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Die Gespenster – Dritter Teil – 35. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Fünfunddreißigste Erzählung

Ein Spuk springt in allem Ernst Micheln auf den Rücken und lässt sich so fortschleppen.

Michel, der handfeste Knecht eines sächsischen Bauern, hatte schon viel von dem furchtbaren Unwesen des Brauhausgespenstes seines Wohnortes gehört, ohne den sonderbaren und mannigfaltigen Erzählungen Glauben beizumessen, die in den langen Winterabenden den Spinnerinnen des Dorfes den Schlaf verscheuchten.

Hu! Wie grauste ihnen die Haut, wie standen ihnen die Haare zu Berge, wenn sie vernahmen, dass der aufrechtgehende, zottige Bärwolf, mit feurigen Augen und vier Bärentatzen, gleich einer Katze, auf den Rücken der Vorübergehenden hinzuspringen pflegte. Aber Michel, dem so gemütlich war, als wären die Schürzen der Spinnstube furchtsame Närrinnen und nicht geeignet, ein anscheinendes Gespenst zu entlarven, verlachte und bespöttelte die Furchtsamen, ohne zu ahnen, dass es ihm vorbehalten sei, nächstens eine anschauliche Erfahrung von dem wirklichen Dasein dieses zudringlichen Gespenstes zu machen und das Opfer derselben zu werden.

Als er eines Abends aus dem frohen Kreis eines Trinkgelages ungewöhnlich spät und einsam nach Hause ging, musste er an dem berüchtigten Brauhaus vorbei. Ein bedeutungsreicher Zufall wollte, dass er den grausigen Glockenschlag zwölf gerade in der bedenklichsten Spukgegend ertönen hörte. Möglich, dachte er nun seinen sonst geäußerten Prahlereien ganz zuwider, möglich wäre es, dass es hier spukte, denn dies alte Gebäude ist fürchterlich verfallen und eine wahre Behausung der Nachteulen und Geister. Hu! Wenn ich doch nur erst vorüber wäre!

Kaum hatte er diesen Gedanken halb ausgedacht: Husch! Da schoss der schon oft gesehene zottige Bärwolf, pfeilschnell und grauenerregend, vor ihm hin und hing, ehe er sich besinnen konnte, zentnerschwer auf seinen Schultern. Vor Angst und Schrecken eilte er zur nächsten Bauernwohnung. Man machte die Tür auf und der Huckepack fiel hinunter und verschwand.

Alle erschraken über seine Totenblässe und den Angstschweiß, der aus allen Teilen seines Leibes hervorbrach. Diese für ihn so entsetzliche und lange nicht aufgeklärte Erscheinung zog ihm eine schwere Krankheit zu, an welcher der sonst so gesunde Bursche nach einigen Wochen zu sterben das Unglück hatte, nachdem er zuvor allen Neugierigen seine Geschichte umständlich erzählte und vor seinem Vorwitze warnte. Nun wagte es niemand mehr bei Nacht und viele nicht einmal am hellen Tag an dem berüchtigten Ort vorüberzugehen, bis nach einiger Zeit der Aufhucker seine Geschicklichkeit an einem Entschlosseneren, der ganz vorurteillos war, versuchte. Dieser hatte das Herz, seine Last mit den Händen zu betasten und entdeckte in dem vermeintlichen Gespenst den großen Kettenhund des nächstwohnenden Bauern. Dieses sonst gar nicht bösartige Tier war nämlich von einem mutwilligen Jungen abgerichtet worden, aus Langerweile auf seinem Rücken zu reiten. Und diesen Spaß trieb der spielende Hund dann auch mit denen von seiner Bekanntschaft, die des Abends an dem Haus vorübergingen. Da dies bekannt wurde, schämten sich zwar die sonst Verständigen, die durch den erzählten Vorfall auf die Seite der Abergläubigen getreten waren, und es ward nun mancherlei darüber geklügelt: Aber der unglückliche Michel war doch nun einmal tot.