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Felsenherz der Trapper – Teil 7.6

Felsenherz-der-Trapper-Band-7Felsenherz der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 7
Die Mumie Matazumas
Sechstes Kapitel
Thomas Blubbs Kampf ums Leben

Der Morgen graute. Drüben im Lager der Apachen befehligte jetzt der Unterhäuptling, das Lange Messer, ein älterer, einäugiger Krieger.

Thomas Blubb war an eine Tanne dicht an der Talwand gefesselt worden. Die Apachen hatten die Äste der Tanne unten abgehauen, sodass der Baum nur noch einen Teil seines immergrünen Schmuckes besaß.

Die Wut der Apachen gegen Blubb war infolge des Verlustes so vieler Krieger und des obersten Häuptlings – denn man hielt den Großen Bären bestimmt für tot – so grenzenlos, dass die Krieger schon in der Nacht eine Beratung abgehalten und beschlossen hatten, das verräterische Bleichgesicht am Morgen zu Tode zu martern.

Umsonst hatte Blubb immer wieder beteuert, dass er die Apachen niemals in eine Falle habe locken wollen. Man glaubte ihm nicht.

Mit brutalster Grausamkeit hatte man ihm die Riemen um die Handgelenke so eng geschnürt, dass sie die Haut zerschnitten. Die Stiefel hatte man ihm von den Füßen gerissen und ihn mit nackten Sohlen auf spitze Steine gestellt. Dicht vor ihm brannten zwei Feuer, deren Glut ihm langsam die Haut der Füße versengte.

Blubb war mehr tot als lebendig, als die Sonne über den fernen Bergen am Rio Pecos aufging.

Er hatte eingesehen, wie schändlich er an seinen drei Gefährten aus blindem Ehrgeiz gehandelt hatte. Er hatte auch erkannt, dass seine jetzige Lage nur die gerechte Strafe für seinen Verrat war.

Vor ihm hockten vier Wächter. Nun näherten sich das Lange Messer und die drei Ältesten der Apachenkrieger.

Der Unterhäuptling blickte den Gefangenen finster an.

»Das Bleichgesicht wird jetzt zeigen, ob er ein Mann ist!«, sagte er voller Hohn. »Du hast uns mit der Rache deiner Krieger gedroht, die jenseits des Meeres wohnen! Wo sind deine Krieger? Die Apachen wurden sie wie dich an den Marterpfahl stellen!«

Er spie Blubb ins Gesicht.

»Winsele jetzt vor Angst wie ein Weib, dem ein Wolf das Kind stiehlt!«, rief der Unterhäuptling weiter. »Dein Körper wird sehr bald nur noch eine einzige Wunde sein! Dann werden die Krieger der Apachen den Saft der Yuka-Pflanze in das rohe Fleisch träufeln, und dein Verstand wird vor Schmerzen dein Hirn verlassen!«

Thomas Blubb war in vielem ein jämmerlicher Charakter. Aber – er war Engländer! Er besaß den sich stets überhebenden Stolz und Hochmut dieses Inselvolkes. Und dieser Stolz war es, der bisher keinen Klagelaut über seine Lippen dringen ließ.

Auch nun erbleichte er nur, sagte dann verächtlich: »Ihr werdet sehen, dass ein Engländer zu sterben weiß! Ihr seid in meinen Augen nur feiges rotes Gesindel! Einen gefesselten Menschen zu Tode zu martern, dazu gehört wahrlich kein Mut!«

Und – gepackt von einem besinnungslosen Grimm spie auch er dem Langen Messer ins Gesicht

Der Apache riss den Tomahawk heraus. Sein Arm flog empor.

»Hau zu, feiger Hund!«, brüllte Blubb. »Deine Feigheit verpestet die Luft! Lieber rieche ich ein faulendes Aas als deinen Hautgestank! Hau zu!«

Seine hellen Augen blitzten den Apachen hinter den Brillengläsern todesmutig an.

Das Lange Messer ließ langsam den Arm sinken.

Ihm war bisher nur ein Bleichgesicht begegnet, das sich angesichts des sicheren Todes so tapfer gezeigt hatte. Und dieser eine war Felsenherz gewesen, der sich einst freiwillig den Apachen ausgeliefert hatte, um seine Freunde zu retten.

»Das Bleichgesicht mit den vier Augen wird mit dem Langen Messer um sein Leben kämpfen«, sagte er nach einer Weile dumpfen Tones. »Das Lange Messer hat seinen Namen verloren und muss ihn sich zurückerobern. Wer einen Apachen anspeit, raubt ihm den Namen! Du wirst mit Tomahawk und Messer mir gegenübertreten. Ich verzichte auf jede Waffe. Meine Hände werden dich erwürgen, und dann werden ich dir die Zunge herausreißen, dann bin ich wieder das langer Messer, dann habe ich meinen Namen zurück! Bindet ihn los! Kühlt seine Handgelenke!«, befahl er den Wächtern. »Wenn der Schein der Sonne keinen Schatten wirft, wird der Kampf beginnen.«

Er schritt mit den drei alten Kriegern davon.

Drüben im Talkessel rüstete sich zwei Stunden später

Felsenherz zu einem gefährlichen Gang.

Er hatte sich mit dem Comanchenhäuptling vorher beraten und war dann zu der Stelle hingegangen, wo der Große Bär gefesselt abseits von den anderen Apachen lag. Der Oberhäuptling der Apachen hatte auch bald eingesehen, dass es für ihn nur einen Weg gab, die Freiheit zurückzuerlangen, nämlich den, feierlich zu versprechen, dass die Weißen und der Comanche unbehelligt aus den Jicarilla-Bergen abziehen dürften. Felsenherz wollte nun auf dem geheimen Pfad den Talkessel verlassen und mit den Apachen draußen unterhandeln, wobei er sich davor hüten musste, selbst ergriffen zu werden.

Nach kurzem Abschied von seinem roten Freund und dem kleinen Crax erklomm er, die Büchse umgehängt auf dem Rücken, die Steilwand, stieg weiter in eine enge Kluft hinein, arbeitete sich in dieser hoch, erkletterte eine zweite Wand und hatte so nach anderthalbstündiger, mühevollster Anspannung aller Muskeln den Gipfel eines im Westen gelegenen Berges erreicht, musste nun an dessen Westabhängen wieder hinunter und hierbei noch mit der steten Gefahr rechnen, dass er vorzeitig von Apachenspähern bemerkt würde.

Nur ein Westmann wie er vermochte gleichzeitig die Mühsale dieses von tausend Gefahren umlauerten Weges über Abgründe und Klüfte zu überwinden und dazu noch stets Auge und Ohr für jeden unerwartet auftauchenden Feinde bereitzuhaben.

Nach drei Stunden näherte er sich dann von Norden abermals über zerklüftete Berge dem Tal, wo die Apachen lagerten und der Lincoln River seine schäumenden Wasser in die Prärie ergoss.

Die Berglehne im Norden des Tales war dicht bewaldet. Dies gereiche Felsenherz zum Vorteil. Das Anschleichen war nun nicht mehr schwer.

Nach Trapperart kroch er lang am Boden hin, schnitt aus den Büschen, die er durchqueren musste, die ihm hinderlichen Zweige lautlos heraus, machte immer wieder halt und lauschte, kroch weiter und stellte sehr bald fest, dass hier oben keine Apachenwachen standen.

Nun schob er sich in ein dichtes Gestrüpp hinein, das mit seinen Ranken bis in die Äste einer mächtigen Tanne sich hineingezogen hatte, die dicht an der Talwand unten wurzeln musste.

Abermals arbeitete sein Messer, schnitt einen Weg durch das stachlige Dickicht.

Dann noch eine kurze Strecke – und er konnte den Kopf über den Rand des Abhangs hinausschieben und zwischen den ihn schützenden Schlingpflanzen hindurchspähen.

Was er dort unten sah, trieb ihm das Blut in zorniger Welle zu Kopf.

Da saß der elende Verräter Thomas Blubb am Fuß der Tanne und hatte seine Hände in einen gefüllten Wasserschlauch gesteckt!

Blubb war nicht gefesselt. Vor ihm hockten nur zwei Apachen, die seine Füße mit nassen Decken kühlten!

Felsenherz musste annehmen, dass die Apachen mit Blubb nichts Böses vorhätten und sie den Verräter schonen wollten.

Doch – er wurde sehr bald eines Besseren belehrt!

Jetzt tauchten nämlich hinter den Lederzelten das Lange Messer und die drei alten Krieger wieder auf.

Der Unterhäuptling machte vor Blubb halt und sagte finster: »Die Mittagstunde ist da. Die Sonne wirft keinen Schatten mehr. Das Bleichgesicht wird jetzt dort vor den Zelten mit mir kämpfen. Bald werden die Aasgeier deine Leiche zerfetzen, und dein Skalp wird im Rauch meines Zeltfeuers trocknen!«

Blubb hatte schnell seine Stiefel angezogen, stand auf und erwiderte: »Ich bin bereit! Was geschieht, wenn ich das Lange Messer besiege?«

Der Apache spie ihm vor die Füße. »Die Angst hat deinen Verstand verwirrt! Du wirst mich nie besiegen! Nur wenn der große Geist es schlecht mit mir meint, könntest du mich töten. Aber Manitu beschützt seine roten Kinder! Besiegst du mich, so bist du frei!«

»Noch eine Bitte hätte ich«, erklärte Blubb dann in demselben festen Ton. »Falls ich sterbe und falls du einmal Gelegenheit hast, den Trapper Felsenherz zu sprechen, dann sage ihm, dass ich meine Verräterei, zu der mich nur die Mumie und der Ehrgeiz verleiteten, bereue und dass ich ihm danke, weil er mich gestern auf seinem wackeren Pferd vor euch Apachen rettete.«

Das Lange Messer lachte schrill auf. »Felsenherz’ Skalp wird sehr bald neben dem deinen hängen! Er und der Hund von Comanche sind in jenem Talkessel wie die Präriehunde in einer Falle eingesperrt. Wir werden warten, bis der Hunger sie heraustreibt. Folge mir jetzt! Du musst sterben!«

Thomas Blubb schritt hoch aufgerichtet hinter den Apachen her.

Felsenherz hatte mit Staunen dieses kurze Gespräch mit angehört. Er hatte darauf hin eine ganz andere Meldung über Blubb gewonnen. Niemals hätte er ihm so viel Mut zugetraut.

Er erkannte, dass Blubb nur in leichtfertiger Übereilung sich zu dem Schurkenstreich hatte hinreißen lassen. Wenn er nicht Zeuge dieser letzten Äußerungen Blubbs gewesen wäre, hätte er keinen Finger zu dessen Rettung gerührt. So aber überlegte er, wie er Blubb vielleicht noch vor dem sicheren Tod bewahren könne. Denn auch er glaubte, dass Blubb in diesem Zweikampf mit dem Unterhäuptling unterliegen müsse.

Umsonst zermarterte er sich den Kopf, was er für Blubb tun konnte.

Inzwischen war dieser bereits in den Kreis eingetreten, den die Apachen kaum dreißig Meter entfernt an einer ebenen, gebüschfreien Stelle des Tales gebildet hatten.

Der Unterhäuptling folgte Blubb und gab ihm ein Messer und einen Tomahawk und brüllte dann gellend: »Die Krieger der Apachen werden Zeugen sein, wie ich mir meinen Namen zurückerobere! Das Bleichgesicht gebe acht. Sobald jener alte Krieger den schrillen Schrei des Falken ausstößt, beginnt der Kampf!«

Blubb trat einige Schritte zurück. Dann warf er das Messer und den Tomahawk zu Boden und rief: »Ich werde mit der gleichen Waffe dir gegenüberstehen – nur mit den Fäusten, Langes Messer!«

Ein Beifallsgemurmel durchlief den Kreis der Rothäute. Felsenherz fühlte geradezu etwas wie Sympathie für den dürren Gelehrten. Ihm imponierte diese Kühnheit! Er war nun doch schwankend geworden, hoffte, dass Blubb siegen möge. Da – der gelle Falkenschrei ertönte bereits. Der Unterhäuptling näherte sich langsam seinem Gegner, duckte sich zusammen und wollte ihm mit einem Satz an die Kehle springen.

Blubb stand mit schlaff herabhängenden Armen da. Es schien, als ob er, von jäher Angst gepackt, sich gar nicht zur Wehr setzen würde.

Es schien nur so! Blubb war durchaus nicht verweichlicht. Er hatte wie jeder Engländer das Boxen als Sport geübt, hatte seit seinem Eintreffen in Mazatlán oft genug Gelegenheit gehabt, seine Muskeln während des wochenlangen Rittes nach El Paso zu stählen.

Der Unterhäuptling war zu siegesgewiss. Und daher kam ihm auch der kräftige Fausthieb, den der plötzlich vorschnellende Blubb ihm gerade auf die Nase versetzte, völlig überraschend. Er taumelte zurück. Blut rann ihm über das Gesicht. Der Schmerz hatte ihn für einen Moment betäubt.

Blubb ließ ihn nicht wieder hochkommen. Der zweite Fausthieb traf den Apachen ebenso blitzschnell unter das Kinn. Gleichzeitig schlug Blubb ihm mit der Linken gegen das rechte Ohr.

Das Lange Messer hatte Blubbs Beine gepackt, wollte ihn umreißen.

Die beiden Hiebe warfen ihn in die Knie. Und der vierte Stoß war ein Fußtritt vor die Brust.

Mit gurgelndem Schrei sank der Apache zu Boden. Ein Blutstrom entquoll seinem Mund. Die Zuschauer standen einen Augenblick wie gelähmt. Dann erhob sich ein Gebrüll, als wäre die ganze Hölle plötzlich lebendig geworden.

Blubb hatte schnell des Apachen Tomahawk aufgehoben und trat neben den Bewusstlosen, schwang die Streitaxt …

Die Apachen verstummten.

»Ich konnte das Lange Messer töten!« rief Blubb. »Ein Bleichgesicht mordet nicht! Ich bin Sieger! Ich schenke ihm das Leben!«

Er legte den Tomahawk auf die röchelnde Brust seines Gegners und schritt der Tanne wieder zu. Wortlos ließ man ihn hindurch. Blubb wollte sich niedersetzen.

Da – von oben eine leise Stimme.

»Achtung! Mein Lasso kommt! Ich ziehe Euch empor, bevor die rote Bande noch richtig wieder bei Verstand ist! Dann würden sie Euch nämlich vor Wut in Stücke reißen!«

Das Lasso schwebte herab.

Blubb besann sich nicht lange. Ruck für Ruck schwebte er höher.

Da – nun hatten die Apachen bemerkt, was dort vorging.

Doch es war zu spät. Blubb verschwand bereits hinter den Ranken.

Und dann Felsenherz’ mächtige Stimme.

»Apachen – hier ist Felsenherz! Hört mich an! Ich komme als Bote eures Oberhäuptlings. Der Große Bär, seine Tochter und drei Apachen sind lebend in unserer Gewalt. Der Große Bär wird nur freigelassen, wenn Ihr die Jicarilla-Berge sofort verlasst und draußen in der Prärie an dem ersten Waldstreifen lagert. Wir werden dann aus dem Talkessel heraufkommen und unsere Gefangenen zu euch schicken, sobald wir euch aus den Augen verloren haben. Plant Ihr Verrat, werden die Gefangenen getötet. Ihr kennt mich. Ich spreche nie eine Lüge aus. Ich bin Felsenherz, und meine Zunge ist nie gespalten! Beratet jetzt! Aber keiner von euch entferne sich, um mich etwa hier zu beschleichen! Wenn ich nicht in den Talkessel zurückkehre, wird des Schwarzen Panthers Messer mich rächen!«