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Der Welt-Detektiv Band 6

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Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel VIII, Teil 1

Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.

Kapitel VIII, Teil 1

Zweite Höllenreise. Generalmusterung der Verdammten. Die deutschen Auswanderer in Havre

Wie der Leser schon längst bemerkt haben wird, lässt es unseren Michel nirgends lange ruhen, noch rasten, und schon würde er dem Himmel selbst einen Besuch abgestattet haben, wenn seinem unzertrennlichen Reisegefährten der Weg dahin nicht verschlossen und der Eingang zu demselben vom Heiligen Petrus nicht noch hundertmal gewissenhafter bewacht wäre als der der verbotenen Waren in die Staaten des Zollvereins oder nach Frankreich und der der gefährlichen Bücher nach Österreich oder Russland. Da er den Himmel nicht besuchen durfte, so tröstete er sich mit der Hölle und beschloss eine zweite Fahrt in dieselbe zu machen und die weiteren Merkwürdigkeiten derselben in Augenschein zu nehmen.

Diesmal fuhren unsere Gesellen durch den Vesuv in das schreckliche Reich der Verdammten, in dem Michel nicht minder freundschaftlich wie das erste Mal aufgenommen und sogar zur großsatanischen Familientafel gezogen wurde, eine mindestens ebenso große Auszeichnung wie eine Einladung zur Tafel der Königin von Spanien zu erhalten. Er freute sich des Wiedersehens der liebenswürdigen Prinzessinnen Sataniella, Diavolina, Cornalina etc., denen er ehrerbietig die Hände küsste und sich dann nach aufge­hobener Tafel anschickte, mit seinem Begleiter und mit allerhöchster Bewilligung eine Spazierfahrt durch das Reich der Hölle zu machen, wozu ihm Papa Großsatan sogar eine seiner achtundvier­zigspännigen Hofequipagen zur Verfügung stellte. Die Stelle der Pferde vertraten kolossale, feuersprühende und gehörnte Fledermäuse. An den Pforten des Quallandes angekommen, spie ein tausend­rachiges Ungeheuer, das hier die Dienste der Zollwächter versah und das Ein- und Ausschmuggeln verbotener Waren verhinderte, einen glühenden Schwefelregen aus allen seinen Rachen. Der Hinkende verwies das Untier jedoch durch einen Krückenschlag zur Ruhe. Nun fuhren oder vielmehr schwebten, denn der Wagen ruhte auf Feuerwolken, unsere Reisenden über einer unabsehbaren, dunkelglühend beleuchteten Fläche, über welcher sich schwarzrote Wolken türmten, unter ihnen aber stürmte, brauste, heulte, sauste und wütete es, dass Donnergebrüll Kindergewinsel dagegen schien. Da lagen zu ihren Füßen die unendlich scheinenden Täler, Abgründe, Kluften, Meere, Seen, Felsen und Klippen der grässlichsten Straf- und Qualorte der Verdammten. Blutrote und goldgelbe, silberweiße und fahlgrüne Wellen türmten sich berghoch. Das ganze schreckliche Durcheinander glich den Riesentrümmern eingestürzter Welten. Aus Tausenden von Vulkanen entstiegen giftige Dämpfe und ein höllisch stinkender Qualm bildete schwarze, blitzschwangere Wolken, aus denen sich Feuerregen entluden. In beständig bebender Erschütterung waren Berge, Felsen und Boden, alles schien in ewigem Aufruhr; brüllend heulende Stürme durchsausten die bald glühenden, bald eisigen Lüfte unaufhörlich und schleuderten alles zu zertrümmern drohende Felsstücke und Berge einher. Das Getöse war so betäubend, Schwefel, Asche, Glutsand, Feuerregen bildeten ein solches Chaos, dass deren Schrecken keine sterbliche Feder zu schildern vermag.

In diesen endlos scheinenden Regionen des furchtbarsten Jammers, des Wehes und der grässlichsten Qualen, von denen Friede und Hoffnung in alle Ewigkeit entschwunden und welche der Sitz grenzenloser Verzweiflung waren, grenzenlos wie der ganze Schauerort, ertönte das Wehgeheul und Gewinsel der Verdammten ohne Aufhören.

Nun schwebten die beiden Höllenreisenden mitten über einem dampfend sprudelnden Blutmeer, zu dem sie sich hinabsenkten und in das Michel, trotz seinem feuer- und höllenfesten Körper, doch nicht ohne einige Bangigkeit und Angst zu blicken vermochte. Bald entdeckte er zahllose Menschenleiber, die aus demselben hervorragten, aber entsetzlich anzusehen waren, denn alle waren geschunden und hautlos. Vielen von ihnen reichte das kochend schäumende Blut bis an die Unterlippe, anderen dagegen benetzte es kaum die Fußsohlen. Und so stieg es stufenweise mathematisch in Linienbreite abgemessen an den verschiedenen Körpern hinauf, die jedoch nicht höher geschunden waren, als das Blut stieg. Nur denjenigen war die Haut auch noch vom Kopf und Gesicht gelöst, über deren Häupter die siedenden Blutwellen zusammenschlugen und denen das Blut auch in den weit geöffneten Mund strömte.

»Dies ist das Meer der Mörder«, erklärte Asmodi seinem Schützling, »in welchem Meuchel-, Raub- und andere Mörder ihre schwarzen Taten in alle Ewigkeit büßen müssen.«

Alle in demselben schwimmenden Verdammten umgaben in 99 nach ihrer Entfernung sich immer mehr ausdehnenden Kreisen den Mittelpunkt dieses Blutmeers, aus dem ein dicker schwarzer Schundkopf ganz allein hervorragte, über den jeden Augenblick eine siedende Blutwelle schlug, die ihn zu verschlingen drohte, während ihm das Blut unaufhörlich in den Mund strömte.

»Wer ist denn dieser schreckliche Dickkopf dort«, fragte Stürmer seinen Führer, um den sich alle anderen im Kreis drehen?«

»Das ist der erste aller Mörder und Brudermörder, der abscheuliche Kain«, antwortete Asmodi. »Er bildet das Zentrum des Blutmeers; seine Strafe ist die schrecklichste, weil er die kaum erschaffene Erde zuerst mit Bruderblut tränkte und so der Vater des Mordes wurde. Sämtliche hier verdammte Mörder betrachten und verwünschen ihn als den Urheber ihrer Marter, während ohne sein Beispiel sie ihre Hände nie mit dieser Todsünde befleckt haben würden. Vater-, Mutter-, Gatten- und Geschwistermörder«, fuhr Asmodi fort, »sind alle die, denen du mit geschundenen Gesichtern das Blut in die Mäuler strömen siehst. Sie bilden den nächsten Kreis um den Kain. Das Blut dieses Kreises, das ihre geschundenen Leiber umströmt, hat den höchsten Grad der Hitze, der nur um etwas weniges noch von dem Zentrum, in dem der Urvater des Mordes siedet, übertroffen wird. Unter ihnen erblickst du auch gar manches gekrönte und tonsierte Haupt, Fürsten und Könige, denen Bruder- und Vatermord ein Spiel war, um so gebrechliche Dinge wie Throne und Kronen auf Erden sind, ein paar Jahre früher zu besteigen und zu besitzen. Dort der geschundene Furienkopf im ersten Blutkreis, der ein so kreischendes Schmerzgeheul ausstößt, das ist Tullia, des Servius, des sechsten Königs von Rom unnatürliche Tochter, die ihrem Kutscher bei ihrem fürchterlichsten Zorn befahl, über den Leichnam des auf ihre Veranlassung ermordeten Vaters zu fahren, sodass sie über und über mit dessen Blut bespritzt wurde. Zehn Schritte von ihr siedet ihr Gatte Lucius Tarquinius. Beide waren nicht nur Vatermörder, sondern auch Gatten- und Geschwistermörder, Giftmischer und Ehebrecher. Dort heult, einige Schritte von ihnen, der Gründer der Stadt, die ihr kurzsichtigen Sterblichen die Ewige nennt, Romulus, der seinen Bruder Remus erschlug.«

»Aber wer ist denn der, der dort etwas weiter links mit dem spitzen Schundkopf und den Kalmückenaugen hervorragt?«, fragte Michel seinen höllischen Cicerone.

»Dies war der chinesische Kaiser Hant-so, der durch den Mord seines Wohltäters und Beschützers, welcher Vaterstelle an ihm vertreten hatte, den chinesischen Thron usurpierte und eine Reihe von Jahren China tyrannisierte. Aber endlich wurde dem Mörder und Thronräuber vom herangewachsenen Sohn des ermordeten Kaisers Tian Xiang, dem Chao-kang der verdiente Lohn.

»Und der, welcher dicht neben ihm die siedenden Blutmassen verschlingt?«

»Das ist ein anderer chinesischer Usurpator und Brudermörder, der Kaiser Tschui-chu, der auch alle Geschichtsschreiber hatte ermorden lassen, die sich unterfingen, über seine Untaten und Grausamkeiten zu berichten. Er wollte dadurch verhindern, dass seine Schandtaten bekannt werden und auf die Nachwelt kommen sollten, ebenso vergebliche wie lächerliche Bemühungen. Andere Historiker, die sein ohnmächtiger Arm nicht erreichen konnte, malten des Ungeheuers scheußliche Verbrechen mit desto grelleren Farben. Er ist in den chinesischen Jahrbüchern als einer der grässlichsten Wüteriche dieses Reichs bezeichnet.«

»Und dort, der mit den so grimmig verdrehten Augen?«

»Das ist der römische Kaiser Caracalle, der seinen guten Bruder Geta in den Armen seiner Mutter ermordete.«

»Und jener, dessen Wutgeheul noch einen so unbändigen Zorn verrät und der mit drohenden Blicken um sich zu werfen scheint?«

»Ha, das ist der große Konstantin.«

»Wie? Er, der das Christentum zuerst recht befestigte, dessen großer Verbreiter und zweiter Begründer, sozusagen, auch der hier?«

»Auch der.«

»Sage mir, Asmodi, ist es mir nicht vergönnt, diesen oder jenen der Verdammter anzureden und zu befragen? Ich hätte große Lust, über so manche Dinge Aufschluss zu erhalten, die mir bei dem Studium der Geschichte dunkel geblieben sind, und würde dadurch vielleicht meine Menschenkenntnis bereichern.«

»Schwerlich, doch frage immerhin, dies ist dir vergönnt, und noch mehr, da du unserem Reich und besonders mir so große Dienste erwiesen hast. Durch deine Fürbitte beim Papa Großsatan könnte sich dieser vielleicht bewogen finden, die Qualen mancher Verdammten zu mildern.«

Michel näherte sich nun dem Verdammten, den ihm Asmodi als Konstantin den Großen bezeichnet hatte, und sprach zu demselben: »Ich muss gestehen, dass es mich außerordentlich wundert, Ew. Majestät an diesem Ort zu finden, da man sie auf Erden der Seligkeiten des Himmels teilhaftig wähnt. Die Taufe reichte also nicht hin, Eure Verbrechen abzuwaschen und Euch den Qualen der Hölle zu entziehen?«

»Leider nicht, wie Ihr seht«, antwortete Konstantin mit einem tiefen Seufzer.

»Und Eure Mutter, die heilige Helena, vermochte nicht, Euch durch ihre Fürsprache zu retten?«

»Ach! Auch sie schmachtet in den Pfuhlen der Hölle, die Strafe der Ehebrecherinnen erleidend.«

»Ist es möglich. Doch ich ersuche Ew. Majestät, mir offen und ohne Rückhalt die Beweggründe Eurer Verbrechen und Handlungen mitzuteilen. Vielleicht bin ich imstande, Eurer Strafe Linderung auszuwirken, wenn sich mildernde Umstände vorfinden.«

Konstantins Züge erheiterten sich ein wenig und er sprach tief seufzend: »Angemessener Ehrgeiz und Herrschsucht waren die Beweggründe und Triebfedern meiner Handlungen und Verbrechen. Ihr wisst, dass ich mich durch 6000 deutsche, gallische und britische Soldaten zum Kaiser ernennen ließ. Diese, ohne die Einwilligung des römischen Volkes und Senats gemachte Ernennung wurde durch den Sieg über den Marentius gültig und ich bestieg den durch Mord besudelten Thron. Abscheulicher Vatermörder, ließ ich die beiden Licinius, den Mann und den Sohn meiner Schwester ermorden, weil ich fürchtete, von ihnen verraten zu werden. Sodann ließ ich mein eigenes Weib, die Kaiserin Fausta, im Bad ersticken, da ich auch von ihr Verrat und Untreue, dass sie mir nach dem Leben streben könnte, fürchtete. Indessen begannen diese wie noch andere Verbrechen, da ich selbst meine Kinder in meinem unseligen Misstrauen gegen alles, was mich umgab, nicht verschonte, mich gewaltig zu beunruhigen. Schreckgespenster verfolgten mich allenthalben, sodass ich weder bei Tag noch bei Nacht mehr einen ruhigen Augenblick hatte. Ich befragte die Hohenpriester meines Reichs, welche Opfer ich den Göttern bringen müsse, um meine Verbrechen zu sühnen. Aber mit Abscheu wurden meine Opfergaben zurückgewiesen. Der Hierophant sprach die Schreckensworte aus: ›Weg von hier mit den Vatermördern, denen die Götter niemals vergeben.‹ Aber ein christlicher Priester versprach mir Verzeihung, wenn ich die Sünde meiner Verbrechen in dem Wasser der heiligen Taufe abwaschen würde, und ich wurde ein Christ. Nun verließ ich Rom und schlug meine Residenz zu Konstantinopel auf, begünstigte vor allem die Diener meiner neuen Religion, die nun ebenfalls begannen, vom Teufel des Ehrgeizes besessen zu werden. Von mir beschützt und der Straflosigkeit gewiss, warfen sie die Gattin des Marentius in den Orontes, erwürgten deren Verwandte und begannen allenthalben scheußliche und blutige Handlungen der Rache und der Herrschaft zu verüben, ermordeten anders glaubende Beamte in Ägypten und Palästina und ersäuften Diokletians Witwe und deren Tochter im Meer. Aus den lang Verfolgten wurden die wütendsten Verfolger, aus den Unterdrückten die grausamsten Unterdrücker. Zu meiner Beruhigung und zur Befestigung meines neuen Glaubens versammelte ich das Konsilium zu Nicäa, verbannte ich den Arius, rief ihn zurück, verbannte den Athanasius und starb endlich in den Armen des Hauptes der Arianer, nachdem ich mich erst auf dem Totenbett hatte taufen lassen, um desto sicherer den Qualen der Hölle zu entgehen und so auch die noch bis dahin begangenen Sünden abzuwaschen. Aber ach! Alles war vergeblich, kaum hatte mein Körper den letzten Hauch ausgestoßen, als die gekrallten Diener Satans meine Seele in Empfang nähmen. Ich hatte gut protestiert, mich auf die Verheißungen der christlichen Priester berufend. Ein höllisches Hohngelächter war die ganze Antwort, die ich erhielt. Nur eine Stimme rief mir zu: ›Tröste dich, deinen Priestern steht gleiches Schicksal wie dir bevor, sie entgehen unseren so wenig!‹ In der Tat habe ich mich überzeugt, dass die meisten derselben der Leiden der Hölle teilhaftig geworden sind, nur einige derselben werden, ich weiß nicht warum und aus welchem Grund, bisweilen zu den großsatanischen Hoffesten gezogen.«

»Was hat das für eine Bewandtnis?«, fragte Michel den Hinkenden.

»Diese Auszeichnung widerfährt nur denen, die sich ganz besondere Verdienste für die Bevölkerung unseres Reiches erworben haben«, antwortete Asmodi, »und das hat Kaiser Konstantin nicht. Er sorgte nur für sein Interesse.«

»Ich muss Ew. Majestät gestehen«, versetzte Michel, »dass ich in den Geständnissen, die sie mir gemacht haben, wenig Grund zu mildernden Umständen finde. Es müsste denn die Schwäche sein, die sie gezeigt haben, indem sie sich dem Einfluss schlauer Priester hingaben und deren Aussagen zu großes Vertrauen schenkten. Je nun, wir wollen sehen, was später zu tun ist. Wer sind den dort drüben diese beiden heulenden weiblichen Furiengesichter, die sich trotz allen auszustehenden Qualen so grimmig giftige Blicke zuschießen«, fragte Stürmer seinen Gefährten, sich von Konstantin wegwendend.

»Dies sind die Königinnen Fredegonde und Brunhilde«, antwortete Asmodi.

»Ach! Da lass uns zu ihnen, ich bin lüstern, ein Wort mit diesen Megären zu sprechen.«

»Nach Gefallen.«