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Zersetzt

ZersetztMichael Tsokos, Andreas Gößling
Zersetzt

True-Crime-Thriller, Paperback, Knaur, München ´, April 2016, 432 Seiten, 14,99 Euro, ISBN: 9783426518779, auch als E-Book erhältlich

BKA-Rechtsmediziner Dr. Fred Abel arbeitet unter Hochdruck an einem großen Fall: Ein winziger Einstich in der Kniekehle eines Toten verrät ihm, dass einer der gefährlichsten Killer der letzten Zeit weiterhin sein Unwesen treibt. Doch bevor Abel ihn stoppen kann, wird er in heikler Mission in den osteuropäischen Pseudostaat Transnistrien geschickt. Dort soll er zwei Mordopfer identifizieren, die in Kalkfässern gelagert wurden und fast vollständig zersetzt sind. Plötzlich steht Abel im Fadenkreuz eines politischen Komplotts. Während einer mörderischen Verfolgungsjagd durch das transnistrische Grenzland muss er seine ganz besonderen Fähigkeiten einsetzen. Und gleichzeitig kämpft in Deutschland das jüngste Opfer des Psychopathen in einem Keller um sein Leben …

Mit diesem Buch beweist Michael Tsokos nun zum wiederholten Mal, dass das Leben wirklich grausamer ist als jede Fiktion. Was der fiktive Fred Abel erlebt, kann man sich wahrscheinlich als Krimiautor gar nicht ausdenken, und die Umsetzung in diesem Roman geht hart an die Grenze dessen, was man sich als Leser überhaupt vorzustellen vermag. Der Ekelfaktor ist sehr hoch angesetzt, einige Passagen sicher nicht für schwache Nerven geeignet. Was in vielen anderen Thrillern angedeutet und dann der Fantasie des Lesers überlassen wird, verpacken die Autoren hier in grausame Schilderungen, die detaillierter wohl kaum noch vermittelt werden können. Denn das ist eine Besonderheit, die mir bei Michael Tsokos’ Erzählweise sehr gefällt: Er findet immer Vergleiche oder bedient sich mindestens zweier Wahrnehmungsweisen bzw. Sinne, um besonders eklige Einzelheiten so an den Leser zu bringen, dass diesem nicht nur ein Bild vor Augen entsteht, sondern man dazu noch glaubt, bestimmte Gerüche direkt wahrzunehmen oder Dinge zu fühlen oder Geräusche zu hören. So jedenfalls habe ich die Folterszenen in der transnistrischen Fabrikhalle und die Pein der jungen Frau im Bunker des Psychopathen empfunden.

Sehr gut gefallen hat mir auch das Erzähltempo, was natürlich den Nachteil hat, dass man das Buch viel zu schnell gelesen hat. Die Handlung wechselt von den anfänglich überwiegenden Folterszenen zu den politischen Verstrickungen, die nicht minder spannend geschildert werden, und wechselt dann in ein Finale, welches sich dem Leid der jungen Frau in dem Bunker widmet. Das Bindeglied zwischen den beiden Handlungssträngen ist Fred Abel, der Mann, der scheinbar alles kann, der instinktiv meist das Richtige tut und trotzdem sympathisch und glaubhaft wirkt.

Insgesamt hat mich auch der zweite True-Crime-Thriller von Michael Tsokos und Andreas Gößling überzeugt und ich hoffe, auch wenn es makaber ist, dass Michael Tsokos noch genügend Fälle in dieser Form aufarbeitet, die mir als Leser nicht nur Gänsehaut bescheren, sondern gleichsam auch zum Nachdenken anregen, einiges Wissen vermitteln (von einem Pseudostaat Transnistrien zum Beispiel hatte ich bisher noch nie etwas gehört) und natürlich auch über den weiteren Werdegang von Fred Abel berichten.

(ab)