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Götter des Grauens

Roman Sander (Hrsg.)
H.P. Lovecrafts Schriften des Grauens 2
Götter des Grauens

Kurzgeschichten, Horror, Taschenbuch, Blitz Verlag, Windeck, April 2017, 198 Seiten, 12,95 Euro, Titelmotiv und Umschlaggestaltung: Mark Freier, Übersetzungen: Dr. Frank Roßnagel, Jack Eden
www.blitz-verlag.de

[…] Irgendwie passt alles zusammen, obwohl ein neutraler Leser dies wahrscheinlich für das Gestammel eines Wahnsinnigen halten würde. Doch weder du noch ich gehören zu den Menschen, die solche Dinge ablehnen, nur weil sie aus dem Bereich des Normalen, des Alltäglichen herausfallen. […]

(Jack Eden: Mitternachtsruinen)

David A. Riley: Das Auge des Fisches

Nach seiner Scheidung und einem beruflichen Tiefschlag lässt sich Ray Wetherell in den Küstenort St. Mottram nieder, wo seine Eltern aufgewachsen sind. Gemeinsam mit einigen Touristen wird er Zeuge, wie einer der heimkehrenden Fischer eine merkwürdige Statue aus seinem Boot auslädt, die Darstellung eines Wesens, halb Fisch, halb Mensch. Das Fundstück übt nicht nur auf ihn eine unerklärliche Wirkung aus, die gesamte Bevölkerung des Dorfes scheint sich in den folgenden Tagen zu verändern.

Hans Dieter Römer: Tepes

Dem Tod näher als dem Leben flieht Vlad Tepes vor seinen Feinden durch die Sümpfe nahe der Donau, als er dort auf Ruinen mit merkwürdigen, eingeritzten Zeichnungen stößt und ihn Hände mit Schwimmhäuten in die Tiefe ziehen. Doch nicht der Tod erwartet ihn dort unten, sondern ein neues Leben.

Jack Eden: Mitternachtsruinen

Das Tagebuch eines Psychiatriepatienten veranlasst Carl Pickman sich auf die Suche nach der geheimnisvollen Insel zu machen, von der dort die Rede ist. Als letzter Überlebender einer Gruppe Schiffbrüchiger berichtet der Verfasser von einer Insel, die auf keiner Karte verzeichnet ist, sowie von uralten Ruinen und Geschöpfen, die in der Nacht aus diesen Ruinen hervorkriechen.

David A. Riley: Eingesperrt

Urplötzlich senkt sich eine undurchdringliche Schwärze über den Pub Potter‘s Wheel. Versuche, einfach durch die Finsternis nach draußen zu gehen, enden tödlich. Nach Tagen der Gefangenschaft und zahllosen verworfenen Plänen, bauen die Stammgäste eine Art Tunnel, der lang genug ist, die Schwärze zu überbrücken. Doch auf der anderen Seite des Tunnels befindet sich nicht länger Edgebottom.

Gary Lovisi: Der Priester des Dagon

Mit der Ersteigerung eines seltenen und obskuren Buches nimmt das Grauen seinen Anfang Ein Zufall sorgt schließlich dafür, dass Benjamin das ehemalige Wohnhaus des Autors dieses in Menschenhaut gebundenen Albtraums erwerben kann. So ist seine Verwandlung hin zu einem Priester des Dagon nicht mehr aufzuhalten.

William Hopfrog Pugmire: Staub zu Staub

Ein junger Mann will mithilfe eines Zauberkundigen seinen ermordeten Vater aus dessen Asche wiederbeleben. Doch der Preis für die Dienste des Nekromanten ist hoch.

Jörg Kleudgen: Nacht über Arkham

Eustace, ein Freund und Kollege, berichtet dem jungen Jim, dass ihn stets ein unheimliches Gefühl beschleicht, wenn er bestimmtes Lagerhaus in der Hafengegend passiert, wo sich ein esoterischer Verlag befindet. Derart ist die Beklemmung, dass er das Gefühl habe, etwas stehe hinter ihm, doch es ist nichts zu sehen. So ergehen es übrigens allen Passanten, die dort vorbeigehen. Auch Kim selbst kann dies nach einem Versuch bestätigen. Als Eustace tot aufgefunden wird, ist er überzeugt, dass dies in Zusammenhang mit dem Haus steht. Er beschließt, diese Rätsel zu lösen.

Hans Dieter Römer: Kfag‘n Thoru – Der unter dem Berg lebt

Um bei einem Schäferstündchen nicht entdeckt zu werden, verschlägt es Auguste und Madeleine in eine versteckt gelegene Höhle. Auch danach findet Auguste immer wieder den Weg zu dieser Grotte, in deren Innerem seltsame Zeichnungen die Wände bedecken und er Zeuge der Zusammenkunft eines Kultes wird. Madeleine wird zum Opfer des Kults und Auguste des Mordes angeklagt. Doch er hat einen neuen, mächtigen Verbündeten.

[…] Ich fühle mich dem Alten gegenüber verpflichtet und hatte das Gefühl, das man versuchte, die wahren Umstände seines Todes zu vertuschen, wenn man behauptete, er sein von einem der Überlandzüge erfasst worden. Ich vermute vielmehr, dass er gestorben war, weil ihm etwas aufgefallen war, das im Zusammenhang mit dem düsteren Lagerhaus in der Whale Street stand. Dessen neuer Besitzer, Jasper Josiah Couvereur, so hatte ich herausgefunden, verlegte in der Golden Goblin Press Werke esoterischer und okkulter Natur. […]

(Jörg Kleudgen: Nacht über Arkham)

Mit Band zwei der jungen Reihe H. P. Lovecrafts Schriften des Grauens hat Herausgeber Roman Sander (Sherlock Holmes und der Kannibale, Sherlock Holmes im Labyrinth der Lügen) eine Anthologie zusammengestellt, die sowohl deutsche als auch übersetzte Beiträge aus verschiedensten Quellen enthält; diverse deutsch- und englischsprachige Storysammlungen, Magazine und Anthologien der Jahre 1985 bis 2013. Als besonderes Highlight wird eine Geschichte des Geheimtipp-Autors William Hopfrog Pugmire angekündigt, der in Deutschland noch nahezu unbekannt ist. Offenbar ist auch Jeffrey Thomas ein Fan, wie in der Sammlung Geschichten aus dem Cthulhumythos zu lesen ist. Dafür wurde ein Beitrag von Richard L. Tierney, der in den Quellangaben genannt ist, unterschlagen.

So unterschiedlich die Quellen der einzelnen Beiträge sind, so wechselhaft ist auch die Überzeugungskraft. Das Auge des Fisches lässt ein wenig Dagon-Feeling aufkommen, erweist sich aber im Ganzen als relativ belanglos, Tepes ist immerhin soweit originell, als dass man hier auf Dracula trifft, doch insgesamt zu fragmentarisch. Mitternachtsruinen und Eingesperrt sind bei Licht betrachtet »nur« espritlose Nacherzählungen von Dagon und Stephen Kings Der Nebel. In der zweiten Halbzeit ist eine deutliche Tendenz nach oben zu bemerken. Zwar verwurstet auch Gary Lovisi (Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall) »nur« verschiedene Motive Lovecrafts zu einer Story, doch geschieht dies immerhin so flüssig und selbstbewusst, dass man gut unterhalten wird. Anschließend beweist Jörg Kleudgen (German Gothic, Cosmogenesis, Totenmaar), dass deutsche Autoren den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen. Ohne auf prominente Motive zurückgreifen zu müssen, beschwört er leise eine verstörende Atmosphäre herauf. Das stimmungsvolle Highlight der Sammlung. Mit seinem zweiten Beitrag überzeugt auch Hans Dieter Römer (Der Jesus-Vampir), der mit Kfag‘n Thoru eine Art kleinen Neffen von Cthulhu erfindet.

So beginnt Götter des Grauens insgesamt eher mittelprächtig, rappelt sich dann aber in der zweiten Hälfte und bietet doch noch einige interessante Inhalte, die eben nicht nur die unoriginelle und plumpe Nacherzählung pflegen. Ein windschiefes Küstenstädtchen und eine atlantische (oder aus sonst einer untergangenen Zivilisation stammende) Statue machen eben noch keinen Lovecraft aus. Leider glauben das immer noch viele Autoren.

Ein absoluter Hingucker ist wieder das kraftvolle Covermotiv von Mark Freier, auch wenn es dazu keinen Bezug im Buch gibt.

Fazit:
Nur halbwegs überzeugende und reichlich beliebig zusammengestellte Lovecraft-Anthologie. Möglicherweise hätte noch zwei gelungene Beiträge das Gesamtbild deutlich verändert.

(eh)