Das Buch vom Rübezahl – Teil 23
Das Buch vom Rübezahl
Neu erzählt von H. Kletke
Breslau, 1852
24. Der schwedische Rittmeister
Einen schwedischen Offizier kam einmal die Lust an, auf das Gebirge zu reisen, den weit und breit berühmten Herrn Rübezahl, von dessen Freigebigkeit er so viel gehört hatte, selbst zu sehen, ihm einen Besuch abzustatten und womöglich ein hübsches Geschenk zu erbeuten.
Also nahm er sein bestes Pferd, zog seine besten Kleider an und ritt darauf in voller Hoffnung, Rübezahl werde sich freigebig gegen ihn erweisen, dem Gebirge zu. Kaum war er über die Hälfte desselben gelangt, so wurde er einen ansehnlichen, wohlausstaffierten Reiter gewahr, der sich auf einer schönen grünen Ebene mit einem mutigen Pferd umhertummelte.
Der Offizier, ganz erfreut, ritt manierlich hinzu und machte dem Reiter seine Verbeugung. Anfangs stellte sich Rübezahl durch den unvermuteten Besuch ein wenig überrascht, machte indessen ganz höflich seine Gegenverbeugung und fragte den Rittmeister, woher er komme und wohin die Reise gehe.
Der Offizier entgegnete: »Da unsere Mannschaft einige Zeit hier rasten soll, so habe ich die Gelegenheit nicht unbenutzt lassen wollen, dieses weltberühmte Gebirge zu besuchen.«
»Der Herr tut wohl daran«, erwiderte Rübezahl, »und wird sich dessen lebenslang zu erinnern haben.«
Nachdem nun dergleichen Höflichkeiten beiderseits ausgetauscht worden waren, betrachtete Rübezahl den Rittmeister von allen Seiten, rühmte seine schöne Kleidung, sein vortreffliches Pferd und sagte: »Es fehlt nicht viel, so möchte ich wohl mit Pferd und Kleidern tauschen, weil ich auf die Manier noch kein Kleid gesehen habe.«
»Und ich«, versetzte der Rittmeister, »kann mit Wahrheit sagen, dass mir des Herrn Pferd und Kleid überaus gut gefällt.«
»Wohlan«, sprach Rübezahl, »wenn der Herr Lust hat, mit Pferd und Kleidern einen Tausch zu wagen, so lasse ich es mir gefallen.«
»Topp!«, rief der Rittmeister, »ein Wort ein Mann, ich tausche.«
Sofort schwenkten sich beide aus dem Sattel, tauschten zuerst die Pferde, sodann die Oberkleider samt Hut und Perücke und behielt ein jeder von dem seinigen nur Hemd, Hosen und Stiefeln.
Mit vielem Vergnügen zogen sie einer des anderen Kleidung an. Nachdem alles nun seine Richtigkeit hatte, setzten sie sich wieder zu Pferde, machten sich ein freundliches Abschiedskompliment und ritten lustig jeder seinen Weg, Rübezahl das Gebirge hinauf, der Rittmeister frohen Mutes hinunter und belachte bei sich selbst den getroffenen Tausch. Aber der war auch belachenswert, denn als der Rittmeister dem Gebirge den Rücken kehrte und die Augen recht auftat, um sein mit Gold und Edelsteinen reich geschmücktes Kleid gehörig zu betrachten, siehe, da ward er inne, dass sein kostbarer Anzug, welchen er auf etliche Tonnen Goldes geschätzt, von lauter Schilf und Blättern ineinander geflochten war; statt des Rosses regierte er einen zierlichen Prügel zwischen den Beinen, statt der Perücke hatte er ein Genist von allerhand Moos auf und einen Kastorhut von Schwamm, wie ihn die Schwammhändler tragen.
Als der gute Schwede sich so von allen Seiten ansah, riss er zornig den ganzen Plunder vom Leib, warf ihn mitsamt dem hölzernen Pferd auf die Erde und trat mit Füßen darauf. Um aber ohne Schande wieder zu seinen Leuten zu kommen, wartete er, bis es dunkel wurde, ging im bloßen Hemd – nur den Hut hatte er noch — zum nächsten Dorf und schickte von dort einen Boten nach seinem Diener, der ihm ein anderes Pferd und andere Kleider bringen musste.
Wie er inzwischen im Wirtshaus darauf wartete, nahm er aus langerweile seinen Hut vom Kopf und besah ihn von allen Seiten. Als er ihn gegenwärtig so genau betrachtete, bemerkte er, dass der Hut eine Schnur habe, welche aus lauter Edelsteinen bestand. Da war der Rittmeister seines Tausches doch froh gewesen.