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Jim Buffalo – 18. Abenteuer – Kapitel 1

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Die Flucht über die Dächer
Das 18. Abenteuer Jim Buffalos
1. Kapitel

Gleiche Seelen

Es gab kaum einen zweiten Menschen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, der mit einer derartigen Skrupellosigkeit zu Werke ging, wie der Großindustrielle Phil Brake.

Dieser Mann war ungeheuer reich. Er wusste nicht, wie viel er besaß, aber seine Gier nach irdischen Besitztümern war nicht zu zügeln. Er war immer auf der Lauer, andere Existenzen, und wenn es mit den verwerflichsten Mitteln war, zu vernichten und sich selbst zu bereichern.

Seine Konkurrenten zitterten, wenn sie wussten, dass sie die Aufmerksamkeit Phil Brakes erregt hatten.

Der unheimliche arbeitsame und ebenso skrupellose Mann hatte nach und nach das halbe Wirtschaftsleben monopolisiert. Wo es galt, sich die Macht zu sichern, war er dabei. Ein Streik, die einzige Waffe der Arbeitnehmer, konnte ihn nicht zur Vernunft bringen. Er schloss dann einfach seine Fabriken.

Aber in letzter Zeit war jemand neben ihm erstanden, der ihm die Macht streitig machte.

Dieser andere war Sir John Webster, ein Mann in den dreißiger Jahren, der einstmals bei ihm als Volontär beschäftigt war.

Phil Brake hatte mit diesem Webster etwas anderes vorgehabt und wollte ihn zu seinem Schwiegersohn machen.

John Webster hatte auch Entgegenkommen genug gezeigt. Er hatte die schöne Tochter Brakes geliebt und hatte Gegenliebe gefunden. Aber dann kühlte diese Liebe aufseiten Websters ab. Er hatte durch den Umgang mit Gladis Brake herausgefunden, dass diese Dame zwar von außerordentlicher Schönheit war, dass sie aber kein Herz hatte, dass sie vielmehr bestrebt war, die Hohlheit und Bösartigkeit ihres Charakters unter einer Maske zu verbergen.

John Webster aber war ein Mann von gutem edlem Charakter. Er wollte glücklich werden in seinem Leben und daher prüfte er weiter, bis er eines Tages zu der Überzeugung gelangte, dass er an der Seite Gladis Brakes das Glück nicht finden würde, welches er erstrebte.

Er ging mit sich zu Rate und als er so weit war, dass er einen festen Entschluss gefasst hatte, da sprach er mit Gladis Brake. Er wollte sie nicht bloßstellen, sondern alles auf sich nehmen. Sie sollte einfach veröffentlichen, dass die Verlobung von ihrer Seite aufgelöst sei.

Da zeigte sich ihr ungebändigter Charakter, der leider allzu große Ähnlichkeit mit dem Vater hatte. Sie begann zu toben, nannte ihn einen dunklen Ehrenmann, einen Schurken und anderes, bis er angeekelt das Haus verließ.

Der Großindustrielle Phil Brake suchte den Riss wieder zu heilen, aber es gelang ihm nicht.

John Webster ging auf Reisen und blieb ein ganzes Jahr fort. Er hatte sich die Kohlenfelder in der Welt angesehen und seine Erfahrungen vervollkommnet.

Eines Tages erschien er nun wieder in den Unionstaaten. Er hatte große Mittel zur Verfügung und kaufte in der Stille sämtliche Terrains in der Nähe von Brakes Bergwerken, soweit sie käuflich waren und einen Gewinn durch die Kohlenförderung versprachen.

Als Brake erfuhr, wer der geheimnisvolle Konkurrent sei, war es schon zu spät.

John Webster arbeitete mit einem Geschick, dass er, soviel war vorauszusehen, in zwei bis drei Jahren seinen ehemaligen zukünftigen Schwiegervater überholt haben würde.

Seine Werke erstanden und blühten. Auch Petroleumquellen und Erzgruben wurden bald in großer Menge sein Eigentum.

Dazu kam, dass er seine Arbeiter anständig behandelte und ihnen viel bessere Löhne zahlte als Phil Brake.

Und es ging wieder ein neues Projekt John Websters um. Das sollte Brake sehr bald erfahren.

Er hatte eine Besprechung mit seinen Direktoren gehabt. Man hatte ihn bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht, dass John Webster im Nachbarstaat riesige Ländereien erworben habe. Es wurde gemunkelt, dass er neue Erzgruben entdeckt hatte.

Zuerst lachte Brake über diese Botschaft, als man ihm jedoch den Beweis erbrachte, dass bereits Hochöfen errichtet seien, welche das Erz in den neuen Gruben verarbeiteten, da bekam er es mit der Angst zu tun.

Er stöhnte und sah ein, dass ihm die Macht aus den Händen glitt, dass er aufgehört hatte, der König der Kohlen, Erze und der damit verbundenen Industrie zu sein.

Lange ging Brake mit sich zu Werke. Er ließ dann seinen Vertrauten, einen gewissen Ernesti Allani rufen.

Dieser Mann war seine rechte Hand. Er war in alle seine skrupellosen Geschäfte eingeweiht. Er war der Mann der Tat, das ausführende Werkzeug der lichtscheuen Pläne Brakes.

Ernesti Allani war ein Italiener. Er hatte ein gelbliches Gesicht und war von kleiner, untersetzter Statur.

Allzeit geschmeidig und höflich, trat er auch jetzt wieder dienstbeflissen vor seinen Herrn.

Obwohl er mit ihm außerordentlich vertraut war, wartete er immer, bis der Großindustrielle ihn zum Platznehmen einlud.

Er blieb immer der Untergebene. Allerdings sah es ganz anders aus, hätte Phil Brake geahnt, was diesen allezeit geschmeidigen Mann innerlich bewegte, er wäre doch ein wenig vorsichtiger gewesen.

Ernesti Allani bezweckte nämlich nicht mehr und nicht weniger, als der Nachfolger John Webster bei der schönen, aber charakterlosen Gladis Brake zu werden.

»Was steht zu Diensten, Sir?«, fragte Allani, der unhörbar hereingetreten war.

»Setzen Sie sich, wir können dann vernünftiger zusammen reden«, sagte Brake nervös. Sein breites Gesicht mit dem auslandenden Kinn machte einen brutalen Eindruck.

Seine kleinen Augen funkelten tückisch.

Gehorsam folgte Allani der Aufforderung. Stumm und steif saß er da und wartete, was sein Chef ihm zu sagen hatte.

»Was halten Sie von John Webster?«, fragte Phil Brake, dicht vor ihm stehenbleibend.

Der Italiener zögerte mit der Antwort.

»Halt, nicht überlegen!«, drängte Brake rücksichtslos. »Ich will Ihre unverblümte Meinung über John Webster wissen.«

»Ich halte ihn für einen der fähigsten Köpfe, die es heute gibt«, lautete die Erwiderung des Italieners.

Ein Fluch kam aus Brakes Mund.

»Sie haben recht, Allani«, zischte der Großindustrielle, indem er wieder vor Allani stehenblieb und die Fäuste ballte. »Ich war ein Tor, dass ich ihn aus den Händen ließ.«

»Sie erlauben, dass ich dem widerspreche, Sir«, erwiderte der Italiener. »Sie hätten mit John Webster nie etwas erreichen können.«

»Oho – und warum nicht?«

Der Italiener zögerte mit der Antwort.

»Ich weiß nicht, ob ich meine Meinung frei und offen sagen soll«, versetzte Allani sodann.

»Die Pest soll Sie holen, wenn sie etwas anderes reden als das, was Sie denken!«, stieß Brake zornig hervor.

»Nun gut, dann werde ich sprechen«, sagte der Italiener. »Ich bezweifle es daher, weil die ganze Gesinnungsrichtung John Websters sich nie mit Ihren Anschauungen vertragen hätte. John Webster war nicht gewissenlos genug.«

Brake hob die Faust. Es schien, als ob er den Italiener niederschlagen wollte. Da blitzte es in den Augen des anderen auf. Drohend sagte er, ohne mit einer Wimper zu zucken: »Sie haben mir befohlen, meine Ansicht zu äußern. Das habe ich getan.«

Der Großindustrielle ließ die Hand sinken. Jener hatte recht. Er hatte ihm befohlen, zu reden. Das hatte er getan.

»Sie vergessen meine Tochter«, warf der Großindustrielle ein. »Sie hätte ihn kuriert.«

Der Italiener lächelte leicht.

»Nie, Sir«, sprach er mit einer Bestimmtheit, die Brake stutzig machte. »John Websters Anschauungen waren ja eigentlich die Ursache, dass er das Verlöbnis löste.«

»Wer hat es gelöst?«, schrie der Großindustrielle? Haben Sie es nicht gelesen, dass meine Tochter das Verlöbnis aufgegeben hat?«

»Gelesen habe ich es schon, Sir Brake, aber ich weiß es besser«, erwiderte Allani.

Der große starke Mann stöhnte in Hass und Zorn auf. Dann richtete er sich auf.

»Was haben wir, Allani, um diesen Emporkömmling zu hindern, dass er mir die Macht entreißt.«

Der Italiener behielt sein undurchdringliches Gesicht.

»So leicht ist das nicht zu beantworten, Sir Brake«, erwiderte er. »Sie müssen mir etwas Zeit lassen.«

»Nein, ich habe keine Zeit!«, rief der finstere Mann brutal und leidenschaftlich aus. »Es muss heute entschieden werden, was wir gegen John Webster unternehmen wollen.«

Der Italiener zuckte die Achseln.

»Etwas wüsste ich schon«, entgegnete er. »Aber ob es gelingt, ist die zweite Frage. Wir können es jedoch versuchen, wenn Sie es wollen.«

»Sprechen Sie«, drängte Brake. Er wartete mit gierigen Augen, bis sein Sekretär sprechen würde.

»Kennen Sie einen Jim Buffalo?«, fragte Ernesti Allani.

Der Großindustrielle machte ein überraschendes Gesicht.

»Sie meinen den Mann, der die Teufelsmaschine besitzt?«

»Well, denselben.«

»Den kenne ich, singt man doch sein Lied in allen Tonarten. Was ist mit dem Mann? Wie soll er mir helfen?«

»Er kann mithilfe seiner Maschine in die Vergangenheit und Zukunft blicken, Sir. Es ist keine Legende. Die Maschine ist ein Zauberding. So unglaublich es klingt, so verhält es sich doch so.«

»Weiter, weiter«, drängte Phil Brake.

»Wir müssen diesen Jim Buffalo veranlassen, mit uns eine Fahrt in die Zukunft zu unternehmen. Wenn wir einen Blick in die zukünftigen Unternehmungen John Websters getan haben, dann werden wir wissen, was Sie zu tun haben, um sich vor seiner Konkurrenz zu schützen.«

»Bravo, Allani! Sie sind ein Prachtkerl!«, rief der Großindustrielle aus. »Ihr Rat war gut.«

»In diesem Moment öffnete sich die Tür und auf der Schwelle erschien in einer hocheleganten Toilette die schöne Tochter Brakes.

Sie war ein bezauberndes Geschöpf. Mit Grazie streckte sie Allani die Hand entgegen.

Er küsste sie ehrfurchtsvoll. Aber der leidenschaftliche Blick verriet, was er dachte.

»Was ist hier unterhandelt worden«, fragte die schöne Gladis lächelnd.

Der Großindustrielle erzählte ihr, was er vorhatte. Sie lauschte aufmerksam seinen Worten. Sie wurde sehr erregt.

»In der Tat, Mister Allani, Sie haben Papa diesmal einen guten Rat gegeben«, sagte sie zustimmend.

»Hoffentlich gelingt er«, erwiderte der Italiener. Er zog sich mit einer Verbeugung zurück. Draußen lachte er frohlockend auf. Er fühlte sich bereits als Herr der Reichtümer, die ihn umgaben.