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Die Gespenster – Dritter Teil – 36. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Sechsunddreißigste Erzählung

Die Kirchhoferscheinung zu Markau

Ich war zuerst Prediger zu Ketzür bei Brandenburg und trat im Jahre 1745 das Predigeramt zu Markau an. Da ich hier gleich anfangs mich noch nicht gehörig eingerichtet hatte, meine Fran aber, ökonomischer Hinsichten wegen, noch zu Ketzür wohnte, so aß ich einige Wochen hintereinander, mittags und abends, auf dem herrschaftlichen Hof bei dem Herrn Major von Bredow, damaligem Gutsbesitzer und Patrone der Pfarre zu Markau. Eines Mittags brachte, ich weiß nicht mehr welch ein Ungefähr, das Gespräch auf das Kapitel von Gespenstern.

Die Streitenden konnten sich über das Für und Wider nicht einigen. Endlich sollte mein theologisches Gutachten die Sache entscheiden.

Ich versicherte bloß, meine Augen hätten nie einen Geist gesehen. Ich wäre auch fest überzeugt, dass sie nie einen sehen würden.

Die ganze werte Gesellschaft geriet über diese ausweichende Erklärung in nicht geringe Verwunderung und begriff gar nicht, wie ich das Dasein der Gespenster, das mich doch wirklich bis in mein gegenwärtiges vierundsiebzigste Jahr nie gekümmert hat, nicht wenigstens dahin gestellt sein ließe.

Das Gespräch wurde indessen abgebrochen und auf eine andere Materie gelenkt.

Am Abend des nämlichen Tages, an welchem ich auf dem adligen Hof länger als gewöhnlich verweilt hatte, mochte es beinahe zwölf Uhr sein, als ich mich empfahl und dem Pfarrhaus zueilte. Ich pflegte an nassen Tagen, wo der gewöhnliche Eingang zum Pfarrhof schlammig war, über den Kirchhof nach Hause zu gehen und wählte auch heute diesen weniger schmutzigen Weg. Kaum aber hatte ich einige Schritte auf den Kirchhof hinauf getan, so wurde ich plötzlich von einem unbekannten Etwas gehalten. In demselben Augenblick schlug die Kirchturmuhr zwölf.

Ich kann nicht leugnen, dass dieses spukhafte Ereignis, verbunden mit dem heutigen Tischgespräch, mir wenigstens eine augenblickliche Furcht entsagte, welche mich sogar verhinderte, herzhaft nach dem hinzugreifen, was mich im Gehen so entschlossen und so urplötzlich aufhielt. Nach einigen Augenblicken der Unentschlossenheit wollte ich es indessen versuchen, dem Unbekannten klüglich aus dem Weg zu gehen, allein ich konnte weder zur Rechten noch zur Linken weiter vorwärts kommen. Immer wurde ich gehalten und immer blieb mein Wer da? unbeantwortet. Endlich nahm ich einen etwas größeren Umweg, und nun fand das schikanierende nächtliche Wesen keinen Beruf weiter, mich aufzuhalten. Ich erreichte nun ungehindert das Pfarrhaus, obwohl mir die Hacken bis dahin – was man zu nennen pflegt – lang wurden. Noch voll von der Kirchhoferscheinung sann ich, während ich mich in der Wohnstube entkleidete, Endlich sollte mein theologisches Gutachten die Sache entscheiden.

Ich versicherte bloß, meine Augen hätten nie einen Geist gesehen. Ich wäre auch fest überzeugt, dass sie nie einen sehen würden.

Die ganze werte Gesellschaft geriet über diese ausweichende Erklärung in nicht geringe Verwunderung und begriff gar nicht, wie ich das Dasein der Gespenster, das mich doch wirklich bis in mein gegenwärtiges vierundsiebzigste Jahr nie gekümmert hat, nicht wenigstens dahin gestellt sein ließe.

Das Gespräch wurde indessen abgebrochen und auf eine andere Materie gelenkt.

Am Abend des nämlichen Tages, an welchem ich auf dem adligen Hof länger als gewöhnlich verweilt hatte, mochte es beinahe zwölf Uhr sein, als ich mich empfahl und dem Pfarrhaus zueilte. Ich pflegte an nassen Tagen, wo der gewöhnliche Eingang zum Pfarrhof schlammig war, über den Kirchhof nach Hause zu gehen und wählte auch heute diesen weniger schmutzigen Weg. Kaum aber hatte ich einige Schritte auf den Kirchhof hinauf getan, so wurde ich plötzlich von einem unbekannten Etwas gehalten. In demselben Augenblick schlug die Kirchturmuhr nach einem natürlichen Aufschluss des anscheinenden Wunders hin und her. Nur so viel glaubte ich, dem Gefühl nach, mit Gewissheit entdeckt zu haben, dass das Betastete kein Mensch war. Aber kaum war die Magd, die mir Licht gebracht hatte, wieder zur Tür hinaus, so begann eine zweite Spukszene. Es zeigte sich mir außerhalb am Stubenfenster das Schrecklichste aller Gesichter mit feurigen Augen; zugleich erhob sich ein fürchterliches Geschrei, welches ich in der Bestürzung nicht genau zu unterscheiden imstande war und für das Jammern eines Kindes hielt. Im ersten Augenblick konnte ich nicht anders vermuten, als dass diese Erscheinung eine um mittelbare Fortsetzung des soeben auf dem Kirchhof bestandenen Abenteuers sei oder dass wenigstens einerlei Ursachen hierbei zugrunde lägen. Allein bald wurde ich eines anderen belehrt. Ich trat nämlich, um dem Unfug am Fenster ein Ende zu machen, beherzt hinzu, um dasselbe zu öffnen. Meine Absicht aber war, die Erscheinung entweder zu einer Antwort oder wenigstens zum Rückzug zu nötigen. Kaum war das Fenster nur zur Hälfte geöffnet, so drängte sich das Schreckensgesicht hindurch und in die Stube hinein.

Ich erblickte meinen schönen, noch in Ketzür aufgezogenen Kater, dessen liebkosende Äußerung auf das Unverkennbarste seine Freude, mich wiederzufinden, verrieten.

Ich hatte ihn nämlich vor einigen Tagen in einem Sack aus Ketzür nach Markau nachbringen lassen. Gleich nach Öffnung des Sackes, die in meiner Abwesenheit geschehen war, entsprang er indessen, wahrscheinlich aus Furcht vor den ihm unbekannten Gegenständen und Personen.

Ich weiß nicht, ob er sich die Tage etwa in Gärten und auf Bäumen aufgehalten haben mochte; genug, er war mit aller angewandten Mühe weder zu finden noch herbeizulocken gewesen. Nun, wo ihn der Hunger den Wohnungen der Menschen wieder näher gebracht haben mochte, schien er mich, seinen alten, und wie es schien, lieben Brotherrn gewittert oder beim Schein des Lichtes erkannt zu haben. Er sprang daher an das Fenster hinauf und gab durch sein grässliches Geschrei seine Freude über meinen unvermuteten Anblick zu erkennen. Ich kann nicht leugnen, dass ich mich herzlich freute, zugleich auf eine so angenehme Weise die natürliche Ursache dieser Erscheinung entdeckt zu haben, und ich wünschte nun noch viel sehnlicher, hoffte aber auch noch viel zuversichtlicher, auch über das, was mir auf dem Kirchhof in den Weg getreten war, eine ebenso befriedigende Auskunft zu erhalten.

Und wirklich erhielt ich diese auch am folgenden Tag. Ich fand nämlich, genau da, wo das vermeinte Gespenst mich bannen wollte, ein großes hölzernes Grabkreuz, das, wie ich danach erfuhr, ein Tagelöhner seinem verstorbenen Kind an dem nämlichen Tag, während meines Aufenthalts auf dem adligen Hof, anstatt eines Leichensteins gesetzt hatte. Unüberlegter Weise hatte er diesem gerade da einen Platz ausgesucht, wo bisher die Fußgänger zu gehen pflegten, indessen dicht neben dem Fußsteig die Grabstätte war.