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Die Gespenster – Dritter Teil – 47. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Siebenundvierzigste Erzählung

Die Ahnung kurz vor dem Tod meiner Mutter

Einige Zeit vorher, ehe die Benediktiner-Abtei Banz mich zum Prälaten erwählte, führten mich Dienstgeschäfte zu der benachbarten Abtei Langheim, wo ich übernachten musste. Man wies mir dort für die Nacht ein mir schon bekanntes Zimmer an, dessen Tür ich ganz sorglos beim Schlafengehen weder verschloss noch verriegelte. Des anderen Morgens – es mochte ungefähr zwei Uhr sein – erwachte ich plötzlich wider meine sonstige Gewohnheit.

Der erste Gedanke, dessen ich mir deutlich bewusst war, galt unwillkürlich meiner zu Z. todkrank liegenden Mutter, welche auch bald darauf im nämlichen Herbst starb. Was kann natürlicher sein, als dass Tod und Todesideen mit diesem Gedanken vergesellschaftet waren? Und in diesem Augenblick klopfte ein unerkanntes Etwas dreimal hintereinander sehr stark an die Tür meines Schlafgemachs. In der Meinung, dies sei das natürliche Klopfen irgendeines Klosterbruders, der zu dieser ungewöhnlichen Zeit mich sprechen zu wollen Veranlassung habe, rief ich ganz rasch und unbefangen: »Herein!«

Niemand erschien; vielmehr erfolgte ein nochmaliges, ebenso starkes Klopfen, worauf es aber, nachdem ich noch einmal und stärker »Nur herein! Nur herein!« gerufen hatte, ganz still wurde. Ich hörte den Klopfenden, der nicht hereinkam, weder ferner klopfen noch auch bei der Stille der Nacht weggehen, sprang daher aus dem Bett, öffnete die Tür und fand keinen Klopfenden.

Ich gestehe, dass es mir in diesem nächtlichen Augenblick kalt überlief. Sollte, dachte ich bei mir selbst, in diesem Augenblick viel leicht meine gute, kranke Mutter ins bessere Leben hinüberschlummern? Sollte ihr entfesselter Geist bei dem Abschiedsgedanken an mich …? Doch wozu hier die Auseinandersetzung von Schwärmereien, zu welchen sich der Mensch in gewissen Stimmungen seines Geistes so unwiderstehlich hingerissen fühle, wieviel auch, in veränderten Lagen und Umständen die ruhige, kalte Vernunft dagegen einzuwenden haben mag!

Ich legte mich aufs Bett, in der Absicht, so die rege Einbildungskraft wieder zu besänftigen. Der Schlaf war mir indessen für diese Nacht entwichen. Mir blieb nichts übrig, als förmlich aufzustehen und mich ins Zeug zu werfen. Die sterbende Mutter war und blieb auch nun mein herrschender Gedanke. Ich verließ die Schlafstube, um in einem benachbarten, mit Marmorplatten belegten Vorsaal hin und her gehend den neuen Tag, der erst graute, zu erwarten. Aber kaum war ich einige Schritte in demselben vorwärts gegangen, so kam es mir vor, als ginge jemand hinter mir. Ich sah mich schnell um und entdeckte nirgends ein lebendes, körperliches Wesen. Ich ging nachdenkend fort; bei der Rückkehr, ganz in der nämlichen Gegend des Saales, machte ich jene Erfahrung zum zweiten Mal. Es schien abermals jemand hinter mir her zu kommen, und doch war ich nun so einsam im Saal, wie vorhin.

Indem ich mit niedergeschlagenen Augen betroffen dastand, um auf dieser merkwürdigen Stätte vielleicht ein nochmaliges Rauschen des mich umschwebenden Geistes zu erwarten, und alles still war, bemerkte ich endlich, indem ich fortgehen wollte, und deshalb den einen Fuß anhob, die natürliche Ursache der anscheinend wunderbaren Fußtritte hinter mir. Eine Marmorplatte, auf und neben welcher ich soeben stand, passte nicht genau in ihre Fuge und machte, indem ich über sie hinschritt, hinter mir eine hörbare Bewegung, leisen Fußtritten gleich. Unstreitig würde ich sie nicht spukhaft gefunden haben, wenn nicht das vorher gegangene, mir bis dahin unerklärbare Klopfen die Empfänglichkeit zu einer solchen Deutung mir eingeflößt hätte.

Ebenso natürlich war es auch mit dem vorhin erwähnten Klopfen zugegangen. Mir gegenüber nämlich logierte der Kapelan und nachmalige Pfarrer zu B. Diesen wollte der Kutscher eines Beamten aus dem Landstädtchen L., welcher ebenfalls in der Nähe unserer Schlafzimmer übernachtete, wecken und ihm einen Platz in seinem leer zurückfahrenden Wagen anbieten, womit demselben, wie er bereits erfahren hatte, sehr gedient war. Er kannte das Zimmer des Kapelans nicht bestimmt, sondern nur ungefähr die Gegend desselben; wusste auch, dass in den benachbarten Gemächern noch andere Klostergäste übernachteten. Um keinen von diesen im Schlaf zu stören, war er auf bloßen Strümpfen die Treppe heraufgegangen, und hatte in der Meinung, vor des Kapelans Stubentür zu sein, an die meine geklopft. Erst mein zweites zweimaliges Rufen »Nur herein!« hatte ihn bis zur Überzeugung von seinem Irrtum belehrt. Aus Furcht vor einem Verweis über die Störung im Schlaf war er behände und eilig die Treppe hinabgelaufen, bevor ich die Tür geöffnet hatte, um zu sehen, wer geklopft habe.

Da ich keine Mühe sparte, diesen natürlichen Schlüssel zum Rätsel zu finden, und da der Kutscher, auf welchen der Kapelan gleich anfangs Verdacht warf, nur durch gütiges Zureden zum Geständnis des wahren Verlaufs der Sache zu bringen war, so ist leicht zu ermessen, dass ein anderer an meiner Stelle, dem bei einem stärkeren Glauben an übernatürliche Ereignisse, diese Aufklärung der Sache weniger willkommen gewesen wäre, wie mir hier einen unwidersprüchlichen Beleg zur Wirklichkeit der Ahnungen gefunden haben würde; zumal da der natürliche Lauf der Dinge wollte, dass meine Mutter bald darauf wirklich starb.