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Slatermans Westernkurier 09/2022

Auf ein Wort, Stranger, weißt du eigentlich was ein Cattalo ist?

Nein?

Nun, das ist auch nicht verwunderlich, schließlich gibt es hierzulande kaum jemanden, der den biologischen Begriff Hybride mit der Ära des Wilden Westens in Verbindung bringt. Und doch ist der Cattalo, der um 1888 im Westen der Vereinigten Staaten das Licht der Welt erblickte, ein solches Individuum, das aus einer geschlechtlichen Fortpflanzung zweier verschiedener Tierarten hervorgegangen ist mit dem Ziel, die Viehzucht im Wilden Westen zu revolutionieren.

Wenngleich er ein missglückter Zuchtversuch blieb, der bereits wenige Jahre später wieder in Vergessenheit geriet, war die Grundidee nicht verkehrt und wurde ein knappes Jahrhundert später wieder aufgegriffen.

Aber der Reihe nach.

 

*

 

Nach dem verheerenden, trockenen Sommer 1886, der die Ebenen der Range des Westens mit den Knochen unzähliger verdursteter Rinder übersäte, folgte sowohl ein verheerender als auch eiskalter Winter, in dem ein Blizzard nach dem anderen über das Land fegte, die Range in Eis und Schnee erstarren ließ und sowohl unter den Menschen als auch unter den Tieren unzählige Opfer forderte. Kleine und mittlere Rancher standen vor dem Ruin und selbst Rinderbarone wie Charles Goodnight wussten, dass auch sie ein weiteres Jahr mit solchen klimatischen Exzessen wirtschaftlich nicht überleben würden.

Jedem von ihnen war klar, dass er seinen Viehbestand und damit die Säulen seiner Existenz und seines Wohlstandes eigentlich nur gegen die Unbill dieser Wetterkapriolen schützen konnte, indem er seine Tiere in sichere, im Sommer Schatten und im Winter wärmespendende Ställe unterbrachte.

Allerdings war auch jedem klar, dass dies reines Wunschdenken war.

Zum einen war es ein Ding der Unmöglichkeit, Ställe für bis zu zwanzigtausend Rinder zu bauen, für ausreichend Wasser und Gras zu sorgen und den anfallenden Dung zu beseitigen. Das Ganze hätte mehr Geld verschlungen, als alle Viehzüchter westlich des Mississippis besaßen. Außerdem ließen sich die Tiere nicht so ohne Weiteres in Ställen halten. Die Longhorns waren zum Teil halbwilde Rinder, denen sogar ein Puma aus dem Weg ging und nur auf der freien Weide zu halten. In Ställen gefangen würden sie unweigerlich eingehen.

Also musste man das Wetterproblem anders angehen, zum Beispiel mit einer neuen Rinderrasse, die sowohl der Hitze als auch dem Schnee trotzte und dennoch gewinnträchtig war.

Es sollten Tiere sein, die fleischiger waren als die Longhorns, stärker als Ochsen und dabei dennoch genügsam und ausdauernd. Ihre zähe, dicht behaarte Haut sollte zu feinem Schuhwerk gegerbt oder zu üppigem Pelzwerk verarbeitet werden, ihre Knochen zu Kämmen und Nähnadeln und ihr Fleisch den Hunger der Menschen stillen. Es sollte eine Rasse sein, die auch noch vom dürftigsten Gras fett werden und selbst die schlimmsten Winter und Dürrezeiten überstehen konnte.

Aber woher solche Wundertiere nehmen?

 

*

 

Die Antwort schien einfach, als sie erst einmal jemandem eingefallen war. Warum als Grundstock für diese neue Rasse nicht auf das ausdauerndste Geschöpf des Westens zurückzugreifen, den amerikanischen Büffel? Ein Tier, das über Jahrhunderte erfolgreich allen Blizzards und Hitzeperioden widerstanden hatte.

Sofort meldeten sich die ersten Skeptiker.

Unmöglich, behaupteten sie, der Büffel war praktisch unzähmbar und nur schwer in Herden zusammenzuhalten und fast unmöglich, ihn mit dem Lasso einzufangen, um ihn zu bränden, ohne dabei lebensgefährliche Verletzungen zu riskieren.

Möglich, antworteten die Befürworter dieser Idee, aber der Büffel ist doch ein entfernter Verwandter unserer zahmen Rinder. Warum die beiden also nicht paaren und damit die gutmütige Natur der Longhorns mit der Widerstandsfähigkeit und dem Fleischgewicht des Büffels kombinieren?

Es dauerte bis Mitte 1888, bis der erste Mann öffentlich verkündete, diesen Einfall in die Tat umgesetzt zu haben, und es ihm gelungen war, ein Geschöpf auf die Welt zu bringen, das die Viehwirtschaft des Westens retten könnte.

Sein Name war Colonel Charles Buffalo Jones, ehemaliger Büffeljäger und Mitbegründer des kleinen, in Kansas im Finney County gelegenen Städtchens Garden City. Nachdem er Tausende von Tieren durch die Folgen der 1886er Blizzards, die Kansas heimgesucht hatten, sterben sah, machte er sich daran, diese Idee umzusetzen, und er begann solange Büffel mit Longhorns zu kreuzen, bis schließlich ein Geschöpf geboren wurde, das er stolz Cattalo nannte.

Auch wenn er der Erste war, der das Zuchtergebnis veröffentlichte, so gab es doch einige andere, die dies schon lange vor ihm versucht hatten. Während der britischen Kolonialisierung wurden bereits 1749 in den heutigen südlichen Bundesstaaten von Nordamerika versehentliche Kreuzungen zwischen Büffel und Hausrind festgestellt. Die ersten absichtlichen Versuche, Büffel mit Longhorns zu kreuzen, unternahm im Jahre 1880 Oberst Samuel Bedson, der Direktor des Stoney Mountain Penitentiary in Winnipeg, der acht Tiere einer von James McKay in Gefangenschaft gehaltener Büffelherde kaufte und diese mit Durham-Rindern kreuzte.

Und dann gab es da noch den Viehbaron Charles Goodnight, den Besitzer von 80.000 Rindern und Herrscher über 700.000 Acres Weideland im Panhandle zwischen Texas und New Mexiko. Er kam allerdings eher unfreiwillig in den Besitz dieser sogenannten Cattalos. Old Sikes, ein zahmer Büffelbulle, der schon seit Langem auf seiner Ranch lebte, wurde ein paar Jahre vor Jones Ankündigung von, sagen wir einmal, ziemlich starken, romantischen Neigungen zu einigen der freilaufenden Longhornkühen erfasst.

Jedenfalls breitete sich die Nachricht von Charles Buffalo Jones wie ein Präriefeuer aus und aus allen Himmelsrichtungen strömten Cowboys, Rancher und Neugierige herbei, um in Garden City diesen Cattalo zu bestaunen. Doch die Euphorie verflog schnell und auch bei Colonel Jones setzte binnen eines Jahres die Ernüchterung ein. Das Ergebnis dieser Züchtung war nicht nur wider die Natur und abgrundtief hässlich, sondern darüber hinaus als eigenständige Spezies auch nicht überlebensfähig.

Bei der Geburt starb oft das Kalb oder das Muttertier. Stierkälber, die am Leben blieben, waren sehr häufig unfruchtbar und was am schlimmsten war, der Cattalo hatte nichts von seiner Büffelnatur eingebüßt und, wie selbst sein glühendster Befürworter Colonel Charles Buffalo Jones zugeben musste, neigte zu starker Verdrießlichkeit.

Der Cattalo, noch vor wenigen Monaten als vollkommenes Tier für Prärie und Viehzucht gepriesen, besaß letzten Endes keinerlei gewinnbringende Eigenschaften und geriet ziemlich schnell wieder – wie übrigens auch Colonel Jones – in Vergessenheit.

 

*

 

Einhundert Jahre später allerdings, mit dem Wissen des 21. Jahrhunderts, wurde die Idee dieses Hybriden wieder aufgegriffen. 1965 gelang es Jim Burnett aus Montana nach etlichen Zuchtversuchen, einen Hybridbullen zu produzieren, der fruchtbar war. Das Ergebnis wurde Beefalo genannt. Der neue Name sollte diesen Hybrid von den Problemen der alten Cattalo-Rasse trennen. Bald darauf gründete Cory Skowronek in Kalifornien die World Beefalo Association und begann damit, die Hybriden als neue Rasse zu vermarkten.

Die Rasse wurde schließlich auf genetisch mindestens fünf Achtel Stier und höchstens drei Achtel Bison eingestellt. Eine Studie des US-Landwirtschaftsministeriums ergab, dass dieses Beefalofleisch weniger Fett und Cholesterin enthielt als das von Standardrindern.

Bis November 2008 gab es zwei Beefalo-Verbände, das American Beefalo World Registry und den American Beefalo International. Aufzucht, Verkauf und Schlachtungen von Beefalos sind heute in den Vereinigten Staaten ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig.

So weit, so gut, doch die um 1888 gefasste Idee, mit Cattalos die Viehwirtschaft zu revolutionieren, hat nicht nur ihre Sonnenseiten. Durch die immer weiter voranschreitende Kommerzialisierung der Beefalos in den letzten fünfzig Jahren sind die meisten der heutigen Bisonherden genetisch verschmutzt oder teilweise mit Rindern gekreuzt.

Es gibt nur noch vier reine, genetisch ungemischte Bisonherden in ganz Amerika und nur zwei, die frei von Brucellose sind, die Wind Cave Bisonherde in South Dakota und die Henry Mountains Herde in Utah.

Brucellose wird eine Infektionskrankheit genannt, die durch die gramnegativen, aeroben Stäbchenbakterien der Gattung Brucella verursacht wird. Sie wird hierzulande auch als Maltafieber, Ziegen-, italienisches oder Mittelmeerfieber bezeichnet, das hauptsächlich bei Ziegen oder Schafen auftritt, oder Bangsche Krankheit, die bei Rindern auftritt. Die Krankheit ist meldepflichtig, weil sie bei Menschen Leber- und Milzschwellungen hervorrufen kann und in seltenen Fällen auch Herzklappen- und Lungenentzündungen und für Schwangere und Kinder als bedrohlich gilt.

Reine Bisons werden inzwischen in vielen Bundesstaaten als exotische Tiere geführt, Cattalos und genetisch unreine Bisons hingegen als Haustiere.

Ob das alles wohl im Sinne der Natur ist?

Quellenhinweis: