Adventskalender 2024 – 16. Türchen
Es wird von einem Kräutersammler erzählt, dem das Glück so untreu war, dass er nicht einmal mehr Kräuter finden konnte und nicht wusste, wovon er leben sollte. Er hatte jedoch drei Töchter, von denen die jüngste Rosa hieß. Eines Tages sagte er zu Rosa: »Möchtest du nicht mit mir kommen, um Kräuter zu suchen? Vielleicht habe ich mit deiner Hilfe mehr Erfolg.«
So ging seine Tochter mit ihm, aber trotz ihrer Bemühungen fanden sie nichts. Schließlich sah Rosa einen großen Pilz und wollte ihn ausreißen, stieß jedoch auf Widerstand, weil der Pilz tief verwurzelt war. Allein konnte sie ihn nicht herausziehen und rief ihren Vater zur Hilfe. Gemeinsam rangen sie, bis sie schließlich nicht den Pilz, sondern einen Albanesen am Ohr aus dem Boden zogen.
Der Albanese rief ihnen zu: »Was macht ihr beiden hier?«
Sie entschuldigten sich und erklärten, dass sie schon lange an dem Pilz gezogen hätten und ihn nicht beleidigen wollten. Der Albanese hörte ihnen nicht weiter zu, sondern wandte sich an den Alten: »Willst du mir deine hübsche Tochter überlassen? Sie wird bei mir wie eine Königin leben, denn ich bewohne hier unten einen prächtigen Palast.«
Der Vater konnte nichts anderes als Ja sagen, und auch Rosa stimmte zu. Der Albanese gab dem Vater daraufhin einen Beutel mit Goldstücken, und Rosa trug ihm auf, ihre Schwestern zu grüßen.
»Hast du noch Schwestern?«, fragte der Albanese, »und wie viele?«
»Zwei«, antwortete das Mädchen.
»Dann mögen sie, wenn sie dich sehen wollen, einfach hierher kommen.«
Der Kräutersammler ging vergnügt nach Hause und erzählte seiner Frau, was geschehen war. Rosa ging mit dem Albanesen in einen unterirdischen Gang und erreichte bald einen Palast, in dem Gold, Silber und Edelsteine in Hülle und Fülle herumlagen.
Er sagte zu ihr: »Alles, was du hier siehst, ist dein, wenn du mir treu ergeben bleibst und tust, was ich dir befehle.«
»Das will ich tun«, antwortete das Mädchen.
Nun aßen und tranken sie, und nach drei Tagen sprach der Albanese: »Ich muss für einige Zeit fort. Ich lasse dir diese Hand frischen Fleisches; verzehre sie, während ich weg bin. Tust du es nicht, so bist du verloren.«
Als Rosa allein war, schaute sie auf die Hand, aber sie erfasste ein Grauen, sie zu essen. So zerstampfte sie die Hand in einem Mörser und warf sie in ein Loch. Als der Albanese zurückkehrte, war seine erste Frage: »Rosa, hast du die Hand gegessen?«
Zitternd antwortete sie: »Ja, ich aß sie!«
Daraufhin rief er: »Hand, Hand, mein Händchen, sag, wo bist du?«
Und die Hand antwortete: »Hier im Loch.«
»Also hast du meinem Befehl nicht gehorcht? Nun empfange deine Strafe.«
Mit einem Ruck riss er ihr den Kopf ab und warf ihn und den Leichnam in eine Kammer auf einen Haufen zu den anderen.
Einmal kam der Vater beim Kräutersammeln wieder an jenen Ort. Der Albanese erschien und sagte ihm: »Deine Tochter ist wohlauf und lebt in einem goldenen Palast, aber sie bittet dich, ihr die andere Schwester zur Gesellschaft zu schicken.«
Der Vater versprach, am nächsten Tag ihm seine Tochter Kathrin zu bringen, und erhielt erneut einen Beutel Gold. Als er nach Hause kam, freute sich diese über die Nachricht, dass Rosa wohlauf sei und Kathrin ihr Glück teilen solle, und so begleitete ihn die andere Tochter gern.
Kathrin stieg in die Öffnung und hinab in das Loch. Hier verlief alles wie bei der Ersten: Der Albanese ließ ihr bei seiner Abreise die Hand und gab ihr den gleichen Befehl. Aber auch Kathrin konnte sich nicht überwinden, seinem Befehl nachzukommen, und verlor ihr Leben.
Als der Kräutersammler zum dritten Mal an den Ort kam, näherte sich ihm der Versucher erneut und forderte die dritte Schwester, die Antonia hieß, auf, bei ihm zu bleiben, und gab ihm einen dritten Beutel Gold. Der Vater brachte auch Antonia zu ihm. Doch Antonia war eine von den siebentausend Gewitzigten, und als der Albanese auch ihr die Hand hinterließ, überlegte sie scharfsinnig, wie sie sich aus der Situation befreien könne.
Sie nahm die Hand, band sie sich um den Leib, und als der böse Geist zurückkam und fragte: »Händchen, wo bist du?«, antwortete dieses von ihrem Bauch her: »Hier bin ich!«
Da meinte er, Antonia habe die Hand gegessen, und fand sie so gehorsam, dass er ihr sein Herz ausschüttete und all seine Geheimnisse offenbarte. Außerdem gab er ihr die Schlüssel zu allen Räumen und zur Schatzkammer, wo unzählige Herrlichkeiten lagen.
Einmal, als sie allein war, öffnete sie alle Räume und kam an einen, der voller menschlicher Körper war: Körper von Kaisern, Königen, Prinzen und Fürsten, Männer und Frauen, und darunter lagen auch ihre beiden kopflosen Schwestern. Sie begann zu klagen und zu jammern, erblickte aber ein Gefäß mit einer Salbe. Sie nahm von der Salbe und bestrich damit die Hälse der Toten, und beide kamen wieder ins Leben zurück. Nach und nach brachte sie all jene, die durch den Albanesen ihr Leben verloren hatten, wieder zum Leben, die auf wundersame Weise frisch geblieben waren, als wären sie eben erst gestorben. Ein buntes Gewirr entstand, und die Freude der zum Leben Erweckten war unbeschreiblich. Alle drängten sich zu ihrer Retterin: Der eine wollte sie zur Frau nehmen, der andere zur Tochter, ein Dritter zur Schwester, ein Vierter zur Mitherrscherin über sein Reich machen, kurzum, jeder wollte ihr etwas Gutes tun. Schließlich einigte man sich darauf, dass Antonia die Tochter des Königs von Portugal sein sollte, und so geschah es. Dann luden sie alle Schätze des Bösen auf und flohen.
Der Albanese war wie vom Blitz getroffen, als er nach Hause kam, die Toten verschwunden und die Schätze entwendet fand. Was sollte er tun? Er sann auf einen Betrug, und weil er ein raffinierter Zauberer war, gelang es ihm.
Er schloss sich in einen Glasschrein ein, ließ sich nach Portugal bringen und ausrufen: »Seht doch, welch schöne Statue! Wer möchte sie kaufen?«
Der König und seine neue Tochter schauten gerade aus dem Fenster, als der Händler vorbeiging. Er fragte das Mädchen: »Antonia, wollen wir die Statue kaufen?«
Diese, als ob ihr eine Vorahnung durch das Herz zöge, sagte weder Ja noch Nein, aber der König kaufte sie dennoch und ließ den Glasschrein im Zimmer der Tochter aufstellen.
In der Nacht, als der Albanese, der sich im Inneren eingeschlossen hatte, herauszukommen versuchte, um dem Mädchen Schaden zuzufügen, erwachte sie beim ersten Geräusch und rief die Diener. Diese kamen, fanden jedoch nichts und gingen wieder. Das Geräusch ertönte erneut, und sofort rief sie die Diener wieder herbei. Sie fanden alles in Ordnung, auch die Statue stand unbewegt. Schließlich bemerkte sie beim dritten Mal, dass die Statue sich bewegte. Auf ihr Geschrei kamen alle Leute herbei, denen sie befahl, die Statue an Händen und Füßen zu packen und in einen eisernen Käfig zu sperren. Davon erhielten alle, die der Böse einst misshandelt hatte, Kunde und eilten nach Portugal, um ihn im Käfig zu sehen und sich an ihm zu rächen. Sie behandelten ihn mit Worten und Stößen so schlimm, dass er seine schwarze Seele aushauchte. Danach feierte man ein großes Fest.

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