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Die Skalpjäger – Das Präriefieber

Die-SkalpjägerThomas Mayne Reid
Die Skalpjäger

Erster Teil
Drittes Kapitel
Das Präriefieber

Nach einer Woche, die wir in Independence mit Einkaufen von Maultieren und Wagen zugebracht hatten, schlugen wir den Weg über die Ebenen ein. Die Karawane bestand aus hundert Wagen und beinahe doppelte Anzahl von Gespannführern und Dienern. Zwei von den Fuhrwerken enthielten meinen ganzen Plunder und zu ihrer Leitung hatte ich ein paar Leute, dürre, langhaarige Missourier, gemietet. Überdies hatte ich einen kanadischen Reisenden Namens Godé, als eine Art von Diener oder Gesellschafter, engagiert.

Wo sind die glatten Stutzer aus dem Planters Hotel? Man sollte glauben, dass sie zurückgeblieben wären, da es hier nur Männer mit Jagdhemden und breitkrempigen Hüten gibt. Ja, aber unter diesen Hüten erkennen wir ihre Gesichter, und unter diesen Hemden haben wir dieselben jovialen Burschen wie vorher. Das seidenglatte Schwarz und die Diamanten sind verschwunden, denn jetzt befinden sich die Händler im Präriekostüm. Ich will mich bemühen, eine Idee von dem Äußeren meiner Gefährten zu geben, indem ich das meine beschreibe, da ich ziemlich ebenso gekleidet bin.

Ich trage ein Jagdhemd aus gegerbtem Hirschleder. Es ist ein Kleidungsstück, dessen Schnitt sich dem einer antiken Tunika mehr nähert, als irgendeinem anderen, dessen ich mich entsinnen könnte. Es ist in hellgelber Farbe, schön genäht und gestickt und die Kapuze – denn es hat eine Kapuze – mit aus dem Leder selbst geschnittenen Fransen geziert. Auch der untere Saum hat eine ähnliche Fransenborte und hängt tief herab. Ein paar Reithosen, aus Scharlachtuch bedecken meine Beine bis an die Schenkel, und unter diesen trage ich starke Tuchbeinkleider, schwere Stiefel und schwere Messingsporen. Ein buntes Baumwollhemd, ein blaues Halstuch, und ein breiter, runder Guayaquilhut vervollständigen mein Alltagskostüm. Hinter mir, auf meinem Sattel, ist ein hellroter Gegenstand, der in zylindrischer Form zusammengerollt ist, merklich. Dies ist mein Mockinow, ein großer Liebling von mir, denn es ist bei Nacht mein Bett und zu anderen Zeiten mein Überrock. In der Mitte befindet sich ein kleiner Schlitz, durch den ich bei kaltem oder regnerischem Wetter den Kopf stecken kann, wodurch ich bis auf die Knöchel bedeckt bin.

Wie schon erwähnt, sind meine Gefährten ähnlich gekleidet. In der Decke oder den Beinkleidern mag eine Farbenverschiedenheit obwalten, oder das Hemd aus anderem Material sein, aber die von mir beschriebene Kleidung kann als Charakterkostüm gelten.

Wir sind alle so ziemlich gleich bewaffnet und equipiert. Für meinen Teil kann ich sagen, dass ich bis an die Zähne bewaffnet bin. In meinen Halftern trage ich ein paar von den großen Colt-Revolvern, die jeder sechs Schuss enthalten. In meinem Gürtel befindet sich ein zweites Paar kleinerer Art, mit fünf Schüssen jeder, außerdem habe ich eine leichte Büchse, was in allem dreiundzwanzig Schuss ausmacht, die ich in ebenso vielen Zeitpunkten abgefeuert gelernt habe.

Für den Fall, dass ich mit allem diesen nichts ausrichten kann, trage ich in meinem Gürtel eine lange, schimmernde Klinge, die man ein Bowiemesser nennt. Dieses Letztere ist mein Jagdmesser, mein Speisemesser, kurz, ein Messer für jede mögliche Gelegenheit. Als Munitionsstücke habe ich eine Jagdtasche und ein Pulverhorn, welche beide unter dem rechten Arm hängen, ferner besitze ich eine große Kürbisflasche und für meine Rationen einen Futtersack. So geht es allen meinen Gefährten.

Aber wir sind auf verschiedene Weise beritten. Die einen reiten Sattelmaultiere, die anderen einen Mustang, während einige ihre amerikanischen Lieblingspferde mitgebracht haben. Zu dieser Zahl gehöre ich. Ich reite einen dunkelbraunen Hengst, mit schwarzen Beinen und einer Schnauze in der Farbe des verwelkten Farnkrautes. Er ist ein halber Araber und in den vollkommenen Proportionen. Er heißt Moro, ein spanischer Name, welchen ihm der louisianische Pflanzer gegeben hat, von dem ich ihn kaufte. Ich habe den Namen beibehalten, und er hört gut darauf. Er ist kräftig, schnell und schön. Viele von meinen Freunden fanden unterwegs an ihm Gefallen und boten mir einen großen Preis für ihn. Aber das lockt mich nicht, denn mein Moro dient mir gut, er wird mir mit jedem Tage lieber. Mein Hund Alp, ein Bernhardiner, den ich von einem Schweizer Auswanderer in St. Louis gekauft habe, erhält kaum ein Zehntel meiner Liebe.

Ich finde beim Durchblicken meines Notizbuches, dass wir wochenlang durch die Prärie reisten, ohne dass etwas Ungewöhnliches vorgefallen wäre. Für mich waren meine Umgebungen interessant genug, und ich erinnere mich keines merkwürdigeren Gemäldes, als der langen Karawane aus Wagen, den Schiffen der Prärie, wie sie sich über die Ebene ausbreitete oder langsam eine sanfte Anhöhe hinaufkroch und mit ihren Planendecken einen schönen Kontrast gegen das tiefe Grün der Erde bildete. Auch bei Nacht war das Lager mit seinen zusammengestellten Wagen und seinen rund umher angepflockten Pferden ein ebenso eigentümliches Gemälde. Die ganze Umgebung war mir neu und erfüllte mich mit Eindrücken eigentümlicher Art. Die Felsen waren mit hohen Hainen aus Cottonholzbäumen bedeckt, deren säulenartige Stämme ein dichtes Laubwerk mit Silberblättern stützte. Diese, an verschiedenen Punkten zusammentreffenden Haine verschlossen den Gesichtskreis und teilten die Prärien so voneinander, dass wir durch ungeheure kolossale Hecken eingefriedete Felder zu reisen schienen.

Wir setzten über eine Menge von Flüssen, die wir teils durchwateten, teils unsere Wagen über die tieferen und breiteren schwimmen ließen. Mitunter sahen wir Hirsche und Antilopen, und unsere Jäger schossen einige von diesen, aber wir waren noch nicht in den Bereich der Büffel gekommen. Einmal hielten wir einen Tag lang an, um uns in einer bewaldeten Flussniederung, wo das Gras reichlich vorhanden und das Wasser reinlich war, zu erquicken. Dann und wann mussten wir auch anhalten, um eine zerbrochene Deichsel auszubessern oder einen festgefahrenen Wagen aus seinem Schlammbett zu holen.

Ich hatte mit meiner Abteilung der Karawane nur wenig Mühe. Meine Missourier bewiesen sich als ein paar kräftige wackere Burschen, die einander aushelfen konnten, ohne aus jedem kleinen Unfall eine verzweifelte Geschichte zu machen.

Das Gras war hervorgesprossen, und unsere Maultiere und Ochsen wurden statt mager, mit jedem Tag feister davon. Moro bekam daher einen Anteil von dem Mais, den ich in meinen Wagen mitgebracht hatte, wodurch ich meinen Liebling in trefflichem Zustand erhielt.

Als wir uns dem Arkansas näherten, sahen wir berittene Indianer in den Gebüschen verschwinden. Es waren Pawnee und mehrere Tage lang hingen Wolken aus diesen dunklen Kriegern an den Säumen der Karawane. Aber sie kannten unsere Stöcke und hielten sich in vorsichtiger Entfernung vor unseren langen Büchsen.

Wir brachten jeden Tag etwas Neues, sowohl in den Vorfällen der Reise als auch in den Eigentümlichkeiten der Landschaft.

Godé, der abwechselnd Reisender, Jäger, Trapper und Waldläufer gewesen war, hatte mir in unseren Privatunterredungen eine Einsicht in gar manche Eigentümlichkeiten der Präriekenntnis gegeben, und mich so in den Stand gesetzt, eine ganz respektable Figur unter meinen neuen Kameraden zu machen. Auch St. Vrain, dem sein offenes, warmes Benehmen bereits mein Vertrauen erworben hatte, ließ sich keine Mühe verdrießen, mir die Reise angenehm zu machen. Die wilden Galopps bei Tag und die noch wilderen Erzählungen an den nächtlichen Lagerfeuern berauschten mich mit der Romantik meines neuen Lebens. Ich war von dem Präriefieber angesteckt worden.

Meine Gefährten sagten mir dies lachend, aber ich verstand sie damals nicht. Ich wusste später, was sie meinten. Das Präriefieber! Ja, mir wurde damals diese seltsame Krankheit eingeimpft, sie wurde mit jedem Tag schlimmer. Die Träume der Heimat begannen in mir zu verschwinden und mit ihnen die illusorischen Ideen so manchen törichten Strebens. Ebenso erstarben in meinem Herzen die Lockungen der großen Städte, die Erinnerungen an milde Augen und seidene Flechten, die Eindrücke von Liebesempfindungen, die Feinde des menschlichen Glücks. Alle erstarben, als ob sie nie gewesen wären oder ich sie nie gefühlt hätte.

Meine Kräfte, sowohl des Körpers als auch des Geistes wuchsen. Ich empfand eine Elastizität des Geistes und eine Tatkraft des Körpers, die ich noch nie gekannt hatte, ich fühlte eine Freude an der Tätigkeit. Mein Blut schien wärmer und schneller durch meine Adern zu strömen, und ich glaubte, dass meine Augen ferner reichten. Ich konnte kühn in die Sonne schauen, ohne zu zucken.

Hatte ich einen Teil des göttlichen Wesens eingesogen, welches in diesen mächtigen Einöden lebt, webt und sich regt? Wer kann dies beantworten?

Das Präriefieber! Ich fühle es jetzt noch! Während ich diese Erinnerungen niederschreibe, zucken meine Finger, um die Zügel zu erfassen. Meine Knie möchten die Flanken meines edlen Rosses pressen und ziellos über die grünen Wellen der Präriesee dahin schweifen.