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Der Welt-Detektiv Band 6

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Nick Carter – Arizona-Jack als Detektiv – Kapitel 6

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Arizona-Jack als Detektiv
Ein Detektivroman

Patsy bei der Arbeit

Goulds Droschke nachzufahren, war durchaus kein Kunststück. Sie fuhr die 8th Avenue bis zur 31th Street hinauf, bog dann in diese ein und schwenkte in die 10th Avenue, um diese noch einige Blocks weiter hinaufzufahren und schließlich vor einem Ecksaloon stehen zu bleiben. Sofort ließ Patsy auch seinen eigenen Wagen, der um zwei Blocks weiter zurück war, anhalten, sprang heraus, und nachdem er dem Cabby befohlen hatte, auf seine Rückkehr zu warten, stieg er keck dem Beschatteten nach und traf fast unmittelbar nach ihm an der Eckwirtschaft ein. Doch auf dem kurzen Weg bis dorthin hatte er mit flinker Hand sein Äußeres derart zu verändern gewusst, dass Gould, der ihn ja bereits am Abend gesehen hatte, es schwierig finden musste, ihn wiederzuerkennen.

Gerade als Patsy um die Ecke biegen wollte, um das Lokal durch einen Seiteneingang zu betreten, wurde er von einem Vorüberkommenden gestreift, der ihn scharf ansah und dann überrascht ihm zuraunte: »Alle guten Geister, Mike, bist du es wirklich? Das ist schon lange her, dass du dieses Viertel unsicher machtest. Ich hörte, du seiest jetzt in Boston?«

Patsy ging unbedenklich auf die Anregung des anderen ein, der ihn irrtümlich für einen alten Freund hielt, dem er in seiner Verkleidung ähneln musste.

»Natürlich bin ich es«, erwiderte er. »Wollte mich mal wieder in der alten Gegend umschauen. Well, Pard, freut mich, dich zu treffen, weiß ich auch hier im Dunkeln kaum, wo ich dich gleich hintun soll.«

»Das ist verzeihlich … Wir waren nicht gerade dicke Freunde, als du noch hier warst. Doch ich bin Johnny Halloran.«

»Gewiss, nur erkenne ich dich wieder«, log Patsy auf gut Glück. »Komm, wir trinken eins zusammen.«

Damit wollte er den neuen Freund ohne Weiteres in den Ecksaloon ziehen, aber der andere zögerte. »Nun, was soll es? Ist der Platz nicht gut?«

»Well, das schon«, meinte Halloran, »aber die Sippe drinnen ist wohl die schlimmste in der ganzen zehnten Avenue – und das will was heißen, Mike.«

»Pah, sie werden uns nicht fressen – oder fürchtest du dich, Johnny?«

»Den Teufel werde ich«, verwahrte sich der andere. »Die da drinnen haben nichts gegen mich. Ich kenne die Jungens alle, und wir sind so weit all right.«

»Nun also, dann komm nur!«, drängte Patsy. »Ich habe Durst.«

Damit traten sie in die Wirtschaft und stellten sich vor die Bar, von wo aus Patsy schnell einen verstohlenen Blick durch das Lokal schweifen ließ. Um die Bar herum lümmelten sich eine Anzahl Bummler, deren ungeteilte Aufmerksamkeit indessen einer Männergruppe am anderen Ende, die um Zigarren und Getränke würfelte, gehörte. In einer entfernten Ecke saß Gould allein an einem Tisch. Ein stämmiger Mann, offenbar der Saloonkeeper, war eben dabei, ohne viel Federlesens die Gäste von den nächsten Tischen fortzutreiben, so, um in Goulds Nähe keine unberufenen Lauscher zu haben. Als ihm dies gelungen war, kehrte er zu dessen Tisch zurück, setzte sich seinem Gast gegenüber und begann, angelegentlich mit ihm zu sprechen.

Das alles überschaute Patsy wie im Fluge, während er zugleich zwei Gläser Ale einschenken ließ und mit seinem vermeintlichen Bekannten anstieß. Das Bescheidtrinken hinderte ihn nicht daran zu bemerken, wie der Wirt im Laufe seines Gespräches auf zwei an der Bar stehende Männer deutete.

»Jenen Mann dort sieht man nicht häufig hier«, wisperte Halloran, der dem Blick des vermeintlichen Mike gefolgt war.

»Von wem sprichst du?«, fragte Patsy, indem er die Gläser wieder füllen ließ.

»Von dem einzelnen Mann, der dort bei Larry sitzt«, entgegnete Johnny.

»Wer ist es denn?«, fragte Patsy zurück.

»Well, das ist mehr als ich sagen kann … er soll ein einflussreicher Politiker sein. Jedenfalls frisst ihm die ganze Bande hier aus der Handkonstatierte Halloran.

»Und wer ist Larry?«, wollte Patsy weiter wissen.

»Ihm gehört der Saloon, und er ist der Anführer der Bande«, flüsterte Halloran.

Eben erhob sich Larry und trat an einen der vorderen Tische. Dort tippte er einem dort Sitzenden auf die Schulter. Hurtig erhob sich der Aufgeforderte, wisperte kurze Zeit mit dem Salonkeeper und folgte diesem dann zu dem Tisch, hinter dem Gould saß. Hier hörte der Mann sehr respektvoll an, was jener zu ihm sagte. Wiederholt nickte er zustimmend mit dem Kopf. Er schien mit dem Vorschlag, den der andere ihm machte, offenbar einverstanden zu sein.

»Weiß du, wer der Mann dort ist und wie er heißt?«, erkundigte sich Patsy gedämpft.

»Sein Vatersname ist mir gerade nicht bekannt«, antwortete Halloran, der eben das dritte Glas Ale in den durstigen Schlund hinunterjagte. »Ich weiß jedoch, dass sie ihn Dreifinger-John nennen, weil ihm an der linken Hand zwei Finger fehlen. Er soll ein Dieb sein und die Finger bei einer Verfolgung verloren haben.«

In der Minute darauf verließ Dreifinger-John den Saloon, und Larry geleitete einen anderen Mann zu Gould, der auf Ersteren wiederum einsprach. Der Mann schien gleichfalls einzuwilligen und gesellte sich dann seiner früheren Tischgruppe wieder zu. Auch ein Dritter, der von Larry zu dem Tisch geführt wurde, verhielt sich ähnlich wie seine Vorgänger.

»Kennst du diese Leute?«, erkundigte sich Patsy leise bei seinem neuen Bekannten.

»Gewiss. Der eine ist Jim McDermott, und der andere heißt Jack McDermott. Sie sind Brüder, ein paar schwere Jungen, und gehören beide zur selben Bande, den Black Cats

»Schwarze Katzen, sagst du – wie soll ich dies verstehen?«, verwunderte sich Patsy, der wieder hatte einschenken lassen.

Halloran goss das Glas Ale hinunter, wischte sich den Schaum vom Mund und meinte lachend: »Da sieht man, Mike, dass du lange nicht mehr im Städtchen warst, sonst müsstest du wissen, dass die Black Cats die schlimmste Bande an der zehnten Avenue sind.«

Seine weitere Auskunft wurde durch die Rückkehr von Dreifinger-John, dem drei verwegen dreinschauende Kerle auf dem Fuße folgten, unterbrochen. Diese traten einzeln der Reihe nach an den Tisch Goulds heran und hatten mit ihm genau dasselbe kurze Zwiegespräch unter vier Augen wie ihre Vorgänger. Dann gruppierten sich sämtliche sechs Ausgewählte um den Tisch, und obwohl ihre breiten Rücken die Aussicht versperrten, glaubte Patsy doch zu gewahren, wie jeder von ihnen einige Banknoten aus Goulds Händen empfing, während Larry eine ganze Rolle davon in die Tasche steckte. In der Minute darauf verließen die sechs Männer den Saloon.

Auch Gould hatte sich erhoben. Als Patsy wahrnahm, wie jener einen Händedruck zum Abschied mit dem Saloonkeeper wechselte, warf er rasch eine Dollarnote auf den Schanktisch und raunte seinem neuen Freunde zu: »Wir müssen vor jenem Mann dort auf der Straße sein.«

Kaum hatten sie diese erreicht, als auch Patsy schon bis zur nächsten Straßenecke eilte. Von hier aus konnte er genau sehen, wann Gould den Saloon verließ. Schleunigst drückte er eine Banknote in Hallorans Hand und gebot diesem, noch einen Block weiter zu eilen und die dort harrende Droschke herbeizuholen.

Verdutzt führte Halloran aus, wie ihm geboten war. Aber als er zurückkam und Patsy ihn fragte: »Well, Johnny, kehrst du nun zu Larrys Platz zurück?«, da entgegnete er abwehrend: »Fällt mir nicht ein. Wäre ohnehin nicht hineingegangen, hättest du nicht darauf bestanden. Unten geht es schon schlimm genug zu, doch gar erst im ersten Stock. Na, ich danke, da weiß ich etwas, das nicht jeder weiß. Die Treppe nach oben geht nämlich vom Nachbarhaus aus. Beide Häuser sind durch eine Geheimtür verbunden und vollgepfropft mit Dieben und Mördern … Man muss froh sein, kommt man mit heiler Haut wieder hinaus.«

Der Beschattete trat auf die Straße und stieg in den Wagen. Schnell verabschiedete sich daher Patsy von seinem neuen Bekannten und sprang selbst in den Wagen, indem er dem Kutscher zuraunte, das andere Cab nicht aus den Augen zu verlieren.

Gould ließ sich anscheinend ohne die geringste Ahnung, dass ein Verfolger sich auf seiner Fährte hielt, die zehnte Avenue hinauffahren. Jetzt hatten beide Wagen nahezu die 50th Street erreicht, da sah der aus dem Fenster schauende Patsy plötzlich auf dem Bürgersteig einen Mann, der in gleicher Richtung so rasch wie möglich voranlief. Augenblicklich durchzuckte ihn der Argwohn, den Menschen erst kurz zuvor in Larrys Saloon wahrgenommen zu haben. Hurtig verständigte daher der junge Detektiv durch das entgegengesetzte Wagenfenster den Kutscher, schnell genug zu fahren, damit der auf dem Bürgersteig dahinstürmende das Gefährt nicht überholen konnte.

So ging die Fahrt bis zur 54th Street. Patsy wandte kein Auge von ihm. Offenbar machte dieser Mensch alle möglichen Anstrengungen, um den Kutscher des Gouldschen Wagens anzurufen und zum Halten zu veranlassen. Nun war dieser Verdacht bei Patsy zur Gewissheit geworden. Mit einem kühnen Satze sprang er aus dem noch in voller Fahrt befindlichen Wagen und eilte quer über die Straße auf den Schreienden zu. Mit raschem Griff packte er den Verdutzten bei der Gurgel. »Heda, mein Freundchen«, schrie er ihn an, »was hat dein Gebrüll zu bedeuten?«

Der Aufgehaltene starrte wütend in Patsys Gesicht. Er schien ihn wiederzuerkennen. Schnell führte er einen wuchtigen Hieb gegen ihn und schrie zugleich aus Leibeskräften. Doch Patsy war nicht umsonst seines Meisters gelehriger Schüler. Mit einem dem Detektiv abgeschauten meisterhaften Linkshänder traf der die Kinnlade seines Gegners derart, dass der Mann wie ein gefällter Stier lautlos niederbrach.

Patsy blickte um sich. Kein Mensch war in der Nähe. Blitzschnell hatte er den Betäubten gefesselt, gebunden und ihn zum Überfluss auch noch geknebelt. Nun hieß es, ihn rasch beseitigen. Sein Blick irrte umher, um ein passendes Versteck für den Betäubten zu finden. Und nun hatte er gefunden, was er suchte. Neben einem Grünwarenladen war ein Holzgerüst erbaut, auf welchem tagsüber Gemüse, Früchte und dergleichen zur Schau ausgelegt waren. Schnell rollte er den Gefesselten bis an das auf Tragestützen ruhende Brettergestell und schob ihn dann nicht eben sanft unter die Stellage, sodass während der Nacht niemand den darunter Versteckten wahrnehmen konnte.

»Well«, sprach Patsy während dieser Arbeit vor sich hin, »ich fürchte, mein Freund Halloran hat geplaudert und sie schickten Gould den Kerl nach, damit dieser ihn warnen sollte. Nun mag er bis morgen früh hier liegen. Doch da sind Sie ja, Kutscher!« Er winkte diesem zu.

Der Kutscher hatte, um sein Fahrgeld besorgt, schleunigst gewendet, als sein Fahrgast aus dem Wagen sprang. Die ungewöhnliche Heldentat seines Passagiers, die im Handumdrehen vollbracht wurde, erregte begreiflicherweise das höchste Erstaunen des Mannes, auch der Gleichmut, mit dem Patsy wieder in den Wagen stieg und ihn ruhig, als ob nichts Außergewöhnliches geschehen wäre, zurief: »Fahren Sie zu, Kutscher. Ich musste den Kerl ein wenig knebeln, weil er uns verfolgte … Doch nun sehen Sie zu, dass Sie den anderen Wagen wieder einholen … Ein Zehner für Sie, wenn es gelingt.«

Dieses Versprechen bewirkte, dass der Kutscher auf seine Pferde lospeitschte. Richtig bogen sie gerade noch rechtzeitig von der Columbus-Avenue aus in die 72th Street ein, um wahrnehmen zu können, wie inmitten des Blocks der Wagen Goulds hielt und jener gleich darauf in einem Hause verschwand, nachdem er den Kutscher entlohnt hatte.

Patsy folgte seinem Beispiel, bezahlte ebenfalls seinen Cabby und wartete dann, bis dieser wieder um die Ecke gebogen war.

»Well«, sagte er darauf leise vor sich hin, »der Meister und unser wilder Präriemann sollten eigentlich die Umgegend hier unsicher machen … Ich will sie suchen gehen!«