Die Geheimnisse Londons – Band 1- Kapitel 5
George W.M. Reynolds
Die Geheimnisse Londons
Band 1
Kapitel 5
Geeignete Bekannte
Vier Jahre vergingen.
Während dieser Zeit erreichte den verzweifelten Vater und den unglücklichen Bruder keine Nachricht von dem verstoßenen Sohn. Alle Bemühungen des Vaters, eine Spur des Flüchtigen zu finden, blieben erfolglos. Er gab beträchtliche Summen dafür aus, sandte Boten in alle großen Industriestädte Englands und in die wichtigsten Hauptstädte Europas, um Informationen über denjenigen zu erhalten, den er als verlorenen Sohn wieder aufgenommen und zu dessen Rückkehr er das gemästete Kalb geschlachtet hätte – doch all seine Bemühungen, den Aufenthaltsort seines Sohnes ausfindig zu machen, blieben erfolglos.
Nach vier Jahren sank er schließlich in den Tod – Opfer eines gebrochenen Herzens!
Einige Tage vor seinem Tod verfasste er ein Testament zugunsten seines verbliebenen Sohnes. Dessen Vormundschaft vertraute er einem Mister Monroe an, einem wohlhabenden Kaufmann aus der Stadt und alten, aufrichtigen Freund.
So wurde Richard im Alter von neunzehn Jahren sein eigener Herr mit einer großzügigen Zuwendung für seinen Lebensunterhalt und der Aussicht auf ein großes Vermögen in zwei Jahren. Mr. Monroe, der großes Vertrauen in die Besonnenheit und Beständigkeit des jungen Mannes hatte, erlaubte ihm, in der alten Familienresidenz zu wohnen und mischte sich so wenig wie möglich in sein Leben und seine Unternehmungen ein.
Der alte Wohnsitz der Familie Markham war ein geräumiges und komfortables, jedoch schwer und düster wirkendes Gebäude. Dieser Eindruck wurde durch die ehrwürdigen Bäume, die eine dichte grüne Umfriedung um das Gebäude bildeten, noch verstärkt. Das dazugehörige Grundstück war nicht sehr groß, aber geschmackvoll angelegt. Innerhalb der Umfriedung, über die sich Richard Markhams Herrschaft erstreckte, befand sich ein grüner Hügel, der von zwei Eschen überragt wurde. Von der Spitze dieser Anhöhe konnte man die mächtige Metropole in ihrer ganzen Weite sehen – jene Metropole, deren einziges Herz von so vielen widersprüchlichen Leidenschaften, widerstreitenden Interessen und gegensätzlichen Gefühlen bewegt wurde.
Vielleicht vermitteln ein Dutzend Seiten mit ausführlichen Beschreibungen dem Leser keine bessere Vorstellung von den Charakteren und Veranlagungen der beiden Brüder als das, was bereits durch ihre Gespräche und ihr Verhalten im vorangegangenen Kapitel vermittelt wurde. Eugene war ganz Egoismus und Selbstsucht, Richard ganz Großzügigkeit und Offenheit: der eine hinterlistig, schlau und gerissen, der andere ehrenhaft bis zur Schwäche.
Mit Eugene haben wir vorerst wenig zu tun, denn der Verlauf unserer Erzählung folgt dem Schicksal von Richard Markham.
Der Charakter dieses jungen Mannes war zurückhaltend, aber keineswegs menschenfeindlich oder melancholisch. Diese Eigenschaft resultierte lediglich aus seiner häuslichen Lebensweise. Er widmete sich literarischen Beschäftigungen und verbrachte oft ganze Stunden in seinem Arbeitszimmer, wo er sich in wissenschaftliche und lehrreiche Werke vertiefte. Wenn er an die frische Luft ging, zog er lange Spaziergänge durch die Felder in der Umgebung seines Wohnorts einer Parade mit seinem edlen Pferd in den belebten Vierteln des West Ends von London vor.
Dennoch erschien Richard an einem schönen Nachmittag im August 1835 unter den Flanierenden im Hyde Park. Er war zu Fuß unterwegs, tief trauernd gekleidet, doch sein hübsches Gesicht, seine symmetrische Gestalt und sein durch und durch vornehmes und bescheidenes Auftreten zogen die Aufmerksamkeit auf sich.
Das Parlament war zwei Wochen zuvor vertagt worden und angeblich war ganz London aus der Stadt. Allerdings war offensichtlich, dass ein beträchtlicher Teil der Stadtbevölkerung in der Stadt war, denn es rollten viele prächtige Kutschen die Allee entlang und der Park war gut besucht von gut gekleideten Gruppen und vereinzelten modisch gekleideten Herren.
Aus den vorbeifahrenden Kutschen richteten sich viele strahlende Augen für einen Moment auf Richard. In diesen Kutschen fehlte es nicht an jungen Frauen, deren Herzen angesichts des Kontrasts zwischen diesem hohen, eleganten Jüngling, der voller Kraft und Gesundheit steckte und dessen Gesicht vor Intelligenz strahlte, und den alten, ausgemergelten Ehemännern, die neben ihnen saßen, höher schlugen. Deren Reichtum hatte ihnen zwar die Hände, aber niemals die Herzen der Frauen erkauft.
Richard, der von seinem Spaziergang müde geworden war, setzte sich auf eine Bank und betrachtete das lebhafte Treiben vor ihm mit Interesse. Er war damit beschäftigt, als er plötzlich von einem Fremden angesprochen wurde, der sich ungezwungen neben ihn setzte und einige belanglose Bemerkungen an ihn richtete.
Dieser Mann war etwa dreiundzwanzig Jahre alt, elegant gekleidet, hatte angenehme Manieren und ein gewinnendes Äußeres. Unter dieser oberflächlichen Fassade der Vornehmheit hätte ein schärferer Blick als der von Richard Markham eine gewisse Prahlerei in seinem Gang und eine Art verwegenen Leichtsinns entdeckt. Diese Eigenschaften übten auf vulgäre oder unerfahrene Menschen eine bewundernswerte Wirkung aus, waren aber nicht geeignet, bei einem erfahrenen Mann von Welt sofort Vertrauen zu wecken. Richard war jedoch selbst ganz offen und ehrlich und scheute sich nicht, auf die Bemerkung des Fremden eine Antwort zu geben, die zu einer weiteren Unterhaltung anregen sollte.
»Ich sehe, der Graf ist wieder unterwegs«, bemerkte der Fremde und folgte mit den Augen einem der Reiter auf der Auffahrt. »Armer Kerl! Er spielt schon lange Verstecken.«
»Wirklich? Und warum?«, rief Richard.
»Sind Sie fremd in London, Sir?«, rief der gut gekleidete Herr und wandte seinen Blick von dem Reiter zu Markham, auf dessen Gesicht er mit einem Ausdruck der Überraschung und des Interesses ruhte.
»Fast, obwohl ich mein ganzes Leben lang in der unmittelbaren Umgebung gewohnt habe«, antwortete Richard und erzählte seinem neuen Bekannten mit der natürlichen Offenheit der Jugend sofort seine ganze Geschichte von Anfang bis Ende. Es gab zwar nicht viel zu erzählen, doch der Fremde erfuhr, wer der junge Mann war, unter welchen Umständen er lebte und welches Vermögen er besaß bzw. in Zukunft erwarten konnte.
»Sie wollen also das Leben kennenlernen?«, fragte der Fremde.
»Gewiss. Ich habe die große Welt bereits anhand von Büchern studiert.«
»Aber Sie wissen doch, dass nichts über Erfahrung geht.«
»Ich verstehe, dass Erfahrung für einen Mann, der ein Vermögen machen will, notwendig ist, aber nicht für einen, der bereits eines hat.«
»Oh, ganz entschieden!«
Es ist oft schwieriger, ein Vermögen zu behalten, als es zu erwerben.«
»Wie, wenn ich nicht spekuliere?«
»Nein, aber andere werden mit Ihnen spekulieren.«
»Ich kann Sie wirklich nicht verstehen. Da ich mein Vermögen nicht vergrößern möchte, weil ich genug habe, werde ich weder damit spekulieren noch zulassen, dass andere damit für mich spekulieren. So kann ich das, was ich besitze, nicht riskieren zu verlieren.«
Der Fremde blickte Markham eine Minute lang halb ungläubig an, dann zeigte sein Gesicht ein spöttisches Lächeln.
»Sie haben noch nie gespielt?«
»Gespielt? Was denn?«
»Karten, um Geld, meine ich.«
»Oh, niemals!«
»Umso besser. Tun Sie es auch niemals. Es sei denn«, fügte der Fremde hinzu, »es geschieht ausschließlich unter Freunden und ehrenhaften Männern. Möchten Sie sich meines bescheidenen Wagens bedienen und eine Runde auf der Allee drehen?«
Während er sprach, deutete der Fremde auf einen sehr schönen Phaeton mit zwei Pferden, der in einiger Entfernung stand und von einem adretten Diener in hellblauer Livree mit silberner Spitze bedient wurde.
»Darf ich die Ehre haben, den Namen eines Herrn zu erfahren, der mir so viel Freundlichkeit entgegenbringt?«
»Mein lieber Herr, ich muss mich wirklich für meine Unterlassung entschuldigen. Sie haben mir Ihre Umstände so offen anvertraut, dass ich Ihnen nur mit gleichem Vertrauen begegnen kann. Außerdem sind solche Mitteilungen unter Ehrenmännern notwendig«, fuhr er fort und betonte besonders das Wort, das nur allzu oft missbraucht wird. Ich mag diese Art von Vertrautheit nicht, die auf nichts haltbaren Gründen beruht und sich derzeit in London so sehr verbreitet. Nichts ist beispielsweise üblicher, als dass ein Gentleman einen anderen in der Bond Street, im Park oder in der Burlington Arcade trifft und der eine zum anderen sagt: ›Mein lieber Freund, wie geht es Ihnen?‹
›Sehr gut, alter Freund, danke, aber übrigens, ich habe Ihren Namen vergessen!‹ Aber«, fügte der modische Gentleman mit einem Lächeln hinzu, »hier ist meine Visitenkarte. Ich wohne im Long’s Hotel, mein Landsitz ist in Berkshire und mein Jagdhaus in Schottland, wo ich mich sehr freuen würde, Sie zu sehen.«
Richard, der nicht nur von der Offenheit und Herzlichkeit seines neuen Freundes sehr angetan, sondern auch erfreut und amüsiert war, bedankte sich für die Einladung, warf einen Blick auf die Visitenkarte und sagte: »Ich freue mich darauf, Sie in Schottland zu treffen.« Da erkannte er, dass er mit dem Honourable Arthur Chichester sprach.
Als sie zum Phaeton gingen, sprach ein elegant gekleideter Herr mittleren Alters mit besonders charmanten Manieren Mr. Chichester an.
»Ah! Wer hätte gedacht, Sie hier zu treffen – wo London gerade wie ausgestorben ist und ich mich schäme, noch hier zu sein? Unser gemeinsamer Freund, der Herzog, versicherte mir, Sie seien nach Italien gereist!«
»Der Herzog macht immer Witze auf meine Kosten«, erwiderte Mr. Chichester. »Er war einmal der Grund, dass eine sehr hübsche junge Frau Selbstmord begangen hat. Sie war die Einzige, die ich je geliebt habe. Eines Tages erklärte er ihr in ihrer Gegenwart, dass ich nach Amerika eingeschifft worden sei. Die Arme! Sie ging direkt in ihr Zimmer und –«
»Und?«, wiederholte Richard.
»Sie nahm Gift!«, fügte Mr. Chichester hinzu, wandte für einen Moment den Kopf ab und zog sich ein elegantes Batisttaschentuch über die Augen.
»Gütiger Gott!«, rief Markham aus.
»Ich möchte Sie nicht mit meinen privaten Leiden belasten. Sir Rupert, darf ich Ihnen meinen Freund Mr. Markham vorstellen? Mr. Markham, Sir Rupert Harborough.«
Die beiden Herren verneigten sich und die Vorstellung war vollzogen.
»Wohin sind Sie unterwegs?«, fragte Sir Rupert.
»Wir hatten an eine Stunde Kutschfahrt gedacht«, antwortete Mr. Chichester gemächlich. »Und dann wollte ich meinen Freund Mr. Markham zum Abendessen bei Long’s einladen. Würden Sie uns begleiten, Sir Rupert?«
»Bei meiner Ehre, nichts würde mir mehr Freude bereiten, aber ich habe mit dem Herzog in Tattersall’s verabredet und Diana feierlich versprochen, mit ihr zu Abend zu essen und den Abend zu verbringen.«
»Immer galant, immer aufmerksam gegenüber den Damen!«, rief Mr. Chichester aus.
»Sie wissen doch, mein lieber Freund, dass Diana so liebenswürdig, so talentiert, so faszinierend, so vollendet und so bezaubernd ist, dass ich ihr nichts abschlagen kann. Es stimmt zwar, dass ihre Wünsche und Launen manchmal etwas kostspielig sind, aber –«
»Harborough, ich bin überrascht von Ihnen! Sie beschweren sich über die Launen der schönsten Frau Londons, wenn nicht sogar Englands? Sie, ein Mann mit einem Jahreseinkommen von 7 000 Pfund, der beim Tod seines Onkels …«
»Bei meiner Ehre, ich gönne ihr alles!«, unterbrach Sir Rupert ihn und strich sich selbstgefällig mit seiner eleganten Hand über das Kinn. »Aber übrigens, wenn Sie mir und Diana heute Abend die Ehre Ihrer Gesellschaft erweisen würden – und wenn Mr. Markham sich ebenfalls herablassen würde …«
»Mit großem Vergnügen«, sagte Mr. Chichester. »Und ich bin sicher, dass mein Freund Mr. Markham diese Gelegenheit nutzen wird, um die schönste und faszinierendste Frau Englands kennenzulernen.«
Richard verbeugte sich. Er wagte keine Ausrede. Er hatte gehört, wie er als Freund des ehrenwerten Mr. Arthur Chichester bezeichnet worden war. Seine Ohren hatten einen Hinweis auf ein Abendessen bei Longs aufgefangen. Er kannte diesen Ort aus Berichten als Hauptquartier jener Schicht der mondänen Welt, die aus jungen, unverheirateten Herren bestand. Und nun fand er sich plötzlich dazu verpflichtet, den Abend mit Sir Rupert Harborough und einer Dame zu verbringen, von der er nur wusste, dass sie Diana hieß und das schönste und faszinierendste Geschöpf Englands war.
All dies war wahrlich genug, um ihn zu blenden, und so fügte er sich dem Willen von Mr. Arthur Chichester.
Sir Rupert Harborough erinnerte sich daran, dass er den Herzog nicht warten lassen durfte. Nachdem er Mr. Chichester die Spitze seines zitronengelben Handschuhs geküsst und Markham eine halb zeremonielle, halb gnädige Verbeugung gemacht hatte – jene Art von Verbeugung, deren Förmlichkeit durch das damit einhergehende freundliche Lächeln gemildert wird –, eilte er davon.
Als seltsamen Umstand und als Beweis dafür, wie wenig es ihm bedeutete, den Herzog warten zu lassen, kann jedoch erwähnt werden, dass er nicht zu Tattersall’s ging, sondern in Richtung Oxford Street davonlief.
Richard blieb dieser kleine Zwischenfall jedoch verborgen – aus dem einfachen Grund, dass er zu dieser Zeit seines Lebens nicht wusste, wo Tattersall’s lag.
»Was halten Sie von meinem Freund, dem Baronet?«, fragte Mr. Chichester, während sie gemächlich in dem eleganten Phaeton die Drive entlangfuhren.
»Ich bin sehr angetan von ihm«, antwortete Richard, »und wenn Ihre Ladyschaft nur halb so angenehm ist wie ihr Gatte …«
»Entschuldigen Sie, aber Sie dürfen sie nicht Ihre Ladyschaft nennen. Sprechen Sie sie einfach mit Mrs. Arlington an.«
»Ich verstehe wirklich nicht, was Sie damit sagen wollen.«
»Mein lieber Freund«, sagte Chichester und senkte die Stimme, obwohl keine Gefahr bestand, dass jemand mithören konnte, »Diana ist nicht die Frau von Sir Rupert Harborough. Der Baronet ist unverheiratet, und diese Dame …«
»… ist seine Geliebte«, fügte Markham hastig hinzu. »In diesem Fall werde ich die freundliche Einladung für heute Abend ganz sicher nicht annehmen.«
»Unsinn, mein lieber Freund! Sie müssen Ihr Verhalten den Gepflogenheiten Ihres Umfelds anpassen. Sie gehören zur Aristokratie – wie ich – und wie der Baronet! In der Oberschicht ist eine Frau, selbst wenn man eine hat, nur eine Last. Nichts zeugt so sehr von mangelnder Vornehmheit wie eine frühe Heirat und Kinder, pah! Sie sind der Inbegriff der Vulgarität! Außerdem hat jeder Mann von Welt in London eine Geliebte, sei es auch nur, um seinen Freunden zu gefallen. Das ist in der Aristokratie durchaus zulässig. Ich möchte jedoch betonen, dass ich die Unmoral nicht befürworte: Ich möchte nicht, dass jeder Metzger, Teehändler und Leinenhändler dasselbe tut. Gott bewahre! Das wäre in der Tat der Gipfel der Verderbtheit!«
»Da es Mode ist und Sie mir versichern, dass an dieser Verbindung zwischen dem Baronet und Mrs. Arlington nichts auszusetzen ist – zumindest, dass die Gepflogenheiten der hohen Gesellschaft dies zulassen –, werde ich keine weiteren Skrupel äußern«, sagte Richard, obwohl er eine leise Ahnung hatte, dass die Lehre, die sein Begleiter gerade dargelegt hatte, nicht auf den tragfähigsten Grundlagen beruhte.
Es war nun halb sieben Uhr abends und eine nach der anderen zog eine prächtige Kutsche oder ein fröhlicher Reiter in rascher Folge davon. Das Wetter war dennoch herrlich schön, es war sogar der bezauberndste Teil des ganzen Tages. Der Himmel war von einem sanften, klaren Azurblau, auf dem hier und da dünne, schneeweiße, regungslose Wolken standen, denn kein Windhauch bewegte die Blätter der Bäume. Nie hatten Neapel, Albano oder Sorrent einen schöneren Horizont zu bieten. Als die Sonne am westlichen Horizont versank, tauchte sie alles, was das Auge umfassen konnte – Erde und Himmel, Häuser und Haine, Gärten und Felder – in ein herrliches goldenes Licht.
Um sieben Uhr setzten sich Mr. Chichester und sein neuer Bekannter zum Abendessen in den Kaffeesalon des Long’s Hotels. Die Schildkröte war vorbildlich, der Eispunsch makellos. Dann kamen der saftige Wildhals und der erstklassige Madeira. Das Abendessen verlief sehr angenehm und Richard war immer mehr von seinem neuen Freund fasziniert. Er war jedoch etwas erstaunt über die riesigen Mengen an Wein, die der ehrenwerte Mr. Chichester offenbar ohne die geringste Unannehmlichkeit zu sich nahm.
Mr. Chichester unterhielt ihn mit amüsanten Anekdoten, lebhaften Witzen und außergewöhnlichen Erzählungen. Richard erfuhr dabei, dass sein neuer Freund nicht nur ganz Europa bereist hatte, sondern sogar mit einigen der mächtigsten Herrscher des Kontinents befreundet war. Diese Aussagen schienen ihm eher im Laufe des Gesprächs zu entgleiten, als dass sie absichtlich gemacht wurden, was ihnen zusätzliche Glaubwürdigkeit und Bedeutung verlieh.
Gegen halb zehn schlug Mr. Chichester vor, sich in die Wohnung von Mrs. Arlington zu begeben. Richard, der durch das Beispiel seines Freundes und die Aufregung einer interessanten Unterhaltung dazu verleitet worden war, mehr Wein zu trinken, als er gewohnt war, freute sich nun auf einen angenehmen Abend und willigte bereitwillig in den Vorschlag von Mr. Chichester ein.
Mrs. Arlington bewohnte prächtig eingerichtete Gemächer im ersten und zweiten Stock über einem Musikgeschäft in der Bond Street. Die beiden Herren begaben sich zu Fuß dorthin und wurden nach kurzer Zeit in den Salon geführt, in dem der Baronet und seine schöne Begleiterin Platz genommen hatten.
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