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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jimmy Spider – Folge 3

Jimmy Spider und der goldene Kater

Ich fühl­te mich, als wäre ich ge­ra­de zu ei­nem Toast Ha­waii ver­ar­bei­tet wor­den.

Glück­li­cher­wei­se blieb mir das wohl er­spart, aber die Hit­ze Bra­si­li­ens reich­te trotz­dem aus, um mei­nen Schweiß­pe­gel in­fla­ti­o­när in die Höhe zu trei­ben. Da­bei be­fand ich mich so­gar schon auf dem Meer, wenn auch nur we­ni­ge Ki­lo­me­ter vor der Küs­te Rio de Ja­nei­ros.

Mein fahr­ba­rer Un­ter­satz war ein Boot, für das die Be­zeich­nung ‚al­ter Kut­ter’ schon fast zu viel des Lo­bes ge­we­sen wäre. Des­sen Ka­pi­tän, der sich mir als Sil­vio vor­ge­stellt hat­te, stand dem in nichts nach. Eine voll­kom­men ver­dreck­te, einst­mals wei­ße Ka­pi­täns­uni­form um­hüll­te sein ein­ge­fal­le­nes, braun ge­brann­tes Ge­sicht mit dem schwar­zen Rau­sche­bart. Ein nicht zu über­se­hen­der Bier­bauch schmück­te ihn eben­so wie eine wei­ße Ka­pi­täns­müt­ze.

Dies­mal war es si­cher­lich kein Rou­ti­ne­auf­trag, wie ich ihn kürz­lich in Spa­ni­en er­lebt hat­te (auch wenn da­bei eine Fla­sche kost­ba­rer Wod­ka zu Bruch ge­gan­gen war), son­dern eine ernst zu neh­men­de Be­dro­hung, die mög­li­cher­wei­se nur ein klei­ner Teil von et­was viel Grö­ße­rem, mehr so­gar, viel­leicht ein Teil ei­nes Pla­nes, des­sen Plan es war, die Welt in Cha­os zu stür­zen. Es wäre si­cher nicht das ers­te Mal.

Die See war ru­hig, kein ein­zi­ges Wölk­chen hat­te sich zu die­ser Zeit in die blaue Wei­te des Him­mels ge­traut. Ge­mäch­lich tu­cker­te der Kahn in Rich­tung Zu­cker­hut. Sel­bi­ger war auch mein Ziel. Hier und heu­te wür­de sich zei­gen, ob er in­nen ge­nau­so süß war wie au­ßen.

Kürz­lich hat­te näm­lich ein leich­tes Erd­be­ben, un­be­merkt von der Öf­fent­lich­keit an der von Rio ab­ge­wand­ten Sei­te des Zu­cker­hu­tes, eine Höh­le frei­ge­ge­ben. In ein­schlä­gig be­kann­ten Spe­lun­ken hat­te sich das Ge­rücht ver­brei­tet, dort soll­te ein wert­vol­ler Schatz ver­steckt sein. Als das ei­nem TCA-Agen­ten zu Oh­ren ge­kom­men war, war er die­ses schnel­ler an mei­nen Chef los­ge­wor­den, als ich hier ein Eis ge­leckt hät­te.

Lang­sam rück­te die Höh­le in mein Blick­feld. Zum Glück war der Kahn nicht be­son­ders hoch, so­dass er ohne Prob­le­me dort hin­durch wür­de fah­ren kön­nen. Wie um den Ein­gang zu ver­schlei­ern, hin­gen mäch­ti­ge Schling­pflan­zen von dem Berg bis ins Was­ser, wo­durch die Höh­le nur durch den ge­schärf­ten Blick ei­nes scharf bli­cken­den Men­schen zu se­hen war. Ei­nen Men­schen wie mich.

Trotz der Hit­ze hat­te ich auf mein üb­li­ches Out­fit nicht ver­zich­tet. Auch mei­ne De­sert Eag­le steck­te zur Si­cher­heit in mei­ner Ja­cken­ta­sche.

Als wir den Höh­len­ein­gang er­reicht hat­ten, dros­sel­te der Ka­pi­tän das Tem­po und ließ den Kut­ter in Schne­cken­tem­po durch die Pflan­zen fah­ren. Wäh­rend­des­sen wink­te er mir kurz zu.

»Senor Spi­der, wie geht es jetzt wei­ter?«

Ich zog ver­wun­dert mei­ne lin­ke Au­gen­braue hoch. » Nun ja, wir fah­ren rein und se­hen nach, was los ist.«

»Und wenn wir auf ei­nen Fel­sen auf­fah­ren? Wer er­setzt mir den Scha­den?«

»Dann ru­fen Sie den Ab­schlepp­di­enst. Und jetzt, kon­zen­trie­ren Sie sich lie­ber auf die Fahrt!«

Sil­vio dreh­te sich wie­der zum Steu­er um und schüt­tel­te den Kopf.

Lang­sam aber si­cher emp­fing uns die Dun­kel­heit der Höh­le. Sil­vio hat­te be­reits den Schein­wer­fer (man soll­te kaum glau­ben, dass die­ser alte Kut­ter ei­nen Schein­wer­fer hat) am Bug an­ge­schal­tet, so­dass zu­min­dest un­se­re Um­ge­bung er­hellt blieb. Dies galt lei­der nicht für mich, denn of­fen­bar hat­te Sil­vio alle sons­ti­gen Lam­pen an Bord ver­kauft, um den Schein­wer­fer zu be­zah­len.

Noch wa­ren nur Stei­ne und Fel­sen, Sta­lak­ti­ten und pel­zi­ge Mons­ter an der De­cke zu se­hen …

Pel­zi­ge Mons­ter? Bei mir schrill­ten alle Alarm­glo­cken. Oder war es mein Mo­bil­te­le­fon? Ich schau­te nach. Tat­säch­lich, es war …

Ein Schrei! Nein, das konn­te nicht mein Klin­gel­ton sein, son­dern Sil­vio. Ich zog au­gen­blick­lich mei­ne De­sert Eag­le, ent­si­cher­te sie und rann­te zu mei­nem Ka­pi­tän. Na­tür­lich pack­te ich auch mei­ne Spe­zi­al­ta­schen­lam­pe aus, sonst wäre ich schnel­ler nass ge­wor­den als beim Strand­ur­laub in Is­land.

Vor mir sah ich Sil­vio, wie er ver­zwei­felt ver­such­te, die­ses Ding von sich he­run­ter zu be­kom­men. Es hat­te sei­nen ge­sam­ten Kör­per um­schlun­gen und schien da­bei aus meh­re­ren rund­li­chen und läng­li­chen Glie­dern zu bes­te­hen. Die­ses Ding hat­te zu­dem ein strah­lend blau­es Fell, wie ich es zu­letzt bei den Plüsch­tie­ren mei­ner Toch­ter ge­se­hen hat­te. Und es fauch­te. Fauch­te?

Lei­der konn­te ich das Vieh nicht in den Ku­schel­tier­him­mel schi­cken, sonst hät­te ich wo­mög­lich noch Sil­vio ge­trof­fen. Der Ka­pi­tän tor­kel­te keu­chend und mit den Ar­men ru­dernd über das Deck, bis er schließ­lich un­ver­meid­li­cher­wei­se ge­gen die Re­ling stieß und über Bord fiel.

Für ihn konn­te ich jetzt nichts mehr tun. Erst ein­mal ging es da­rum, den Kahn zum Ste­hen zu brin­gen, be­vor ich Sil­vio im Was­ser Ge­sell­schaft leis­ten müss­te. Mit vol­ler Kraft drück­te ich den Brems­he­bel nach un­ten. Der Kut­ter ächz­te da­bei so er­bärm­lich auf, dass ich fast Mit­leid be­kam. Schließ­lich ging der Mo­tor aber doch den Weg al­les Ir­di­schen.

In den letz­ten Mi­nu­ten hat­te ich mich kaum auf mei­ne Um­ge­bung kon­zen­trie­ren kön­nen. Nun konn­te ich mich in al­ler Ruhe um­se­hen – und sah ein fla­ckern­des Licht nur gut fünf­zig Me­ter vor mir. Folg­lich muss­te es ir­gend­wo eine freie Flä­che in der Höh­le ge­ben.

Ich leuch­te­te über den Rand des Schif­fes. Wahr­haf­tig, di­rekt un­ter der Strick­lei­ter, die an Bord führ­te, be­gan­nen die Aus­läu­fer von fes­tem Bo­den – Erd­bo­den.

Die­se Mög­lich­keit ließ ich mir na­tür­lich nicht ent­ge­hen. Ich klet­ter­te hi­nun­ter und hat­te end­lich wie­der fes­ten Bo­den un­ter mir.

So weit, so gut. Kaum dass mei­ne Füße den Bo­den ge­küsst hat­ten, hör­te ich schon lei­se Schrit­te. Ob das Emp­fangs­ko­mi­tee kam? Ich schau­te mir mit­hil­fe mei­ner Ta­schen­lam­pe die Um­ge­bung an.

Tat­säch­lich, da kam et­was auf mich zu. Noch ein Ku­schel­tier­mons­ter, dies­mal in Grün. Dies­mal konn­te ich es ge­nau­er er­ken­nen. Es be­stand aus ins­ge­samt fünf Glie­dern, von de­nen die mitt­le­ren drei je­weils mit ei­nem Bein­paar be­stückt wa­ren. Nun ja, ‚Bei­ne’ war viel­leicht über­trie­ben, es wa­ren eher fell­be­wach­se­ne Stan­gen, die an drei­glied­ri­gen Füß­chen en­de­ten. Mit ih­nen reich­te mir das We­sen etwa bis zum Bauch­na­bel. Doch das Schlimms­te an ihm war der Mund, oder bes­ser, das ver­zerr­te Maul. Grin­send, in die Län­ge ge­zo­gen, mit zwei Rei­hen stift­gro­ßer Reiß­zäh­ne be­stückt. Die lieb­li­chen blau­pu­pil­li­gen Au­gen schien das Ding von ei­nem weib­li­chen Pop­stern­chen ge­klaut zu ha­ben.

Gei­fer tropf­te auf dem Bo­den, als es mir lang­sam ent­ge­gen trot­te­te. Plötz­lich spann­ten sich alle Glie­der an. Nur eine Se­kun­de spä­ter flog mir das We­sen ent­ge­gen.

Ge­schickt wich ich nach links aus, und das Ku­schel­mons­ter se­gel­te im ho­hen Bo­gen ge­gen die Bord­wand. Ein lau­tes Klat­schen war zu hö­ren, dann sack­te es nach un­ten. Kaum auf den Bo­den auf­ge­kom­men, wand­te es sich wie­der mir zu. Das Kopf­glied sah nun al­ler­dings eher wie ein Halb­mond aus.

Doch dies­mal war ich vor­be­rei­tet. Mei­ne De­sert Eag­le im An­schlag, gönn­te ich dem We­sen ein paar letz­te Wor­te. »Ku­schel mit der Ku­gel!«

Dann drück­te ich ab. Das Ge­schoss traf mit­ten in das platt ge­drück­te Ge­sicht. Fleisch­fet­zen flo­gen mir ent­ge­gen, als das vor­ders­te Glied ex­plo­dier­te. Ich konn­te ge­ra­de noch aus­wei­chen, sonst wäre mein kost­ba­rer An­zug un­wie­der­bring­lich ver­lo­ren ge­we­sen.

Die­ses We­sen war er­le­digt, aber wie vie­le wür­den wohl noch auf mich lau­ern?

Ich wand­te mich wie­der dem Fa­ckel­schein zu. Of­fen­bar war schon je­mand vor mir hier an­ge­kom­men, denn die Ku­schel­tier­mons­ter wür­den wohl kaum mit ih­nen ku­scheln wol­len.

Mit schnel­len Schrit­ten lief ich auf das Licht zu. Es schien aus ei­nem Gang zu kom­men, der in den Fels ge­schla­gen war. Ich schau­te hi­nein.

Der Gang ver­lief wohl noch et­was wei­ter, doch schon an der ers­ten Bie­gung ent­deck­te ich eine Fa­ckel. Doch sie konn­te nicht die Ein­zi­ge sein, denn das Licht brei­te­te sich noch wei­ter in die Gän­ge aus.

Lang­sam kam ich mir vor wie in ei­nem Irr­gar­ten, in dem ich mich ein­mal als Kind ver­lau­fen hat­te. Doch schließ­lich fand ich ein Ziel.

Vor mir tat sich eine hoch­ge­wölb­te grö­ße­re Höh­le auf. Im Licht­schein meh­re­rer Fa­ckeln grab­bel­te min­des­tens ein hal­bes Dut­zend die­ser Ku­schel­tier­mons­ter auf dem Bo­den, an den Wän­den und an der De­cke des Höh­len­saals.

Ich drück­te mich an die Sei­ten­wand des Gangs, um mehr se­hen zu kön­nen, ohne dass die Mons­ter mich als Mitt­ag­es­sen aus­ma­chen konn­ten.

Im Hin­ter­grund der Höh­le be­fand sich ein be­son­ders gut aus­ge­leuch­te­tes Po­dest. Nein, es war mehr ein Al­tar. Eine Trep­pe führ­te ei­nen Fels hoch, an des­sen Spit­ze et­was hell auf­blitz­te. Hat­te ich den Schatz ge­fun­den?

Plötz­lich er­schien eine Ge­stalt auf dem Al­tar. Ein of­fen­bar recht dün­ner, aber den­noch mus­ku­lö­ser Mann mit kurz ge­scho­re­nen schwar­zen Haa­ren und ei­nem Drei­ta­ge­bart. Er trug ein wei­ßes Shirt, da­rü­ber eine schwar­ze Wes­te. Au­ßer­dem er­kann­te ich noch, dass er ein paar Halb­hand­schu­he trug, die die Fin­ger frei­lie­ßen. Der Rest sei­nes Kör­pers ver­schwand hin­ter dem Al­tar.

Ich muss­te schon ge­nau hin­hö­ren, um die zi­scheln­de Stim­me des Man­nes hö­ren zu kön­nen.

»End­lich habe ich dich, mei­nen sü­ßen Ka­ter.«

Aha, um ei­nen Ka­ter ging es also. Auf dem Flug nach Rio hat­te ich auch ei­nen be­kom­men, aber da­für hat­te ich mich nicht mit Ku­schel­mons­tern ein­las­sen müs­sen.

Lang­sam drück­te ich mich in den Saal, mit der De­sert Eag­le auf den Mann zie­lend. Mei­ne Stim­me durch­brach sein eu­pho­ri­sches Grin­sen. »Weg von dem Al­tar! Los, ich will ihre Hän­de se­hen!«

Der Mann zuck­te zu­sam­men. Kurz da­rauf hat­te er sich wie­der ge­fan­gen und grins­te höh­nisch. Na­tür­lich tat er nicht das, was ich ihm be­foh­len hat­te.

»Wuss­te ich doch, dass die TCA Sie schi­cken wür­de, Spi­der. Ich habe Sie schon er­war­tet.«

Ich zog mei­ne lin­ke Au­gen­braue hoch. »Sehr schön, dann wis­sen Sie ja, was jetzt folgt. Ge­hen Sie von dem Kätz­chen weg.«

Der Mann ver­dreh­te die Au­gen. »Das ist ein Ka­ter, Spi­der! Wis­sen Sie ei­gent­lich, was das ist?«

»Das männ­li­che Pen­dant zu ei­ner Kat­ze.«

Der Mann auf dem Al­tar zuck­te zu­rück und krall­te sei­ne Hän­de vor Wut zu­sam­men. »Na­tür­lich ist es das! Aber was Sie hier auf dem Al­tar ste­hen se­hen, ist der gol­de­ne Ka­ter der Inka. Ein Heil­ig­tum, eine un­glaub­lich wert­vol­le Hin­ter­las­sen­schaft. Ein­ma­lig auf die­ser Welt. Und jetzt ge­hört sie mir.«

»Nicht, so­lan­ge ich Sie noch auf­hal­ten kann. Wer sind Sie über­haupt?«

»Ich hei­ße Ray­mond Ster­ling. Aber für Sie ger­ne auch Ray. Mer­ken Sie sich den Na­men, denn es wird das Letz­te sein, was Sie in Ih­rem Le­ben ge­hört ha­ben. Mei­ne Mon­chop­pies wer­den Sie zu Hack­fleisch ver­ar­bei­ten.«

Auch wenn ich da­mit noch ei­nen Na­men vor mei­nem an­geb­li­chen Tod ge­hört hat­te, ich ach­te­te eher auf die Be­zeich­nung ‚Mon­chop­pies’. Die­ser selt­sa­me Name pass­te wirk­lich zu die­sen noch selt­sa­me­ren Vie­chern.

»Fasst ihn, mei­ne Klei­nen!«

Ob er auch mit ih­nen ku­schel­te? Mir war es im Mo­ment egal. Ich muss­te mei­ne ei­ge­ne Haut ret­ten.

Ich setz­te mei­ne De­sert Eag­le an. Doch nicht etwa auf die Mon­chop­pies, son­dern auf Ray. Mei­ne ers­te Ku­gel sirr­te nur knapp an sei­nem Ohr vor­bei, schlug ge­gen die Fels­wand und schwirr­te als Quer­schlä­ger der De­cke ent­ge­gen. Kurz da­rauf hör­te ich ein ent­setz­tes Quie­ken.

Die Ku­gel hat­te ei­nes der We­sen an der De­cke er­wischt. Blu­ti­ge Fet­zen flo­gen durch die Luft, als das We­sen dem Bo­den ent­ge­gen­stürz­te. Da­bei traf es ei­nen wei­te­ren Mon­chop­pie, der durch den he­run­ter­stür­zen­den Ka­da­ver ge­köpft wur­de.

Doch der Kör­per lief wei­ter, dreh­te sich fu­ri­os um die ei­ge­ne Ach­se und be­spritz­te zwei wei­te­re Mon­chop­pies mit sei­nem gel­ben Blut. Es zisch­te, als sich der Le­bens­saft wie Säu­re in die Fel­le der We­sen ein­brann­te. Die an­de­ren Mon­chop­pies lie­fen in Pa­nik kreuz und quer durch die Höh­le. Ei­ner von ih­nen stieß eine Fa­ckel um und fing Feu­er.

Im Hin­ter­grund eil­te Ster­ling die Trep­pe des Al­tars hi­nun­ter, den gol­de­nen Ka­ter, der un­ge­fähr so groß wie ein nor­ma­ler Ka­ter war, mit dem rech­ten Arm um­schlun­gen. Ich muss­te ihn auf­hal­ten.

»Ster­ling, blei­ben Sie ste­hen.«

Ray­mond Ster­ling lief na­tür­lich wei­ter, brüll­te mir aber noch et­was ent­ge­gen. »Hat schon mal je­mand da­rauf ge­hört?«

»Nein, Ster­ling, Sie sind der Ers­te, dem ich das zu­ru­fe.«

Ray brüll­te wie irre auf, griff in sei­ne Ta­sche und warf mir eine graue Ku­gel ent­ge­gen. »Schnup­per Gas, Spi­der!«

Gas war es glück­li­cher­wei­se nicht, da­für grau­er Rauch, der mir die Sicht ver­ne­bel­te. Ir­gend­wo im Hin­ter­grund klack­te und ru­ckel­te es. Durch den Rauch konn­te ich ge­ra­de so sche­men­haft er­ken­nen, dass Ster­ling in der Wand ver­schwand.

In der Wand? Der Kerl muss­te ei­nen Ge­heim­gang ge­fun­den ha­ben.

Be­vor ich ihn ver­fol­gen konn­te, kreuz­te der bren­nen­de Mon­chop­pie, der schrei­end und ziel­los um­her­lief, mei­nen Weg. Dann schließ­lich rann­te ich Ster­ling hin­ter­her.

Durch den Rauch fand ich den Ge­heim­zu­gang. Eine Trep­pe führ­te auf ge­ra­dem Weg nach oben. Am Ende des Auf­gangs konn­te ich ei­nen klei­nen Licht­punkt er­ken­nen.

Zum Glück nahm ich je­des Jahr bei der tra­di­ti­o­nel­len Ei­ffel­turm-Trep­pen­lauf-Meister­schaft teil, so­dass es kein Prob­lem für mich war, mit Ster­ling Schritt zu hal­ten. Wäh­rend ich mit dem Auf­stieg erst be­gann, hat­te mein Geg­ner be­reits die Hälf­te der Stre­cke hin­ter sich.

Im Lau­fen ziel­te ich mit der De­sert Eag­le auf ihn und schoss. Di­rekt ne­ben sei­nem lin­ken Ohr blitz­te es auf, als die Ku­gel in die Gang­wand ein­schlug. Wei­te­re Fun­ken sprüh­ten, als die Ku­gel (eine Spe­zi­al­an­fer­ti­gung aus den Ku­gel­schmie­den von Tim­buk­tu – die Ku­gel blieb beim Auf­prall stets sta­bil) ei­ni­ge wei­te­re Male als Quer­schlä­ger über die Trep­pe tanz­te. Ster­ling duck­te sich und kroch wei­ter auf­wärts.

Hin­ter mir hör­te ich ein Fau­chen. Ich dreh­te mich au­gen­blick­lich um. Der letz­te Mon­chop­pie stand gei­fernd und mit weit auf­ge­ris­se­nem Maul hin­ter mir, die Au­gen im blan­ken Wahn­sinn ver­dreht. Es war wie­der das blaue Vieh. An sei­nen Zäh­nen hin­gen noch die Res­te von Sil­vi­os Ka­pi­täns­müt­ze. Ich konn­te nicht mehr re­a­gie­ren, denn der Mon­chop­pie sprang mir be­reits ent­ge­gen. Gleich­zei­tig hör­te ich von hin­ten ein lau­tes Sir­ren. Geis­tes­ge­gen­wär­tig zog ich mei­nen Kopf ein. Die eben von mir ab­ge­feu­er­te Ku­gel surr­te über mich hin­weg und traf den Mon­chop­pie punkt­ge­nau zwi­schen die Au­gen.

Um sein ex­plo­si­ves Ende konn­te ich mich nicht mehr küm­mern, denn ich muss­te Ster­ling wei­ter ver­fol­gen. Der Kerl hat­te be­reits ei­nen or­dent­li­chen Vor­sprung, doch durch mei­ne aus­ge­zeich­ne­ten Trep­pen­steig­küns­te hol­te ich schnell auf, so­dass uns am Ende des Gan­ges nur noch we­ni­ge Me­ter trenn­ten.

Der Auf­gang mün­de­te in ei­nem klei­nen Pla­teau, das an ei­ner der Sei­ten des Zu­cker­hu­tes lie­gen muss­te. Die glei­ßen­den Strah­len der Son­ne blen­de­ten mich, so­dass ich mei­ne fir­men­ei­ge­ne Son­nen­bril­le über­zog. Sie schütz­te nicht nur vor den blen­den­den Strah­len, son­dern spie­gel­te auch das Son­nen­licht zu­rück, so­dass alle, die sich in mei­ner Nähe be­fan­den, selbst ge­blen­det wur­den. In die­sem Fall traf es Ray­mond Ster­ling, der sich mir zu­ge­wandt hat­te und den gol­de­nen Ka­ter in sei­nen Hän­den hielt. Er schrie ent­setzt auf und wand­te sich wie­der von mir ab, wäh­rend er wei­ter auf den Rand des Pla­teaus zu rann­te.

Über mir hör­te ich das Rat­tern ei­nes Hub­schrau­bers. Er flog über mei­nen Kopf hin­weg, di­rekt auf den Rand des Pla­teaus zu.

Ster­ling dreh­te sich mir noch ein­mal zu, die Au­gen zu Schlit­zen ver­knif­fen, wäh­rend er mir eine Lu­ger-Pis­to­le ent­ge­gen­hielt.

»Kei­nen Schritt wei­ter, Spi­der. Du hast zwar mei­ne Lieb­lin­ge ge­tö­tet, aber den Schatz be­kommst du nicht.«

Ich ziel­te mit mei­ner De­sert Eag­le eben­falls auf ihn. »Her mit dem Kätz­chen. Es ist vor­bei.«

»Arggghhh! Es ist ein Ka­ter, ver­flucht noch mal. Be­grei­fen Sie das nicht? Ein Ka­ter! Kaaa­teeee­er …«

Noch wäh­rend sei­nes Schreis warf er sich he­rum und sprang der of­fe­nen Tür des Hub­schrau­bers ent­ge­gen. Kaum hat­te er das schwar­ze Flug­ge­fährt er­reicht, dreh­te der Pi­lot ab.

Wäh­rend er da­von­flog, feu­er­te Ster­ling auf mich. Ich brach­te mich mit ei­nem Hecht­sprung in Si­cher­heit, wäh­rend die Ku­geln in den Erd­bo­den des Pla­teaus ein­schlu­gen.

Trotz des Rat­terns der Hub­schrau­ber­flü­gel hör­te ich noch den Ab­schieds­gruß von Ray. »Wir wer­den uns wie­der­se­hen, Spi­der. Und dann wirst du Mon­chop­pie-Fut­ter.«

Ich sah noch kurz, wie der Hub­schrau­ber da­von­flog, der strah­len­den Mit­tags­son­ne ent­ge­gen.

Wü­tend steck­te ich mei­ne De­sert Eag­le weg.

Ich has­se es, wenn ein Plan nicht funk­ti­o­niert. In die­sem Fall der Plan, den Schatz des Zu­cker­hu­tes zu fin­den. Zu­min­dest wuss­te ich, dass ich Ster­ling min­des­tens noch ein­mal be­geg­nen wür­de. Kein ent­kom­me­ner Geg­ner sprach so eine An­kün­di­gung aus, wenn er mir nicht in ei­nem wei­te­ren Aben­teu­er die Sup­pe ver­sal­zen woll­te.

Dies brach­te mir ei­nen klei­nen Trost, und so zün­de­te ich mir eine zum Glück nicht ver­sal­ze­ne Zi­gar­re an …

Copyright © 2008 by Raphael Marques