind! Früher hatte ich Verwandte unter den Menschen. Es ist mir sogar, als wäre ich ganz kürzlich erst einem in dieser Gegend begegnet. Aber ich hasse die Menschen so sehr, und dann, da man doch immer jemanden lieben muss, weißt du. So habe ich mich an ihn angeschlossen. Ist es daher nicht eine Schande, dass er sich so schlecht beträgt? So ist er zum Beispiel in diesem Augenblick fortgelaufen, aber er wird bald wiederkommen, denn soeben habe ich am Saum des Waldes einige jener Jäger gehört, die uns unaufhörlich auflauern. Wohlan, du wirst sehen, dass er mir keine Hammelkeule, keinen Hasen, kein Kaninchen mitbringt, wie ein anderer tun würde. Dagegen wird er in der schlechtesten Laune sein, weil er vielleicht einen Schuss oder einen Biss von einem Hund oder einen Stich mit einem Hirschfänger bekommen hat. Dann will er allemal den anderen Tag schon von seiner Wunde geheilt sein! Dann muss ich ihn verbinden, ihm das Blei herausziehen, auf die Gefahr hin, selbst von ihm gebissen zu werden, denn siehst du, oft schont er mich nicht mehr als einen anderen.«

Während der arme Wahnsinnige diese Klagen im Ton verkannter Zuneigung aussprach, traten ihm die Tränen in die Augen.

Diese unglaubliche Verirrung der menschlichen Gefühle schien jedoch Fargeot nicht zu rühren, der mit verstellter Gleichgültigkeit wieder anhob: »Na, Wolf, mein Freund, du sprichst von Hammeln, von Hasen und von Kaninchen. Sind dies denn die einzigen Dinge, welche Ihr hier schmaust?«

Jeannot lächelte mit geheimnisvoller Miene. »Ich darf es nicht sagen«, antwortete er leise. »Alle Jäger würden dann auf mich ebenso Jagd machen, wie sie auf ihn Jagd machen, anstatt dass die Dummköpfe mich für einen Menschen halten und ruhig gehen lassen, wenn sie mir bei den Treibjagden begegnen. Ist das nicht ganz spaßhaft, dass sie mich für einen Menschen halten? Ja, ja«, fuhr er in vertraulichem Ton fort, »wir schmausen auch oft einen von diesen verwünschten Menschen, aber das darf man nicht sagen – das ist ein Geheimnis.«

»Und bist du es nicht«, fragte Fargeot schaudernd, »der du im Wald von Mercoire meine Tochter, meine arme Marion zerrissen hast?«

» Nein, das bin ich nicht gewesen«, entgegnete der Wahnsinnige. »Das war auch ein Streich von dem anderen. Ich hatte es bloß auf die vornehme Dame abgesehen, die so böse ist, die immer eine Flinte bei sich führt. Bloß zum Spaß hatte ich ihm deine Kleine versprochen, aber er versteht einmal keinen Spaß. Er nahm die Sache ernst und auch diesmal war ich nicht der Stärkste.«

»Du hättest ihm die Lunge, die Augen ausreißen, du hättest um Hilfe rufen sollen!«

»Ja, wenn ich ein Mensch wäre! Aber wir Wölfe handeln nicht auf diese Weise. Das weißt du recht wohl.«

»Du hättest mich wenigstens wecken sollen«, rief Fargeot mit Nachdruck, jede Klugheit beiseite setzend, »Du hättest mich warnen sollen, mich erbärmlichen Vater, der ich betrunken und schlafend nur wenige Schritte entfernt lag, während jenes teuflische Tier meine Tochter riss. Aber ich werde sie rächen, dieses arme, unschuldige Kind, das ich während seines ganzen Lebens so unglücklich gemacht habe! Ja, ich werde nicht eher von hier fortgehen, bis ich mich gerächt habe! Aber rufe es doch, dieses fluchwürdige Ungeheuer, welches mir meine liebe Marion geraubt hat! Wo ist es? Ich erwarte es. Warum kommt es nicht?«

Der Wolfmensch verstand diese Worte vielleicht nicht ganz deutlich, aber dennoch begann eine Wolke des Argwohns sich über seine stumpfsinnigen Züge zu lagern.

Fargeot ließ sich dadurch nicht beunruhigen und hatte sich mit herausfordernder Miene erhoben.

Plötzlich, als ob der Himmel seinen eifrigen Wunsch hätte erhören wollen, ließ sich ein leichtes Rascheln in dem Gesträuch vernehmen, welches den Eingang der Grotte verschloss.

Ein ungeheures Tier glitt verstohlen durch das Laubwerk hindurch, blieb aber gleich bei den ersten Schritten stehen und begann zu knurren, als ob ein neuer Gegenstand sein Misstrauen und seinen Zorn erweckt hätte. Sein gewaltiger Schattenriss hob sich von der leuchtenden Öffnung der Grotte ab und seine Augen funkelten wie zwei in einen glühenden Schmelzofen gebohrte Löcher.

Fargeots Aufregung legte sich sofort. Er stand stumm und unbeweglich da.

Der Wahnsinnige dagegen schien alles Übrige zu vergessen. Indem er sich auf Knien und Händen zu dem Tier hinschleppte, sagte er in gutmütigem Ton: »Nun, Herumtreiber, wo kommst du denn her? Hast du vielleicht wieder einen Hieb wegbekommen? Aber dennoch stehst du munter und guter Dinge da, als ob es auf der ganzen Welt keine Jäger mehr gäbe! Ich wette, dass du dich in den Schnee gelegt hast, um deine letzte Wunde frisch zu erhalten. Es ist erstaunlich, wie wohltätig der Schnee für dich ist. Aber was hast du denn, dass du so knurrst und dass sich dir das Haar sträubt? Der, den du hier siehst, ist ein Freund. Er ist ein Wolf wie wir. Also komm nur herein, sage ich dir, und fürchte nichts.«

Trotz dieser Aufforderung aber kam das wilde Tier nicht näher. Seine Flammenaugen schienen das Innere der Grotte zu erleuchten.

Mittlerweile erholte sich Fargeot allmählich von seinem Schrecken. Zorn und der Wunsch, sich zu rächen, beherrschten bald seinen ersten Eindruck von Furcht. Er bewaffnete verstohlen jede seiner Hände mit einer Pistole.

»Jeannot«, stammelte er, »ist dies das Ungeheuer, welches … ist dies die Bestie des Gévaudan?«

Ohne auf die Antwort zu warten, zielte er auf das wilde Tier.

Jeannot aber warf, die Furcht, welche der Anblick von Schusswaffen ihm gewöhnlich einjagte, überwindend, sich blindlings dazwischen. Als der Schuss losging, fuhr die Kugel in die Wand der Grotte.

Der Wolf schien durch den Knall mehr gereizt als erschreckt zu werden. Sein dumpfes Knurren verwandelte sich in ein fürchterliches Geheul. Er lief vorwärts, sei es, um seinen Kameraden zu schützen, sei es, um seine eigene Beleidigung zu rächen.

Der Wahnsinnige klammerte sich immer noch an Fargeot und hinderte ihn, von seiner zweiten Pistole Gebrauch zu machen.

»Hierher, Wolf!«, rief er mit seiner heiseren Stimme. »Wir sind verraten! Es ist kein Wolf … es ist ein Mensch, es ist ein Jäger … er hat kleine Flinten. Rächen wir uns! Wir müssen ihn zerreißen … wir müssen ihn fressen! Er ist unser!«

Die Grotte war von Rauch angefüllt und man konnte nicht sehen. Es fand ein furchtbarer Kampf im Finsteren statt. Fargeot war es, als ob Stahlspitzen sich in sein Fleisch eingrüben. War es das Tier oder war es Jeannot, der ihn so lebendig zerriss? Er wusste es nicht, aber leistete aus allen Kräften Widerstand. Da er sehr stark und rüstig war, so konnte man ihn nicht niederwerfen.

Er drängte trotz der Anstrengungen seiner Feinde zum Ausgang der Grotte hin und schrie: »Zu Hilfe! Zu Hilfe, Jäger! Hier ist die Bestie! Hier ist Jeannot! Sie sind da! Kommt mir zu Hilfe!«

Dennoch aber war es zweifelhaft, ob Fargeot, mit Bissen bedeckt und sein Blut aus tausend Wunden verlierend, so mit der Wucht seiner Gegner belastet aus der Grotte hinauskommen würde.

Der Instinkt der Selbsterhaltung, der Rachedurst gaben ihm in diesem furchtbaren Augenblick ein Mittel ein. Er hatte noch eine Pistole. Die Hand aber, welche dasselbe hielt, war kräftig gepackt. Dennoch drückte sein Finger es ab und der Schuss ging los. Die Kugel traf ebenso wie die erste niemanden, die Flamme des Pulvers aber hatte die Haare des Wolfes versengt, welcher einen Augenblick seine Beute losließ.

Fargeot fühlte eines seiner Beine plötzlich wie vom Druck eines Schraubenstockes befreit. Er benutzte diesen Umstand, um sich auch des Lykanthrop zu entledigen, den sein langes Fasten und seine Lebensweise, so lange er allein war, eben nicht sehr furchtbar machten, und eilte aus der Grotte hinaus, indem er fortfuhr, um Hilfe zu schreien.

Obwohl er aber das Licht des Himmels wiedersah, so war doch noch nicht alle Gefahr für ihn vorüber. Er sah sich auf einem Plateau von einigen Fuß Flächeninhalt, welche sich vor der Grotte hinzog. Unter ihm lag der stachlige, beinahe undurchdringliche Wald, wo seine Feinde nicht verfehlen konnten, ihn bald wieder einzuholen. Über ihm erhob sich der kahle, senkrechte, unzugängliche Felsen.

Dennoch aber gestatteten die Umstände keine lange Überlegung. Der Mann und der Wolf eilten herbei, um den Kampf wieder zu beginnen. Nun bemerkte Fargeot den Felsenrand, welcher unter dem Wasserfall hinwegführte.

Zu jeder anderen Zeit wäre er vor der Schwierigkeit dieses einzigen Rettungsweges zurückgebebt, aber die Not drängte ihn und er wagte sich taumelnd auf den Sims.

Kaum hatte er einige Schritte getan, als er unter der durch den Wasserfall gebildeten Wölbung hervor Leonce von Godarts Hunde gefolgt auf sich zukommen sah.

»Zu Hilfe! Zu Hilfe!«, rief der unglückliche Forsthüter, dessen Kräfte erschöpft waren und der auf dem feuchten Felsen zusammensank.

Die Hilfe aber sollte zu spät kommen. Fargeot lag wie vernichtet am Rand des Abgrundes, als er plötzlich einen schweren Körper sich auf ihn werfen fühlte.

Es war Jeannot, der ihm nachgeeilt war und ihn mit neuer Wut packte. Hinter ihm zeigte die Bestie des Gévaudan ihren dicken, struppigen Kopf.

Ein Gedanke der Verzweiflung durchzuckte den Forsthüter. Anstatt den Wolfmenschen zurückzustoßen, der ihn wütend biss, umschlang er ihn mit einem seiner Arme, während er mit der anderen Hand das reißende Tier zu fassen versuchte. In der Tat gelang es ihm auch, sich des Beines des Ungeheuers zu bemächtigen. Sofort begann er sich krampfhaft zu winden, um seine beiden Feinde zum Abgrund hinzuzerren.

» Ha!«, rief er mit gebrochener Stimme, »wir werden alle zusammen umkommen und meine Tochter wird gerächt sein!«

Die anderen aber hatten seine Absicht wohl begriffen und stemmten sich, um sich auf dem schmalen Vorsprung zu halten, welcher der Schauplatz des Kampfes war. Eine gewaltige Anstrengung des Wolfes und ein Biss, der dem unglücklichen Fargeot die Hand zerbrach, machte das Tier frei. Dagegen aber umschlang der Forsthüter Jeannot nur umso fester.

Letzterer versuchte umsonst, sich an den Felsen zu klammern, dessen feuchte Oberfläche von seinen starken Nägeln zerkratzt wurde.

Plötzlich schien der Boden unter ihnen zu weichen. Sie blieben einige Sekunden lang, sich fest an einander anklammernd, über dem Abgrund schweben. Bald aber wurde der Wolfmensch matt und ließ plötzlich los.

Beide stürzten in den Abgrund hinunter und verschwanden in den Schaumwolken des Wasserfalles.

Diese Ereignisse, der Kampf und die Katastrophe waren in weniger Zeit geschehen, als wir gebraucht haben, um sie zu erzählen.

In diesem Augenblick kam Leonce, begleitet vom treuen Castor und von Weitem gefolgt von dem Baron von Laroche-Boisseau, dessen Gang auf diesem trügerischen Abhang weit vorsichtiger war.

Leonce hatte wohl von der anderen Seite des Wasserfalls die beiden Männer und ihren erbitterten Kampf gesehen, war aber, mit der Sorge für seine eigene Sicherheit beschäftigt, nicht imstande gewesen, sie mit Muße zu beobachten. Als er daher den Platz erreichte, wo sie kurz vorher sich befunden hatten, wunderte er sich nicht, sie nicht mehr zu sehen. Er glaubte, sie seien hinter einer Erhöhung des Terrains oder hinter einem dichten Gesträuch verborgen und würden bald wieder zum Vorschein kommen.

Übrigens nahm auch gleich von vorn herein eine wichtige Tatsache seine Aufmerksamkeit in Anspruch.

Nur wenige Schritte von ihm entfernt stand ein Wolf von riesiger Größe über den Abgrund gebeugt, auf dessen Boden er, ein wehklagendes Geheul ausstoßend, hinabschaute.

Man wird leicht begreifen, dass es Leonce noch ein wenig an Geistesgegenwart fehlte. Er zögerte, in diesem Tier, welches sich so unerwartet seinem Blick darbot, jene furchtbare Bestie des Gévaudan zu erkennen, deren Tod auf so herrliche Weise belohnt werden sollte. Vielleicht trug auch die unvermeidliche Gemütsbewegung eines jeden, der als Jäger noch Neuling ist, zu seiner Untätigkeit bei.

Dennoch aber dauerte es nicht lange, so erlangte er seine Kaltblütigkeit wieder.

Das ist die Bestie, dachte er, das muss sie sein! Er legte seine Kugelbüchse an, um zu schießen.

Schon aber war das Tier, dessen Wachsamkeit durch einen außerordentlichen Umstand eingeschläfert worden, wieder aufmerksam. Es drehte den Kopf herum und schoss auf den unbeweglichen Leonce jenen bestrickenden Blick, dessen Glanz so wenige zu ertragen vermochten. Dann aber hörte es auf zu heulen und kletterte den mit Gestrüpp bedeckten Abhang hinunter, der zum Gehölz führte, in welchem es einen sicheren Schlupfwinkel finden musste.

Leonce zielte immer noch, unglücklicherweise aber schlüpfte es hinter die Farnkräuter und die Erhöhungen des Bodens mit einer Gewandtheit, die es ohne Zweifel einer langen Erfahrung verdankte. Der Jäger konnte daher nicht mit Hoffnung auf Erfolg schießen. Das Tier selbst befand sich schon in einer ziemlichen Entfernung am äußersten Saum des Waldes, als er abdrückte. Die Kugel riss eine Furche in das undurchdringliche Fell des Tieres und einige Haarbüschel stoben in die Höhe. Der Wolf knurrte und schleuderte einen flammenden Blick auf den jungen Jäger. Dennoch aber drang er, nachdem er nur einen Augenblick Halt gemacht, in das Dickicht ein und verschwand. Castor hatte das Tier gesehen und verfolgte es eifrig.

»Hallo! Hallo!«, rief Leonce vor Aufregung zitternd, »ich habe es getroffen, ich weiß es bestimmt …«

»Getroffen habt Ihr es allerdings, aber nicht getötet«, entgegnete der Baron von Laroche-Boisseau, der mittlerweile ebenfalls herbeikam, in spöttischem Ton. »Die Kugel hat seinen dicken Pelz nur ein wenig ausgestäubt, dennoch aber kann man in Anbetracht der Entfernung und der Schwierigkeit des Schusses sagen, dass Ihr alles Mögliche geleistet habt. Morbleu, junger Mann, welche Keckheit, welches Feuer, welcher Blick und welche Sicherheit! Ihr springt ja wie eine Gämse unter diesen Felsen und Abgründen umher! Wenn die Eigenliebe sich nicht ins Spiel gemischt hätte, Gott verdamme mich! ich selbst hätte nicht gewagt, Euch zu folgen.«

Leonce aber hörte auf diese ironischen Glückwünsche nicht weiter. »Ich habe den Wolf getroffen«, wiederholte er in außerordentlicher Aufregung. »Verwundet wie er ist, kann er Castor nicht widerstehen. Ich werde in das Gehölz hinabklettern, um meinen Hund zu unterstützen und vielleicht …«

»In das Gehölz hinabklettern wollt Ihr?«, entgegnete der Baron, die Achseln zuckend. »Und wie werdet Ihr Euch verteidigen, wenn das Tier Euch angreifen sollte? Was Euren Hund betrifft, so gebe ich zu, dass derselbe sehr stark und mutig ist. Aber Ihr werdet sogleich sehen, was ihm begegnen wird.«

»Gleichviel, ich will in das Dickicht eindringen …«

»Wie es Euch beliebt, Monsieur«, sagte der Baron sorglos. »Aber glaubt mir, wagt Euch dort nicht hinein, ohne vorher Eure Büchse wieder geladen zu haben.«

Diesmal begriff Leonce, dass Laroche-Boisseau recht hatte. Trotz seines Ungestüms begann er seine Büchse wieder zu laden. Während er dies mit möglichster Eile tat, ließ sich ein Wehgeheul aus dem Wald heraus hören und gleichzeitig wurde Castor von gewaltiger Kraft über das Gebüsch hinweggeschleudert.«

»Sagte ich es Euch nicht?«, hob der Baron lachend wieder an. »Euer Hund ist gut ausgezahlt worden! Der Wolf macht sich nicht viel aus dergleichen Feinden, mögen sie ihrem Herrn auch noch so viel Geld gekostet haben. Da kommt der arme Hund in erbärmlichem Zustand auf uns zu gehinkt. Nun, wo unser tapferer Wolf sich seines Gegners entledigt hat, wird er nicht zögern, das Feld zu räumen und den großen Entschluss zu fassen, wenn er seinen alten Ruf der Klugheit nicht verleugnet.«

Kaum hatte der Baron diese Worte gesprochen, so kam der Wolf, als ob er alle Vorhersagungen des erfahrenen Jägers hätte bestätigen wollen, auf der entgegengesetzten Seite des Tales aus dem Gehölz heraus und erreichte schnell eine nahe Schlucht.

»Nun, zweifelt Ihr noch daran?«, fragte Laroche-Boisseau den bestürzten Leonce. »Unser Freund hat seinen Reiseschritt angenommen und marschiert ganz keck, obwohl Ihr ihm seinen Pelzrock ein wenig beschädigt habt. Ja, ja, Monsieur Leonce, nun ist die Sache verfehlt. Ich glaube indessen wirklich, dass Ihr recht wohl imstande seid, Revanche zu nehmen. Mein Gott, wenn man bedenkt, dass ein friedlicher Schüler der Abtei Frontenac auf diese Weise einen Wolf zu jagen versteht!«

Leonce schlug sich verzweifelt vor die Stirn. »Er flieht! Er flieht!«, rief er mit einem gewissen Grad von Zorn gegen sich selbst. »Und wenn man bedenkt, dass ich ihn hier vor mir hatte, dass ich so leicht … doch ich werde ihn verfolgen«, setzte er mit Aufregung hinzu. »Ich werde seiner Spur nachgehen, die auf dem Schnee sehr leicht sichtbar sein muss.«

»In diesem Fall aber werdet Ihr ihm allein folgen, denn Euer armer Hund wird nicht so bald imstande sein, Euch zu begleiten«, sagte der Baron. »Glaubt mir, Monsieur Leonce. Beeilt Euch nicht, diesem kräftigen Tier nachzulaufen. Seinem Gang nach zu urteilen, wird es nicht eher Halt machen, bis es zwanzig bis dreißig Wegstunden von hier entfernt ist. Übrigens«, fuhr er fort, »legt Euch auch die Menschlichkeit die Pflicht auf, uns nicht so bald zu verlassen. Dort unten befindet sich dieser arme Legris, den man im Begriff ist, aus dem Abgrund herauszuschaffen. Ich hoffe, dass er, Dank dem Strauchwerk, auf welches er gefallen ist, weder Rippen noch Arme noch Beine gebrochen hat. Es ist dies aber, fürchte ich, Monsieur Leonce, noch nicht alles Unglück, welches wir zu beklagen haben. Als Ihr hierherkamt, habt Ihr zwei Männer sehen müssen, welche auf der Stelle, wo wir jetzt stehen, miteinander kämpften. Vermutet Ihr nicht, was aus Ihnen geworden sein kann?«

Leonce, der bis zu diesem Augenblick durch die Aufregung der Jagd in Anspruch genommen worden war, schien aus einem Traum zu erwachen.

»In der Tat«, sagte er stutzend, »soeben waren sie noch hier und ich kann nicht begreifen. Kennt Ihr diese Männer, Herr Baron?«

»Allem Anschein nach war der eine Fargeot, der ehemalige Oberforsthüter von Mercoire, und der andere jener unglückliche Wahnsinnige Jeannot mit den großen Zähnen. Ich habe das größte Interesse daran, zu erfahren, was ihnen begegnet ist.«

»Wohlan, suchen wir sie aufs Schnellste. Wirklich, dieses plötzliche Verschwinden lässt sich nicht anders als durch ein Unglück erklären.«

Man rief einige Bergbewohner, welche sich endlich entschlossen hatten, auf dem gefährlichen Weg des Simses nachzukommen.

Nun begann man eine genaue Untersuchung der umgebenden Örtlichkeit. Man drang in die Grotte, wo noch die abgeschossenen Pistolen lagen, man folgte den Blutspuren Fargeots bis an die Stelle, wo der letzte Kampf stattgefunden hatte.

Hier beobachtete der Baron mit dem Scharfsinn eines geschickten Jägers das Terrain und erkannte bald ohne Mühe sehr genau, was geschehen war. Vergebens aber sondierte man den Abgrund mit den Augen. Man sah weiter nichts als schwarze Felsen und Schaum.

»Wer diese Menschen auch sein mögen«, sagte Leonce mit Wärme, »so dürfen wir doch nicht verabsäumen, um sie zu retten oder wenigstens ihre Leichen aufzufinden und ihnen ein christliches Begräbnis zu verschaffen. Ich entsage daher für den Augenblick der Verfolgung der Bestie des Gévaudan. Später werde ich ihre Spuren wiederfinden. Mittlerweile, Herr Baron, verfügt über mich und meine Leute.«

Laroche-Boisseau nahm dieses großmütige Anerbieten mit kordialer Miene an, obwohl sein spöttisches Lächeln einen Hintergedanken verriet.

Wenige Augenblicke darauf zerstreute sich der Trupp, um auf verschiedenen Wegen in den Abgrund hinabzuklettern.

Was Legris betraf, so hatten die Gebirgsbewohner ihn schon aus dem Abgrund heraufgeholt und mit Ausnahme zahlreicher Kontusionen, welche ihn nötigen mussten, einige Tage lang das Bett zu hüten, schien sein Sturz keine schlimmen Folgen nach sich ziehen zu sollen.