Deutsche Märchen und Sagen 199
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
276. Bischof Wulfhelm
Kaiser Ludwig II., auch der Deutsche genannt, verirrte sich eines Tages bei der Jagd und kam spät abends in den Ort Katzenhausen. Dort kehrte er in der Wohnung des Pfarrers ein. Der Pfarrer war ein schlichter, armer Mann, aber von gutem Herzen. Er empfing den Kaiser freundlich und liebevoll und ließ ihn in seinem eigenen Bett schlafen. Er hatte nur dieses eine, doch das machte ihm nichts aus: »Ich schlafe ebenso gut auf meinem Strohsack«, sprach er. Auch kochte er ihm einen guten Brei. Am anderen Morgen brachte er ihm nach der Messe Brot und Butter und einen Becher frisches, klares Wasser.
Als der Kaiser nun wieder aufbrechen wollte, sprach er zu dem Pfarrer: »Sagt mir, Herr, welchen Dienst ich Euch erweisen kann; Ihr habt mir so viel Liebes erwiesen.«
Der Pfarrer antwortete: »Ihr seht, Herr, mir fehlt nichts. Wollt Ihr mir aber etwas geben, dann näht mir ein Stück Leder zu einem Gürtel, denn meiner ist abgenutzt.«
Das versprach ihm der Kaiser.
Nach einigen Wochen kam ein Herold nach Katzenhausen. Er trug einen prächtigen Gürtel, mit Gold und Edelsteinen verziert, in der Hand sowie einen Brief mit dem Siegel des Kaisers. In dem Brief stand, dass der Geistliche zum Bischof von Münster gewählt worden war und dem Herold folgen sollte. Lange sträubte sich der Priester dagegen, doch schließlich musste er gehorchen. Er verwaltete sein Bistum lange und weise.
277. Günther von Regensburg
Im Jahr 938 war Bischof Konrad von Regensburg gestorben und König Otto sollte einen neuen Bischof wählen. Nach langem Sinnen, so sagt man, habe er beschlossen, den ersten Mönch, dem er begegnen würde, zu wählen.
Als er eines Tages am frühen Morgen die Kirche Sankt Heimeran betrat, begegnete ihm zuerst der Pförtner namens Günther.
»Mönchlein«, sprach Otto, »was gibst du mir, wenn ich dich zum Bischof mache?«
Der Mönch bedachte sich nicht lange und antwortete: »Die Schuhe kann ich entbehren.« »Du sollst Bischof sein!«, sagte der König, dem diese treuherzige Antwort gefallen hatte.
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