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Tommie Goerz – Meier

Tommie Goerz – Meier

Meier sitzt in der JVA. Man hatte ihn für zwölf Jahre weggesperrt, weil er eine Frau erschlagen haben soll. Zwar war er unschuldig, aber die Indizien hatten gegen ihn gesprochen. Zwei Jahre vor dieser Tat verschwand ein Mädchen aus seiner Nachbarschaft. Nach zwei Wochen fand man die Kleine, tot, nur dürftig verscharrt, unter Zweigen und Laub. Sie wurde gefesselt, geknebelt, geschlagen und missbraucht, dann erdrosselt.

Man nahm damals die DNA aller Männer im Umkreis, auch Meiers. Der Täter war nicht dabei. Aber auf diese Weise kam Meiers DNA in den Polizeicomputer. Außerdem fand man zwei Zigarettenkippen mit Meiers DNA bei der Leiche der Frau. Zudem fand man noch einen alten Baseballschläger mit dem Blut der Toten daran in seiner Garage, ebenfalls mit seiner DNA am Griff. So hatte man die Indizien, um ihn zu überführen und zu verurteilen. Ein Alibi für die Tatzeit hatte Meier nicht.

Nach zwei Jahren im Gefängnis fand Meier seinen Platz unter all den Kollegen aus vielen Ländern. Wie jeder hatte er Wunden, Unterwerfung, Schmerzen, Unsägliches und Zuträgerdienste ertragen müssen. Manche anderen wurden auch vergewaltigt, manchen urinierten die Kollegen ins Essen, manchmal wurde einer nachts mit Kot beschmiert. Wer als Opfer keine Freunde hat, darf sich nicht beschweren. Sonst wird er umgebracht und es sieht hinterher aus wie ein Selbstmord. Keiner hat etwas gesehen.

Nach zehn Jahren wird Meier schließlich entlassen, wegen guter Führung und guter Prognose. Er hat im Gefängnis viel gelernt und einen Auftrag bekommen. Er soll Wassiliy einem Freund des Tschetschenen Gregory, der noch einsitzt, einen Code überbringen, beziehungsweise eine ellenlange Nummer. Wofür Wassiliy sie braucht, weiß Meier nicht. Aber zur Belohnung wird ihm Wassiliy helfen, wenn er draußen etwas braucht.

Gregory war der Chef der Gefängnisinsassen gewesen. Er bekam mit, dass Meier Physik und Philosophie studiert hatte, Bücher las und klug war. Also holte er ihn zu sich als persönlichen wissenschaftlichen Berater, als Vertrauten. Eigentlich wollte Meier nichts mit Gregory zu tun haben, dann aber wusste er zu schätzen, dass er als Vertrauter des Königs der Gefangenen im Gefängnis ohne Angst und Willkür leben konnte und Sonderrechte, Freiheiten und Achtung genoss.

Also fährt Meier, als er draußen ist, einige Tage kreuz und quer mit dem Zug durch Deutschland, bis es schließlich wagt, Wassiliy in Duisburg aufzusuchen und ihm Gregorys lange Zahl zu überbringen.

In einem heruntergekommenen Viertel ist Wassiliy der König. Als er von Meier die Zahl bekommt, ist er hocherfreut und bietet diesem seine Hilfe an, falls er sie einmal brauchen sollte. Dann verabschiedet sich Meyer von dem Gangsterboss und fährt nach Hof an der Saale.

In Hof, einem Städtchen zwischen Frankenwald und Fichtelgebirge, kennt er niemanden, und niemand kennt ihn. Es handelt sich um ehemaliges DDR-Grenzland, und Meier hofft, dass man ihn dort in Ruhe lässt. Außerdem ist sein Ziel in der Nähe, auf welches er sein Fadenkreuz richtet. Er hat zwar noch keinen Plan, aber ein solcher wird sich schon noch ergeben.

Eine sehr interessante Geschichte nimmt nun ihren Lauf, in der sich herausstellt, dass Meier tatsächlich im Gefängnis viel gelernt hat, das ihm im Leben danach nützlich ist und in der er zudem durch einen glücklichen Zufall etwas Wichtiges findet, das ihm sein Ziel erreichen ist.

 

Tommie Goerz erfindet mit Meier einen sympathischen, klugen und gewitzten Charakter, dem das Herz des Lesers schon nach den ersten Seiten des Romans gehört. Im Lauf des Buches erweisen sich die Jahre, die der Protagonist im Gefängnis verbracht hat, als wirkliche Schule des Lebens, in welchem er nun alles erreichen kann, was er sich wünscht.

Nicht nur die Typen – denn als solche kann man die Menschen bezeichnen, die Mayer trifft, als er entlassen ist – von denen die Geschichte handelt sind besonders. Auch die Sprache, die der Autor verwendet, ist es, eine Form der Sprachkunst, die man sonst nur aus Gedichten kennt, schnörkellos, reduziert, aber trotzdem so treffend, dass jeder Leser sofort weiß, was damit gemeint ist.

Hohe Erzählkunst, die den Krimi von Tommie Goerz zu einem ganz besonderen Buch macht. Nicht einmal Anführungszeichen für die wörtliche Rede benötigt der Erzähler, und doch ist sein Buch angefüllt mit Reden, die interessanter nicht sein könnten.

Nicht umsonst bekam der Autor für dieses Werk den Friedrich-Glauser-Preis für den besten Kriminalroman im Jahr 2021. Auch die Geschichte, die er seinen Lesern erzählt, ist ungewöhnlich und bis zum Ende spannend. Es gibt schließlich ein Happy-End, das nicht darin besteht, dass der kluge Kommissar einen Mord aufklärt, aber das Ende von Meier ist auf andere Weise schön und für den Leser befriedigend.

Fazit:

Der Autor besticht in seinem Roman Meier durch eine großartige Sprache und die Darstellung von wirklichem Typen. Ganz besonders sticht sein Protagonist aus der Menge der immer gleichen und langweiligen Krimihelden hervor, und dessen ungewöhnliche Geschichte fesselt den Leser bis zum Schluss, der ein interessantes Happy-End bietet, das aufgrund seines Andersseins befriedigt.

Ich kann diesen Krimi dem an urigen Menschen und einer ungewöhnlichen Geschichte interessierten Leser empfehlen, der zudem an intelligent gemachter Sprachkunst Freunde hat.

Der Autor:

Tommie Goerz ist das Pseudonym von Dr. Marius Kliesch. Der deutsche Autor wurde 1954 geboren. Er studierte Jura, dann Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaften. Nach seinem Abschluss war von 1987 bis 1989 an einem Forschungsprojekt zur visuellen Wahrnehmung an der Psychiatrischen Klinik der FAU Erlangen Nürnberg beteiligt. 1989 erwarb er den Doktortitel in Soziologie.

Von 1989 bis 2009 war er Kreativer und Texter, zuletzt Creative Director bei dem Agenturnetzwerk Publicis. Er erhielt Kreativpreise. Von 2009 bis 2017 war er Lehrbeauftragter an der TU Nürnberg Georg Simon Ohm, danach Dozent an der Faber-Castell-Akademie Stein. Zudem war er als Unternehmensberater tätig. Seit 2017 ist er ausschließlich Autor.

2010 erschien sein erster Krimi Schafkopf mit dem fränkischen Kommissar Friedo Behütuns, ein Krimi, der Auftakt einer Reihe war.

Außerdem veröffentlichte Goerz eine Reihe von Kurzkrimis, den preisgekrönten Krimi Meier und den Krimi Frenzel, für welchen er den Crime Colone-Award 2022 bekam. Goerz ist Mitglied im PEN Berlin und im Syndikat.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
  • Foto des Autors. Copyright: Jacco Kliesch. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Pengiun Random House Verlagsgruppe GmbH

(ww)