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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – 11. – 14. Bändchen – Kapitel IX

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Elftes bis vierzehntes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

IX. Die Feluke Der Blitz

D’Artagnan hatte richtig erraten: Mordaunt hatte keine Zeit zu verlieren und hatte keine verloren. Er kannte die rasche Entschlossenheit und Tätigkeit seiner Feinde und wollte demgemäß handeln. Diesmal hatten die Musketiere einen ihrer würdigen Feinde gefunden.

Nachdem Mordaunt die Tür sorgfältig hinter sich geschlossen hatte, stürzte er in den unterirdischen Gang; doch sobald er seinen unnötig gewordenen Degen wieder in die Scheide gesteckt und das benachbarte Haus erreicht hatte, blieb er einen Augenblick stehen, um sich zu betasten und Atem zu schöpfen.

»Gut«, sagte er, »nichts, beinahe nichts, nur Schrammen; zwei am Arm, eine an der Brust. Die Wunden, die ich mache, sind besser! Man frage den Henker von Bethune, meinen Oheim Winter und den König Karl! Nun ist keine Sekunde zu verlieren, denn eine verlorene Sekunde rettet sie vielleicht, und sie müssen alle vier miteinander mit einem einzigen Schlag, in Ermangelung des göttlichen Blitzes, von dem Blitz der Menschen verzehrt, sterben. Gebrochen, zerstreut, vernichtet sollen sie verschwinden. Ich will also laufen, bis mich die Beine nicht mehr tragen können, bis das Herz in der Brust aufschwillt, aber vor ihnen muss ich ankommen.«

Und Mordaunt fing an, raschen, aber festen Schrittes nach der ersten, ungefähr eine Viertelmeile entfernt liegenden Reiterkaserne zu eilen. Er legte diesen Weg in vier bis fünf Minuten zurück.

In der Kaserne angelangt, gab er sich zu erkennen, nahm das beste Pferd aus dem Stall, schwang sich auf und eilte zur Straße. Eine Viertelstunde danach war er in Greenwich.

»Hier ist der Hafen«, murmelte er. »Dieser düstere Punkt da unten ist die Hundeinsel. Gut! Ich bin ihnen eine halbe Stunde voraus … eine Stunde vielleicht. Nun«, fügte er hinzu und erhob sich auf den Steigbügeln, als wollte er fernerhin durch alle die Taue und Masten sehen, »der Blitz? Wo ist der Blitz?«

In dem Augenblick, wo er im Geist diese Worte sprach, erhob sich, als wollte er seine Gedanken beantworten, ein Mann von einer Rolle Kabeltaue und machte einige Schritte auf Mordaunt zu.

Mordaunt zog sein Taschentuch hervor und ließ es in der Luft flattern.

Der Mann schien aufmerksam, blieb aber an derselben Stelle, ohne einen Schritt rückwärts oder vorwärts zu tun.

Mordaunt machte einen Knoten an jede Ecke seines Taschentuches; der Mann schritt bis zu ihm vor; er war in einen weiten wollenen Kaban gehüllt, der seine Gestalt und sein Gesicht verbarg.

»Kommt der Herr zufällig von London, um eine Spazierfahrt auf dem Meer zu machen?«, fragte der Mann.

»Allerdings«, sprach Mordaunt, »zur Hundeinsel.«

»Gut. Ohne Zweifel würde der Herr dann einem Schiff den Vorzug vor den anderen geben? Er hätte vielleicht gern einen Schnellsegler, ein Fahrzeug so rasch …«

»Wie der Blitz«, erwiderte Mordaunt.

»Dann ist es gut, der Herr sucht mein Schiff. Ich bin der Patron, dessen er bedarf.«

»Ich will es glauben«, sagte Mordaunt, »besonders, wenn Ihr ein gewisses Zeichen der Erkennung nicht vergessen habt.«

»Hier ist es, Herr«, sprach der Seemann und zog aus der Tasche seines Kabans ein an den vier Enden geknüpftes Taschentuch.

»Gut! Gut!«, rief Mordaunt, vom Pferd springend. »Es ist nun keine Zeit zu verlieren. Lasst mein Pferd in die nächste beste Herberge führen und bringt mich zu Eurem Schiff.«

»Aber Eure Gefährten?«, entgegnete der Seemann. »Ich glaubte, Ihr wäret ohne die Lakaien zu viert.«

»Hört«, sprach Mordaunt, sich dem Seemann nähernd, »ich bin nicht der, den Ihr erwartet, wie Ihr nicht der seid, den sie zu finden hofften. Ihr habt Kapitän Rogers’ Stelle eingenommen, nicht wahr? Ihr seid hier auf Befehl des Generals Cromwell, und ich komme in seinem Auftrag.«

»In der Tat, ich erkenne Euch«, versetzte der Patron, »Ihr seid der Kapitän Mordaunt.«

Mordaunt bebte.

»Oh! Fürchtet Euch nicht», sprach der Patron, seinen Kaban niederlassend und seinen Kopf entblößend, »ich bin ein Freund.«

»Kapitän Groslow!«, rief Mordaunt.

»Er selbst. Der General erinnerte sich, dass ich einst Marineoffizier gewesen bin, und beauftragte mich mit dieser Expedition. Hat sich etwas geändert?«

»Nein, alles bleibt wie verabredet.«

»Ich dachte einen Augenblick, der Tod des Königs …«

»Der Tod des Königs hat ihre Flucht nur beschleunigt; in einer Viertelstunde, in zehn Minuten vielleicht werden sie hier sein.«

»Was wollt Ihr aber tun?«

»Mich mit Euch einschiffen.«

»Ah! Sollte der General an meinem Eifer zweifeln?«

»Nein, aber ich will meiner Rache selbst beiwohnen. Habt Ihr nicht irgendeinen Menschen, der mir mein Pferd abnehmen kann?«

Groslow pfiff, es erschien ein Matrose.

»Patrick«, sagte Groslow, »führt das Pferd in den Stall der nächsten Herberge. Wenn man Euch fragt, wem es gehöre, so sagt: einem irischen Edelmann.«

Der Matrose entfernte sich, ohne eine Bemerkung zu machen.

»Fürchtet Ihr jetzt nicht, von ihnen erkannt zu werden?«, sprach Mordaunt. »Es ist keine Gefahr in dieser Tracht, in meinen Kaban eingehüllt, in der finsteren Nacht. Überdies habt Ihr mich nicht einmal erkannt, umso weniger werden sie mich erkennen.«

»Das ist wahr, sie werden auch gar nicht an Euch denken. Alles ist bereit, nicht wahr?«

»Ja.«

»Die Ladung ist eingenommen?«

»Ja.«

»Fünfzig volle Tonnen?«

»Und fünfzig leere.«

»Gut.«

»Wir führen den Portwein nach Antwerpen.«

»Vortrefflich. Nun bringt mich an Bord und kehrt an Euren Posten zurück! Sie müssen bald kommen.«

»Ich bin bereit.«

»Es ist von Wichtigkeit, dass mich keiner von Euren Leuten hineingehen sieht.«

»Ich habe nur einen Mann an Bord und kann mich auf ihn verlassen, wie auf mich selbst. Überdies kennt Euch dieser Mann nicht und ist, wie seine Kameraden, bereit, uns zu gehorchen, weiß aber gar nichts.«

»Gut, gehen wir.«

Sie stiegen gegen die Themse hinab. Eine kleine Barke war mithilfe einer eisernen, an einen Pfahl befestigten Kette an das Ufer gebunden. Groslow zog die Barke an sich, hielt sie fest, während Mordaunt hineinstieg, sprang dann selbst hinein, ergriff die Ruder und handhabte sie fleißig.

Nach Verlauf von fünf Minuten war man aus der Welt von Schiffen befreit, die in jener Zeit den Fluss in der Nähe Londons bedeckten, und Mordaunt konnte die kleine Feluke wie einen dunklen Punkt auf vier bis fünf Kabellängen von der Hundeinsel am Anker sich wiegen sehen.

Als man sich dem Blitz näherte, pfiff Groslow auf eine besondere Weise, und man sah den Kopf eines Menschen über der Wand erscheinen.

»Seid Ihr es, Kapitän?«, fragte dieser Mann.

»Ja, wirf die Leiter herab.«

Rasch und leicht wie eine Schwalbe fuhr Groslow unter dem Bugspriet hin und legte sich Bord an Bord mit dem Schiff.

»Steigt hinauf«, sprach Groslow zu seinem Gefährten.

Mordaunt ergriff, ohne zu antworten, das Seil und kletterte mit einer bei Landratten ungewöhnlichen Behändigkeit an der Seite des Schiffes hinauf. Die Rachgier ersetzte bei ihm die Gewohnheit und machte ihn zu allem fähig.

Der Matrose an Bord der Feluke schien, wie Groslow vorhergesagt hatte, nicht einmal zu bemerken, dass sein Kapitän in Begleitung eines Fremden zurückkam.

Mordaunt und Groslow gingen in die Kapitänskajüte, die nur einstweilen von Brettern auf dem Verdeck erbaut worden war. Das Ehrenzimmer hatte Kapitän Rogers seinen Passagieren abgetreten.

»Und sie«, fragte Mordaunt, »wo sind sie?«

»Am andern Ende des Schiffes«, erwiderte Groslow.

»Haben sie nichts auf dieser Seite zu tun?«

»Durchaus nichts.«

»Gut. Ich halte mich bei Euch verborgen. Kehrt nach Greenwich zurück und bringt sie hierher. Ihr habt eine Schaluppe?«

»Die, in der wir gekommen sind.«

»Sie scheint mir leicht und gut gezimmert.«

»Wie eine Piroge.«

»Bindet sie mit einem Hanfstrick an das Hinterteil an, legt ein Ruder darauf, damit sie im Kielwasser folgt und dass man nur den Strick abzuschneiden hat. Verseht sie mit Rum und Zwieback. Sollte das Meer unruhig werden, so dürfte es Euren Leuten nicht unangenehm sein, eine Herzstärkung bei der Hand zu finden.«

»Es soll geschehen, wie Ihr sagt. Wollt Ihr die Pulverkammer in Augenschein nehmen?«

»Nein, bei Eurer Rückkehr. Ich will die Lunte selbst legen, um meiner Sache gewiss zu sein. Verbergt vor allem Euer Gesicht gut, damit sie Euch nicht erkennen.

Seid unbesorgt.«

»Geht, es schlägt in Greenwich zehn Uhr.«

Groslow schlug die Tür wieder zu, die Mordaunt von innen verschloss, und stieg, nachdem er dem Matrosen Befehl gegeben hatte, mit der größten Aufmerksamkeit zu wachen, in die Barke hinab, die sich rasch entfernte.

Der Wind war kalt und der Hafendamm verlassen, als Groslow in Greenwich landete; im Augenblick, wo er ans Ufer stieg, hörte er etwas wie das Geräusch galoppierender Pferde auf dem mit Strandsteinen gepflasterten Weg.

»Oh! Oh!«, sagte er, »Mordaunt hatte recht, dass er mir Eile empfahl. Es war keine Zeit zu verlieren, sie kommen.«

Es waren in der Tat unsere Freunde oder vielmehr ihre Vorhut, aus d’Artagnan und Athos bestehend. Als sie in der Nähe des Ortes anlangten, wo sich Groslow befand, hielten sie an, als hätten sie erraten, dass der Mann da sei, mit dem sie es zu tun haben sollten. Athos stieg ab, entrollte langsam ein Taschentuch, dessen vier Enden geknüpft waren, und ließ es im Wind flattern, während d’Artagnan, stets klug, halb über sein Pferd herabgeneigt und eine Hand am Halfter, wartete.

Groslow, der sich, im Zweifel, ob die Reiter wirklich die von ihm Erwarteten wären, hinter eine der zum Aufrollen der Kabeltaue dienenden, in den Boden gepflanzten Kanonen gekauert hatte, stand auf, als er das verabredete Zeichen wahrnahm, und ging gerade auf die Edelleute zu. Er war so in seinen Mantel vermummt, dass man sein Gesicht unmöglich sehen konnte. Übrigens war die Nacht so finster, dass diese Vorsichtsmaßregel überflüssig erschien.

Athos’ durchdringendes Auge erriet indessen trotz der Dunkelheit, dass er nicht Rogers vor sich hatte.

»Was wollt Ihr von mir?«, sagte er zu Groslow und machte einen Schritt rückwärts.

»Ich will Euch sagen, Mylord«, erwiderte Groslow mit irischem Akzent, »dass Ihr den Patron Rogers sucht, aber vergebens sucht.«

»Wieso?«

»Er ist diesen Morgen vom Mastkorb herabgefallen und hat das Bein gebrochen. Doch ich bin sein Vetter; er hat mir die ganze Angelegenheit mitgeteilt und mir den Auftrag gegeben, für ihn aufzupassen und die Edelleute, die mir ein an den vier Enden geknüpftes Taschentuch geben würden, wie Ihr eins in der Hand haltet und wie ich eines in der Tasche habe, überallhin zu führen, wohin Sie wünschen.«

Bei diesen Worten zog Groslow das Tuch hervor, das er bereits Mordaunt gezeigt hatte.

»Ist das alles?«, fragte Athos.

»Nein, Mylord. Es sind auch fünfundsiebzig Pfund zugesagt, wenn ich Euch wohlbehalten nach Boulogne oder nach irgendeinem anderen von Euch zu bestimmenden Punkt Frankreichs bringe.«

»Was denkt Ihr hiervon, d’Artagnan?«, fragte Athos in französischer Sprache, nachdem er die Worte des Mannes ins Französische übersetzt hatte.

»Dies klingt mir sehr wahrscheinlich«, sagte d’Artagnan.

»Mir auch«, sprach Athos.

»Überdies«, fügte d’Artagnan bei, »überdies können wir den Menschen, wenn er uns betrügt, über den Haufen schießen.«

»Und wer wird uns führen?«

»Ihr, Athos, Ihr wisst so viele Dinge, dass ich nicht daran zweifle, Ihr seid auch imstande, ein Schiff zu lenken.«

»Meiner Treu, Freund«, erwiderte Athos lächelnd, »Ihr habt ziemlich richtig erraten; ich war von meinem Vater für den Marinedienst bestimmt und habe einige unklare Begriffe von der Steuermannskunst.«

»Seht Ihr!«, rief d’Artagnan.

»Holt also unsere Freunde und kehrt bald zurück; es ist elf Uhr, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

D’Artagnan überbrachte Porthos und Aramis sowie den drei Lakaien die Aufforderung, ihm zu folgen, und die kleine Truppe stieß bald zu Athos. Bereits aber hatte d’Artagnan sein natürliches Misstrauen wieder angenommen; er fand die Straße zu öde, die Nacht zu schwarz, den Patron zu leicht.

Er erzählte Aramis, dass der Mann nicht Rogers sei, und nicht minder misstrauisch als er selbst, trug Aramis nicht wenig dazu bei, seinen Argwohn zu vermehren.

Ein kurzes Schnalzen mit der Zunge verriet Athos die Unruhe des Gascogners.

»Wir haben keine Zeit, misstrauisch zu sein«, sprach er, »die Barke erwartet uns, steigen wir ein.«

»Wer hindert uns, misstrauisch zu sein und dennoch einzusteigen? Man wird den Patron bewachen«, sprach Aramis.

»Und wenn er nicht geradeaus geht, schlage ich ihn tot«, fügte Porthos bei.

»Gut gesagt, Porthos«, versetzte d’Artagnan. »Steigen wir ein. Vorwärts Mousqueton.«

D’Artagnan hielt seine Freunde zurück und ließ die Bedienten zuerst gehen, damit sie das Brett probierten, welches vom Hafendamm zu der Barke führte.

Die drei Lakaien schritten ohne Zwischenfall hinüber und nach ihnen ihre Herren.

Sobald das Brett zurückgezogen war, setzte sich der Patron an das Steuerruder und machte einem seiner Matrosen ein Zeichen; mit einem Bootshaken bewaffnet fing dieser an zu manövrieren, um aus dem Irrsal von Schiffen, zwischen denen die kleine Barke eingezwängt war, herauszukommen.

Der andere Matrose befand sich bereits, sein Ruder in der Hand, am Backbord.

Als man sich der Ruder bedienen konnte, kam sein Kamerad zu ihm, und die Barke fing an rascher zu gehen, und es dauerte nicht lange, so war man an der Feluke.

»Der Blitz«, sprach der Patron.

»Wir sind also an Ort und Stelle?«, fragte Athos auf Englisch.

»Wir kommen eben hin«, antwortete der Kapitän.

Nach drei Ruderstößen befand man sich dicht neben dem kleinen Fahrzeug. Der Matrose wartete, die Leiter war bereit, er hatte die Barke erkannt.

Athos stieg zuerst hinauf, und zwar mit seemännischer Gewandtheit. Aramis folgte ihm wie ein Mann, der längst an Strickleitern und ähnliche mehr oder minder ungewöhnliche Mittel zur Erreichung verbotener Räume gewöhnt ist. D’Artagnan kletterte mit der Geschicklichkeit eines Gämsenjägers hinauf; Porthos entwickelte die Kraft, die bei ihm alles ersetzte.

Der Kapitän führte die Passagiere in die für sie bestimmte Unterkunft, bestehend aus einem einzigen Zimmer, das sie gemeinschaftlich innehaben sollten. Dann suchte er sich unter dem Vorwand, einige Befehle geben zu müssen, zu entfernen.

»Einen Augenblick«, sagte d’Artagnan. »Wieviel Mann habt Ihr am Bord, Patron?«

»Ich verstehe nicht«, antwortete dieser englisch.

»Fragt ihn in seiner Sprache, Athos.«

Athos wiederholte die Frage d’Artagnans.

»Drei«, antwortete Groslow, »wohl verstanden, mich nicht gerechnet.«

D’Artagnan begriff, denn der Patron hatte bei seiner Erwiderung drei Finger gehoben.

»Oh, drei!«, sprach d’Artagnan, »ich fange an, ruhiger zu werden; doch gleichviel, während Ihr Euch einrichtet, mache ich einen Gang durch das Schiff.«

»Und ich«, sagte Porthos, »ich werde mich mit dem Abendessen beschäftigen.«

»Dieses Vorhaben ist schön und edelmütig, Porthos; bringt es daher in Ausführung. Ihr, Athos, leiht mir Grimaud, der in Gesellschaft seines Freundes Parry etwas Englisch kauderwelschen gelernt hat. Er soll mir als Dolmetscher dienen.«

D’Artagnan hob eine Laterne mit einer Hand auf, nahm mit der anderen eine Pistole und sagte zu dem Patron: »Come«, was nebst Goddam alles war, was er von der englischen Sprache hatte behalten können.

D’Artagnan kam zu der Luke und stieg in das Zwischendeck hinab.

Das Zwischendeck hatte drei Abteilungen; einmal die, in welche d’Artagnan hinabstieg, und die sich vom Hinterteil des Schiffes bis gegen die Mitte desselben ausdehnte, folglich durch den Boden des Zimmers bedeckt war, in dem Athos, Porthos und Aramis die Nacht zuzubringen sich anschickten; die zweite, welche die Mitte des Schiffes bildete und zur Unterkunft für die Diener bestimmt war; die dritte unter dem Vorderteil, d. h. unter der für den Kapitän improvisierten Kajüte, worin sich Mordaunt verborgen hielt.

»Oh!«, sprach d’Artagnan, die Treppe hinabsteigend, während er seine Laterne in der ganzen Länge seines Armes vor sich ausstreckte, »wie viele Tonnen!«

»Was sagt Ihr?«, fragte der Kapitän englisch.

»Ich wünsche zu wissen, was in diesen Tonnen ist«, erwiderte d’Artagnan und setzte seine Leiter auf eines der Fässer.

Der Patron machte unwillkürlich eine Bewegung, um die Leiter wieder hinaufzusteigen; aber er hielt sich zurück.

»Porto«, antwortete er.

»Ah, Portwein«, erwiderte d’Artagnan, »das dient zur Beruhigung, wir werden nicht verdursten.«

Dann wandte er sich wieder zu Groslow, der schwere Schweißtropfen an seiner Stirn abtrocknete, und fragte: »Und sie sind voll?«

Grimaud übersetzte die Frage.

»Die einen sind voll, die anderen leer«, antwortete Groslow mit einer Stimme, in der sich seine Unruhe verriet.

D’Artagnan klopfte mit dem Finger an die Tonnen und bemerkte, dass fünf voll und die anderen leer waren. Dann hielt er, beständig zum großen Schrecken des Engländers, seine Laterne in die Zwischenräume der Fässer und sah, dass diese Zwischenräume nichts enthielten.

»Vorwärts!«, rief er und schritt auf die Tür zu, die nach der zweiten Abteilung führte.

»Wartet«, sprach der Engländer, der fortwährend in derselben Aufregung, welche wir vorhin bezeichnet haben, zurückgeblieben war.

Und rasch vor d’Artagnan und Grimaud tretend, steckte er mit zitternder Hand den Schlüssel in das Schloss, und man befand sich im zweiten Gelass, wo Mousqueton und Blaisois eben zu Nacht speisen wollten.

In dieser Abteilung war offenbar nichts zu suchen und zu fragen. Man sah alle Winkel beim Schimmer der Lampe, die diese würdigen Kameraden beleuchtete.

Man ging also rasch durch und besuchte die dritte Abteilung.

Drei bis vier am Plafond befestigte Hängematten, ein Tisch, der durch ein doppeltes, an jedem seiner Enden angebrachtes Seil gehalten wurde, zwei wurmstichige, hinkende Bänke bildeten die ganze Ausstattung. D’Artagnan hob ein paar alte an den Wänden hängende Segeltücher auf, und da er nichts Verdächtiges wahrnahm, kehrte er durch die Luke auf das Verdeck des Schiffes zurück.

»Und dieses Zimmer?«, fragte d’Artagnan.

»Es ist das meine«, sprach der Patron auf Grimauds Übersetzung. »Wollt Ihr eintreten?

»Öffnet die Tür«, versetzte d’Artagnan.

Der Engländer gehorchte. D’Artagnan hielt seine Laterne vor sich hinaus, streckte den Kopf durch die halb geöffnete Tür und sagte, als er sah, dass dieses Zimmer eine erbärmliche Spelunke war: »Gut, wenn eine Armee an Bord ist, so ist sie wenigstens hier nicht verborgen. Wir wollen nun sehen, ob Porthos ein Abendessen gefunden hat.«

Er dankte dem Patron mit einem Nicken des Kopfes und kehrte in das Esszimmer zurück, wo seine Freunde waren.

Porthos hatte, wie es schien, nichts gefunden, oder hatte er auch etwas gefunden, so war doch die Müdigkeit Meister über den Hunger geworden, denn er lag in tiefem Schlaf, als d’Artagnan zurückkehrte.

Durch die sanften Bewegungen der ersten Meereswellen gewiegt, fingen Athos und Aramis ebenfalls an, die Augen zu schließen. Sie öffneten sich wieder bei dem Geräusch, das ihr Gefährte machte.

»Wie ist es?«, fragte Aramis.

»Alles geht gut«, erwiderte d’Artagnan, »und wir können ruhig schlafen.«

Auf diese Versicherung ließ Aramis sein Haupt wieder zurückfallen, Athos machte mit dem seinen ein liebevolles Zeichen, und d’Artagnan, der wie Porthos mehr des Schlummers als der Speise bedurfte, beurlaubte Grimaud und legte sich mit bloßem Schwert in seinem Mantel so nieder, dass sein Leib den Weg versperrte und man unmöglich in das Zimmer eintreten konnte, ohne an ihn zu stoßen.