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Deutsche Märchen und Sagen 156

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

202. Streit um die Sonne

Ein wunderbares Gesicht hatte man am 5. Dezember des Jahres 1577 in dem Städtchen Altorf bei Tübingen in Baden-Württemberg und in der Umgegend gesehen. Die Sonne ging nämlich nicht wie sonst klar auf, sondern ganz dunkelgelb und trüb. Ungefähr wie ein Vollmond sah sie aus und man konnte recht gut hineinschauen, ohne sich die Augen zu verblenden. Gleich darauf wurde sie so sehr verdunkelt, als ob eine Sonnenfinsternis gewesen wäre und wurde rot wie Blut, sodass man sie unmöglich wiedererkennen konnte. Nicht lange danach sah man selbst zwei Sonnen, die eine rot, die andere gelb, welche aufeinander losstürzten, als hätte die eine die andere unterbringen wollen. Das dauerte aber nur wenige Zeit und die eine rote Sonne verschwand; die gelbe blieb stehen, doch damit war es noch nicht am Ende. Es kam nämlich nun eine große Wolke, die aussah wie eine Kugel; die flog recht gegen die Sonne an und bedeckte sie ganz in der Mitte, sodass rund herum nur ein gelber Rand blieb. Bald darauf schoss noch eine Wolke, die aber länglicher war, am Himmel her und auch auf die Sonne los und kämpften die zwei Wolken mit ihr, bedeckten sie zu verschiedenen Malen, verschwanden aber endlich. Die Sonne blieb wieder gelblich am Himmel stehen. Endlich kam noch eine dritte Wolke von Westen her, die war länglich und hielt in der Nähe der Sonne an. Aus dieser Wolke kam eine große Menge von schwarz gekleideten Kriegsleuten heraus, viele zu Pferd, viele zu Fuß; die stellten sich in Schlachtordnung auf und zogen in die Sonne hinein. Hinter ihnen folgte ein mächtig großer Mann, der sie alle überragte.

Danach wurde die Sonne ein wenig heller, aber sie hatte lange nicht ihren natürlichen Glanz, doch dauerte das nicht lange, denn sie färbte sich gleich darauf rot wie Blut und Himmel und Erde glühten wieder von dieser Röte. Auch drangen blutige Wolken aus ihr hervor und zogen erneut gegen sie los. Viele schwarze Wolken lagerten sich auch um sie herum, während der Blutwolken immer mehr und mehr aus ihr herausflogen. Aus diesen Letzteren aber sah man bald Dinger kommen wie große Hüte und ringsherum schien die ganze Erde bedeckt mit diesen Hüten, die übrigens verschiedene Farben trugen, rot, blau, grün und schwarz. Am Ende senkten sich die Wolken und es sah aus, als ob es Blut geregnet hätte. Das währte sehr lange. Die Sonne hatte viel Mühe, wieder zu ihrer gewöhnlichen Klarheit zu kommen.