Paraforce Band 26
Das Mondschiff
Der regennasse Asphalt der kleinen Gasse in Soho glänzte wie Diamantenstaub im Widerschein der Neonreklamen.
Amanda Harris sog tief die kühle Nachtluft ein. Dabei strich sie das dunkelblaue Escada-Kleid glatt. Sie stand auf der Eingangstreppe des Restaurants. Dort hatte sie mit ihrem Freund gegessen. In ihrem Kopf schwirrte es noch von dem liebevollen Heiratsantrag.
»Ach Perry …«, seufzte sie. Er war so ein liebenswerter Romantiker. Sie sah das enttäuschte Gesicht noch vor sich, als sie ihm sanft, aber bestimmt eine Absage erteilen musste.
»Perry, in dem Leben, was ich führe, kann man keine Beziehung eingehen. Noch nicht.«
Der schlanke, dunkelhaarige Amerikaner hatte sie verständnislos angesehen.
»Keine Beziehung? Als Kunsthistorikerin kann das doch nicht so schwierig sein …«
Erneut seufzte sie und warf das lange schwarze Haar mit einer kurzen Kopfbewegung nach hinten. Sie hatte ihm schlecht erklären können, dass sie als Geheimagentin für eine noch geheimere UN-Organisation halsbrecherische Aufträge ausführte.
Die hochgewachsene Paraforce-Agentin schritt die vier Steinstufen zum Trottoir hinab und hielt nach einem Taxi Ausschau. Beide Seiten der kleinen Straße zeigten sich mit Fahrzeugen zugeparkt. Direkt ihr gegenüber schien ein Pärchen im Auto zu knutschen.
Eine Gruppe junger Leute stob eben aus einer Kneipe etwas weiter entfernt.
Von einem Taxi sah Amanda keine Spur.
»All right«, knurrte sie. »Dann eben nicht.« Sie streifte in einer fließenden Bewegung die schwarzen High Heels ab und marschierte auf nackten Füßen über den feuchten Gehsteig.
Die Detonation riss sie von den Beinen.
Irgendetwas flog haarscharf an ihrem Kopf vorbei. Schmerzhaft schlug Amanda auf dem Asphalt auf. Es klirrte, es schepperte … Dann tödliche Ruhe.
Es brauchte eine halbe Minute, bis sich die Agentin aufrappelte. Auf den Knien erkannte sie ein brennendes Autowrack. Nun erst kamen die ersten Entsetzensschreie von Passanten auf.
Fluchend kam die Agentin auf die Beine. Sie grapschte nach ihrer Designer-Handtasche und riss die 45er heraus. Ein Rundum-Blick, aber sie konnte nichts ausmachen außer Chaos. Zersplitterte Fensterscheiben der Geschäfte, einige aus diversen Wunden blutende Menschen. Amanda rannte auf die Reste des Autos zu.
Es gab keinen Zweifel – in der Kiste hatte ein Sprengsatz gesteckt.
Durch den aufsteigenden beißenden Qualm rannte sie auf den nur noch aus verbogenem Chassis bestehenden Wagen zu. Überall loderten kleine Flämmchen. Zwei völlig verkohlte und verstümmelte Körper hingen auf den Vordersitzen.
Amanda trat näher.
Von irgendwo heulte eine Polizeisirene. Das Auf- und Abschwellen des Warnhorns zerrte an den Nerven.
Amanda stand vor dem ersten Körper.
Was sie da sah, ließ sie erschauern.
Es waren nicht die Verstümmelungen, nein. Es war das Gesicht.
Es wirkte skurril.
Irre!
Die Augen saßen unter der Nase und der Mund …
Amanda konnte es im Moment nicht realisieren.
Fest stand nur: Dieses Gesicht war nicht das Ergebnis der Explosion.
Sie vernahm das Kreischen von Bremsen. Polizisten umringten sie und drängten sie von dem Fahrzeug weg.
Zwei Notarztwagen rasten heran.
»Zurücktreten!«, rief eine alles übertönende Bassstimme.
Amanda schob einen vor ihr stehenden Beamten zur Seite und machte rasch zwei Fotos mit dem Handy.
»He! Sind Sie verrückt?«, schnauzte jemand sie an.
Amanda war nicht zu Diskussionen aufgelegt. Sie wirbelte herum. Der Polizist starrte auf die 45er.
Plötzlich sah sie mehrere Dienstwaffen auf sich gerichtet.
»Waffe weg!«, schrie es von mehreren Seiten.
»Schnauze!«, bellte die Agentin zurück und schleuderte einem Beamten ihre Tasche entgegen. »Sehen Sie nach. Da steckt mein Ausweis!«
Ob dieses Widerstandes vonseiten der Frau zeigten sich die Beamten etwas irritiert.
»Auf die Knie!«, schrie einer nun.
»Fick dich!«, kam es von Amanda. Da meldete sich mit der Britischen Nationalhymne alles übertönend ihr Mobiltelefon.
»Telefon weg!«, kreischte wieder ein aufgebrachter Polizist. Amanda hielt immer noch die 45er in der Rechten. Statt die Anweisung zu befolgen, hielt die Agentin dem Rufer ihr Telefon entgegen. »Für Sie!«
Niemand konnte wirklich das verdatterte Gesicht des Polizisten beschreiben.
Er kam langsam auf die Frau zu, die ihm das Telefon entgegen streckte. Zögernd griff er danach, während zahlreiche Beamte Amanda umringten.
Endlich hatte er es in der Hand.
»Ja?«, sagte er zögernd in das kleine Gerät. Dann zogen sich seine Brauen zusammen, er machte ein paar unsichere Schritte, nahm das Gerät vom Ohr und blickte Amanda zweifelnd an. »Das war Sir Miles«, brummelte er. Dann gab er seinen Leuten ein Zeichen. »Nehmt die Waffen runter. Sie ist Sonderagentin des Yard.«
Er reichte Amanda das Gerät zurück. Diese lächelte bösartig und sprach ins Telefon: »Hallo Sir Miles. Ich konnte eben noch Ihre Nummer aktivieren.«
»Lady Harris«, kam es wie ein Bittgebet aus dem kleinen Lautsprecher. »Was machen Sie denn schon wieder?«
Amanda gab einen kurzen Bericht.
Als sie geendet hatte, sagte der Chef des Scotland Yard: »Geben Sie mir noch mal Lieutenant Boles.«
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