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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Dritter Teil – 30. Erzählung – Nr. 2

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Dreißigste Erzählung

Fünf Tatsachen, welche erweisen, dass und warum viele Verstorbene spuken

Nr. 2

Während des Aufenthalts dieser Dame in England gehörte Folgendes, gerade damals in einer der dortigen Zeitschriften bekannt Gemachtes höchst sonderbares Ereignis, in allen Gesellschaften zur Tagesordnung:

Ein reicher Engländer aus einer Provinzialstadt, deren Name der Fr. Erzählerin entfallen ist, hatte das Unglück, einige Monate vor seinem Tod sehr von einem plötzlich entstehenden, aber gewöhnlich auch bald wieder vorübergehenden Drücken und Pressen in der Brust geplagt zu werden. Alle Mittel, die er dagegen gebrauchte, waren fruchtlos. Das Übel nahm zu und er konnte mit allen seinen Guineen den Tod nicht bestechen. Seine Ärzte taten ihr Möglichstes, aber eher sie es dachten, blieb er in einem ihm plötzlich angetretenen Brustkrampf tot. Nahe Verwandten hatte er nicht; und die entfernteren waren lachende Erben. Indessen wollten sie ihre tiefe, jedoch tränenlose Rührung über den plötzlichen Tod des Herrn Vetters wenigstens durch ein pomphaftes Leichenbegängnis an den Tag legen.

Nach der Sitte des Landes bewachten den in einen prächtigen Sarg gelegten Briten des Nachts junge Leute männlichen und weiblichen Geschlechts. Diese wurden, um sie munter zu halten, unter anderen mit einer Bowle eines warmen Getränkes, welches Ähnlichkeit mit unserem Punsch hat, bewirtet. Um den Labetrunk desto vergnügter hinunterzuschlürfen und die Zeit angenehmer zu verkürzen, spielten die jugendlichen Totenwächter um Mitternacht ein Spiel, wobei hinterher Pfänder ausgelöst wurden. Es mochte wohl die Wirkung des feurigen Getränkes sein, dass man nicht bloß vergnügt, sondern selbst ausgelassen lustig war. Dem einen aus dem jugendlichen Kreis wurde daher bei Auslösung seines Pfandes die eigene Strafe zuerkannt, dass er dem armen Toten im Sarg, der auch wohl gern eins mittränke, ein Glas ihres Punsches in den aufstehenden Mund gießen solle. Durch Übung und Gewohnheit schon längst gegen dergleichen bewachte Tote dreist gemacht, wurde dies, ohne den mindesten Anstand, sogleich ins Werk gerichtet. Dem Toten kullerte das warme Getränk mit einem sonderbaren Geräusch hinunter, ja es wühlte hörbar noch lange in der Brust desselben. Diese unvermutete Erscheinung nötigte den Anwesenden ein so herzhaftes Gelächter ab, dass man bald darauf beschloss, auch das Pfand eines Mädchens, welches die Toten nicht gern berührte, auf die nämliche Art auslösen zu lassen. Indessen fasste die Furchtsame ein Herz und goss der Leiche das Getränk ebenfalls langsam in den Schlund hinab.

Aber, o weh! Wie wurde das arme, schöne Kind erschreckt, als es bemerkte, dass der Tote die Augen verdrehte und mit den an die Schultern herangezogenen Armen Miene machte, als wollte er sich aufrichten. Mit einem lauten Schrei stürzten die bestraften Wächter insgesamt zum Zimmer hinaus und ließen Leiche und Punsch im Stich.

Es entstand ein gewaltiger Lärm im Haus. Alles wurde aus dem Schlaf gekreischt; und alles eilte mit furchtsamer Neugier dem Totenzimmer zu. Anfangs getraute man sich kaum hinein, denn man erblickte durch die aufstehende Tür die vermeinte Leiche sitzend im Sarg. Endlich wagte man es, näher zu treten. Der bisherige Tote starrte sie und sie ihn mit großen Augen an. Auf dem Leichenhemd vor ihm saßen zwei sehr blassgelbe große Frösche, die der aus dem Scheintod erwachte Wiedergeborene mit dem ihm eingegossenen warmen Punsch vor sich hin gespien hatte. Sie konnten nicht hüpfen, sondern krochen nur langsam und starben einige Zeit darauf. Die vermeinte Leiche versicherte, dass ihr, seitdem sie das Drücken in der Brust gehabt habe, nie so wohl gewesen sei, als jetzt. Die vorhin lachenden Erben wünschten dem vom Tod auferstandenen Herrn Vetter von Herzen – jedoch sehr ernsthaft – Glück zur Punschkur. Die Wächter freuten sich, dass ihr Mutwille zufällig die tötenden Frösche aus der beklommenen Brust gejagt hatte.

Der Genesene erholte sich unter den Händen der Ärzte, die den Punsch von nun an für offiziell erklärten. Das junge, schöne, aber arme Mädchen, welches die wohltätige Froschgeburten durch ihr Eingießen des letzten Punsches an das Tageslicht gebracht hatte, belohnte der vom Tode auferstandene reiche Engländer dadurch, dass er sie heiratete.