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Die Hure Babylon

Arnaut lebt im Süden Frankreichs im 12. Jahrhundert ein durchaus angenehmes Leben. Seine Geliebte, die Vizegräfin Ermengarda von Narbonne, ist die große Liebe seines Lebens. Seine Familie ist angesehen, wenn auch nur eher niederer Adel, so doch mit eigenem Land und einem ansehnlichen Vermögen versehen. Das Leben könnte endlos so weitergehen, wenn da nicht der glühende Wunsch wäre, die Verbindung zu Ermengarda endlich durch eine Eheschließung ehrbar zu machen. Doch aus politischen Gründen ist Ermengarda nicht mehr frei und so muss Arnaut damit leben, dass er nur der Geliebte der Vizegräfin ist.

Zu der Zeit als Ermengarda schwanger ist, werden die Stimmen die zum Kreuzzug aufrufen immer lauter. Und auch in Narbonne und Umgebung rufen es die Geistlichen von den Kanzeln und den Plätzen. Das einfache Volk lässt sich anstecken und so muss die Vizegräfin mit ansehen, wie ihr größter Albtraum wahr wird: Eine nicht unbeträchtliche Gruppe von Männern aus ihrem Herrschaftsbereich schließt sich dem Kreuzzug an. Arbaut, dem von verschiedenen Seiten geraten wird, diesen Feldzug mitzumachen, stellt sich lange dagegen. Doch dann verliert Ermengarda zum wiederholten Mal ein Kind. Der junge Mann, der zwar durchaus seine Zweifel am dem hat, was die Geistlichen so von sich geben, im Grunde aber ein gläubiger Mensch ist, sieht darin eine Strafe Gottes für die sündige Verbindung. Da komplette Absolution all denen, die sich auf den Kreuzzug begeben, versprochen wird, beschließt Arnaut sein Leben ebenfalls in Gottes Hände zu legen.

Und macht er sich auf den Weg in Richtung Heiliges Land, zusammen mit einer riesigen Schar Krieger und Tross, die alle ihrem Gott dienen wollen, indem sie sein Reich gegen die Ungläubigen verteidigen. Und wenn Arnaut vor seiner Reise schon Zweifel an manchem Geistlichen hatte, so wird er auf dem Kreuzzug völlig desillusioniert. Er lernt die ganze Spannbreite menschlichen Versagens kennen. Geistliche und Adlige, denen Gott völlig egal ist und die sich nur um ihre eigenen Belange kümmern. Männer, die sich an wehrlosen Frauen vergehen. Aber auch Freunde, die einander beistehen, koste es was es wolle und Männer, die ihren Glauben über alles andere stellen. Und so findet er am Ende vor allen Dingen eines auf dieser Reise: seinen inneren Frieden.

Ulf Schiewe bringt hier auf über 500 Seiten einen Roman zu Papier, der den Leser tief in eine der schrecklichsten Episoden der Kirchengeschichte eintauchen lässt. Und doch ist dieser Roman so viel mehr als nur eine einfache Aufarbeitung eines Kreuzzuges. Er ist Sittengemälde einer Zeit, in der die christliche Kirche begann, einen großen Teil des Kredites, den sie bei der einfachen Bevölkerung hatte, achtlos zu verspielen. Einer Zeit, in der man mit der Begründung, etwas im Namen des Kreuzes zu tun, nahezu alles entschuldigen konnte. Einer Zeit, in der das Leben eines Menschen manchmal weniger Wert war, als ein Schluck Wasser oder ein Kanten Brot. Doch das im Einband versprochene Epos liefert Schiewe nicht. Dafür fehlt dem Protagonisten ein wenig das tragisch-schöne Happy End. Viel mehr legt er hier einen prallen historischen Roman, voller Leben, Liebe, Intrigen, Verrat und voller Flair vor.

Nicht zuletzt die Tiefe der Charaktere, die teilweise immer wieder im Widerstreit mit sich selbst ihre Weiterentwicklung vorantreiben, macht aus diesem Buch ein Werk, dass man nur widerwillig aus der Hand legt.

Fazit:
Für mich einer der historischen Romane des Jahres 2012. Auf jeden Fall aber einer der besten »Kreuzzug-Romane«, die ich bisher gelesen habe.

Copyright © 2013 by John Poulsen

 

Ulf Schiewe

Die Hure Babylon
Historischer Roman
Hardcover
Droemer Knaur, München
November 2012
576 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 9783426199305