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Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges 03

Max Klose
Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges
Mit zahlreichen Abbildungen aus dem Riesengebirge
Verlag von Brieger & Gilbers. Schweidnitz (Świdnica). 1887.
Überarbeitete Fassung

5. Wolf und Lamm

Hans Ulrich von Schaffgotsch war Burgherr von Kynast. Im Jahre 1630 veranstaltete er ein Gastmahl und lud dazu auch den Pfarrer von Giersdorf, Johann Andreas Thieme, ein. Dieser beschäftigte sich seit Langem mit der Kunst, aus der Stellung der Gestirne das Schicksal der Menschen zu lesen, und hatte sich selbst die Vertreibung aus seinem Amt vorausgesagt. Der Burgherr glaubte solchen Scherzen nicht und verlangte, auch sein Schicksal zu erfahren. Thieme wollte schweigen, aber der Spott des Burgherrn löste ihm die Zunge.

»Nach der Stellung von Saturn und Mars bei Eurer Geburt, edler Herr, werdet Ihr als Gefangener durch kalten Stahl sterben!«

Die Gäste erschraken und riefen: »Das möge Gott verhüten!«

Der Gastgeber aber lachte.

»He, Thieme, welches Schicksal droht dem Lämmchen auf dem Hof, das an Lichtmess geboren ist?«

Der Pfarrer überlegte kurz. »Herr, das Lamm wird vom Wolf gefressen werden.«

Nach diesem Ausspruch kehrte die Heiterkeit der Gäste zurück, denn die Wölfe waren in den Revieren der Kynasts längst ausgerottet. Der Burgherr entfernte sich von seinen Gästen und befahl dem Koch, das Lamm sofort zu schlachten und für das Abendmahl vorzubereiten! Dann ging die Gesellschaft mit dem Gastgeber auf die Jagd und kehrte abends müde ins Schloss zurück. Nun wurde aufgetragen und der Burgherr trat vor den Pfarrer.

»He, Thieme, was nun? Das Lamm ist zum Nachtmahl gebraten! Will der böse Prophet auch davon kosten?«

Die Tischgesellschaft brach in schallendes Gelächter aus, das aber bald verstummte. Da stürzte der Koch in den Saal und warf sich dem Fürsten zu Füßen.

»Gnade, edler Herr! Der Wolf hat das Lamm gerissen.«

Der Burgherr und seine Gäste schauderten und wollten die Mähr kaum glauben. Doch bald stellte sich heraus, dass ein zahmer Wolf den Braten aus der Burgküche gestohlen hatte.

Auch die andere Prophezeiung erfüllte sich. Hans Ulrich von Schaffgotsch wurde am 14. Februar 1634 vom Obersten Grafen Collerado in Ohlau gefangen genommen und nach Glaz gebracht. Man beschuldigte ihn, mit den Schweden gemeinsame Sache gemacht zu haben (später stellte sich seine Unschuld heraus) und enthauptete ihn auf Befehl Kaiser Ferdinand II. am 23. Juli 1635 zu Regensburg.

6. Der blutige Feldherr

Der Freiherr Hans Ulrich von Schaffgotsch war Kaiserlicher Feldherr, fiel aber in Ungnade und wurde hingerichtet. Vor seinem Tod ließ er seine beiden treuen Diener, Jeremias und Constantin rufen und befahl denselben, seine Leiche nicht abzuwaschen, sondern blutig in den Sarg zu legen; er wolle so zugerichtet, wie er sein würde, dem Kaiser (Ferdinand II.) vor Gottes Richterstuhl erscheinen.

7. Der feste Harnisch

Auf dem Kynast wurden früher, ehe die Burg am 31. August 1675 durch Blitze zerstört wurde, eine Menge alter Kriegswerkzeuge aufbewahrt. Unter denselben befand sich auch der Harnisch des streitbaren Helden und Kaiserlichen Kriegsobersten Tobias von Weene und Guisenburg, welchen einst eine vierpfündige Kugel getroffen, aber nicht durchbohrt haben soll.