Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 14

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band

XIV. Mein Unglück

Schon wenige Wochen nach diesem Tag, der einer der glücklichsten meines Lebens genannt werden muss, verließ ich zu Pferde, ein tüchtiges Doggenpaar neben mir und gut bewaffnet, Trinkomale, um mich in das Innere des Landes zu begeben.

Einen mutigen Mann durfte man mich schon früher nennen, nun jedoch war diese Eigenschaft bis zur Tollkühnheit gesteigert; übrigens konnte ich mich auch auf weiter nichts als diesen Mut verlassen.

Ich will Sie nicht mit der speziellen Beschreibung meiner Reise ermüden; sie ging nur einen Tag günstig und ohne Hindernisse und Schwierigkeiten vonstatten, dann hatte ich täglich zu kämpfen, und zwar in der Weise, wie man es mir gesagt hatte; außerdem jedoch auch noch in anderer Weise, denn die Insekten und Würmer gehörten zu den Feinden, an die ich nicht gedacht habe. Besonders quälten mich und meine Tiere die Blutegel.

Mein Pferd fiel, ehe ich über die Terrassenregion hinauskam. Einer der Hunde wurde von einem Bären zerrissen und der andere ganz nahe meines Zieles durch einen vermutlich vergifteten Pfeil eines Singhalesen getötet.

Doch ich erreichte mein Ziel und fand, dass die Angaben hinsichtlich der Bewachung der Schätze falsch waren. Sie wurden gar nicht bewacht, der Pik wurde überhaupt von keinem lebenden Wesen bewohnt, nicht einmal Würmer fand ich auf dem Granit seiner Spitze, dagegen die Adamsspur und sehr bald die Höhle, eigentlich eine Schlucht, in der sich acht riesige, stark mit verrostetem Eisen beschlagene Kisten befanden, bei deren Anblick ich laut aufjubelte.

Ich hatte mich in der letzten Zeit bereits nur von Waldfrüchten und Beeren erhalten und meine Bekleidung war defekt und zerrissen, meine Munition weit über die Hälfte verbraucht. Zwei Monate waren, seit ich Trinkomale verlassen hatte, verstrichen. Meine Kräfte waren erschöpft.

Dennoch bekam ich neues Leben, als ich die inhaltreichen Kisten sah und machte sofort einen Versuch, den Deckel der einen derselben zu öffnen.

Ich musste bald davon abstehen und mich zunächst einer Ruhe, die ich nötig hatte, überlassen. Während derselben kam mir der Gedanke, zuvörderst nachzusehen, welche der Kisten sich am leichtesten öffnen lassen würde.

Als ich wieder an die Arbeit ging, beachtete ich diesen Gedanken und fand, dass der Verschluss der einen Kiste gesprungen war. An diese machte ich mich sofort.

Indessen vier Tage lang leistete der Verschluss mir Widerstand. Schließlich musste ich zu meinem Pulver greifen, um eine Seitenwand der Kiste zu sprengen.

Was ich dann sah?

Ich weiß selbst nicht, wie ich dies genau schildern soll, denn eine Art Verzückung ließ die hervorquellenden Schätze meinen Augen doppelt und dreifach erscheinen, genug es gab hier an Gold, Silber, Edelsteinen, goldenen, silbernen Gefäßen, Münzen, eine solche Menge wie dergleichen außer mir vielleicht kein Mensch gesehen hatte. Ich warf mich in die hervorquellenden Schätze hinein, um diese, so viel ich mit meinen Armen fassen konnte, an meine Brust zu drücken.

Nach einiger Zeit ging ich an eine Auswahl und trug Haufen zusammen, welche kein Pferd auch nur einen Tag geschleppt hätte.

Inzwischen hatten mich Arbeit und Aufregung erschöpft, ich musste ausruhen und überlegte dabei, welche Auswahl ich wohl zu treffen hätte. Es war mir klar, dass ich nur wertvolle und zugleich leichte und umfanglose Sachen nehmen dürfe, also Diamanten, Perlen und andere wertvolle Edelsteine, dagegen nicht einmal die ungeheuren Summen gemünzten Goldes.

Am nächsten Morgen begann ich nach meinem Verständnis, meine Auswahl zu treffen. Die Menge, welche ich entnahm, war immer noch zu bedeutend für meine Kräfte, doch ich musste versuchen, mitzunehmen, was sich mitnehmen ließ, weil ein zweiter Weg hierher nicht möglich sein dürfte.

Alles Übrige stopfte ich wieder in die Öffnung der Kiste zurück, packte einen Haufen Steine dagegen und machte mich dann auf den Weg. Ich hatte zwei Wochen am Ort verweilt und Sie werden dadurch Ihre Ansicht über mich bestätigt finden, Kapitän, dass ich mich nicht von demselben trennen konnte.

Doch nun die Rückreise.

Ich nahm an Waffen vom Adamspik nur mit, eine Doppelbüchse, zwei Pistolen, einen langen spanischen Degen und ein Messer. Zu den Schusswaffen besaß ich noch ungefähr ein Pfund Pulver und doppelt so viel Blei. An Lebensmitteln, die ich mir auf dem Berg nur durch weite Ausflüge verschaffen konnte, hatte ich gar nichts.

Die kleineren Edelsteine hatte ich überall in und an meinen Kleidern befestigt, um ihre Last zu verteilen, außerdem hingen an meinem Gürtel eine Anzahl mit denselben gefüllten kleineren Beutel und über jede meiner Schultern hing ein Quersack mit größeren Wertgegenständen. Ich mag auf diese Weise wohl Schätze gegen hundert Millionen an Wert vom Adamspik mitgenommen haben.

Doch wie ich schon bemerkt habe, meine Kräfte waren erschöpft, ich keuchte bald unter meiner Last und musste beginnen, aus meinen Säcken einen Gegenstand nach dem anderen fortzuwerfen; der Glückliche, welcher meiner Spur hätte folgen können.

Dies ging so fort, bis beide Säcke geleert waren. Meine Kräfte nahmen dabei immer mehr ab und ich muss gestehen, dass sie zum Teil durch den Gram über meine Verluste, wie ich es nannte, schwanden.

Ich hatte die Zeit zur Hin- und Rückreise nicht gehörig berechnet und die Regenzeit trat ein, als ich kaum den Fuß des Berges erreicht hatte; doch so lästig mir dies sein musste und so sehr es mich in Gefahr brachte, tödlichen Fiebern zu erliegen, hatte es doch das Gute, dass es mich vor den Angriffen von Menschen und Tieren einigermaßen schützte.

Ohne trocken zu werden, hungernd, frierend, nur selten eine Stunde schlafend, wanderte ich weiter, meistens von Tausenden von Blutegeln bedeckt, die noch den Rest meiner Kräfte erschöpften. Aber das Ziel, welches ich erreichen wollte, vor Augen, verlor ich noch in der verzweifelten Lage Hoffnung und Mut nie ganz. Ich glaube, dass nur jene mich in allen Gefahren aufrecht und kräftig erhalten hat. Übrigens fiel mir die Kleidung stückweise vom Leib.

Dessen ungeachtet rückte ich, obwohl langsam, dem Ort, von dem ich ausgegangen war, näher und langte ungefähr fünf Monate nach dem Tag, an welchem ich Trinkomale verlassen hatte, in der Nähe dieses Ortes, abgerissen, krank, abgefallen, wie ein Bettler aussehend und wie ein Sterbender siech, dennoch mindestens noch vier bis fünf Millionen schwer, an.

Dass ich wie ein Bettler erschien, war im Grunde gut, denn es konnte nichts von meinen Reichtümern verraten, doch man konnte mich deshalb für einen Vagabunden halten und dies war nicht gut.

Ich sah mich daher genötigt, in einem nahen Gehölz die Nacht abzuwarten, um den Rest meiner Reise zurückzulegen. Ich fror und hungerte entsetzlich unter Herzklopfen, welches mir einen Krampf zu verursachen drohte.

Endlich jedoch kam die ersehnte Nacht und ich brach auf, der Stadt näher zu wanken. Ich erreichte sie von dichter Finsternis umhüllt und schwankte durch die Straßen dem Haus meiner Jenny zu, doch am Ziel waren alle meine Bestrebungen fast zunichte geworden.

Zwar wurde auf mein Pochen ein Fenster geöffnet, doch meine heisere Stimme wurde nicht erkannt. Und als ich dringend den Hausherrn zu sprechen verlangte, wurde zwar die Tür geöffnet, ich jedoch beim Eintritt mit Hinauswerfen bedroht. Auch der hinzugekommene Hausherr erkannte mich nicht und erklärte mich für einen Betrüger, als ich meinen Namen nannte. Erst Jenny erkannte in dem Elenden, der bei Nacht und Nebel anlangte, ihren Verlobten und wollte sich an meine Brust werfen, woran sie jedoch durch mein Zusammensinken verhindert wurde.

Ich sank zwar zusammen, aber ich wurde nicht ohnmächtig; die Sorge um meine Schätze hielt mich wach, wenn auch, gleichsam nur in einer Art Scheinohnmacht.

Ich hörte dabei, wie der Vater Jennys sagte: ›Also er ist es doch?‹

»Er ist es!‹, wiederholte jene, ›mein armer Swieten!‹

›So ist sein Unternehmen misslungen!‹, seufzte der Vater, ›es ist ein Unglück. Leute, macht ihm in Eurem Zimmer eine Lagerstelle zurecht. Es ist jetzt zu spät, ihn ins Hospital zu schaffen!‹

›Wie, mein Vater!‹, rief Jenny, ›haben Sie vergessen, dass dieser Mann mein Verlobter ist?‹

›Nein, nein!‹, sagte der Vater kleinlaut, ›und doch – es ist ein Unglück; aber still, sagte er nicht, er würde nicht wiederkehren, wenn es miss­länge?‹

›Ich weiß davon nichts, Vater!‹, antwortete meine Verlobte, ›ich weiß nur, dass wir ihn bereits seit einem Vierteljahr als tot betrauern und dass er jetzt da ist!‹

›Es ist richtig!‹, meinte der Vater, ›ich weiß nicht, wie mir der Kopf steht, ich bin erschrocken; Leute, bringt den Herrn van Swieten in mein Zimmer.‹

Es berührte mich unangenehm, dass Jennys Vater, wenn auch nur momentan mich nicht kennen, mich in meiner Not von sich weisen wollte.

Doch niemals kann ich mit Worten die Empfindungen beschreiben, welche meine Brust bei dem edlen Benehmen Jennys durchschauerten; schon bei dem Erblicken ihrer Trauerkleider hatte ich eine ge­wisse Ahnung, jetzt war ich überzeugt, dass ihre Liebe felsenfest war.

Ich wurde von ihr und dem Vater begleitet, in das Zimmer des Letzteren gebracht und dort auf ein Sofa gelegt.

Es dauerte nicht lange, bis ich mich erholte.

›Zu essen und zu trinken!, waren meine ersten Worte. Man brachte Speisen und Wein, ich trank ein Glas des Letzteren, der mir wie Feuer durch die Adern rann; dies Feuer teilte sich meinem Geist mit.

›Ich bin da, es ist geglückt!‹, rief ich, beide Hände ausstreckend.

Vater und Tochter ergriffen meine schmutzigen wunden Hände, wenn auch mit verschiedenen Gefühlen und aus nur wenig verwandten Ursachen.

›Es ist …!‹, stöhnte der alte Mann.

›Was ist …?‹, fragte Jenny.

›Ja‹, erwiderte ich, ›ich, Ihr seid Mil­lionäre.‹

›Himmel!‹, schrie der Vater auf.

›Nur eine Stunde Ruhe, dann mehr‹, sagte ich.

›Ohne dich umzukleiden?‹, fragte Jenny.

›Ja!‹, lautete meine Antwort, nachdem ich mich auf dem Sofa zurechtlegte, ›es muss so sein!‹

Ich schlief nicht, ich wachte auch nicht, ich sah alles, was um mich hervorging. Ich bemerkte die Spannung, mit der mich Vater und Tochter betrachteten. Mich selbst jagte ein beginnendes Fieber in wilde wachende Träum hinein, doch kräftigte mich die regungslose Lage etwas. Endlich sprang ich auf.

›Türen und Fenster zu, dicht verhangen‹, rief ich, ›ich habe zwar die meisten meiner Schätze fort­werfen müssen, um weniges zu retten, doch was ich gerettet habe, ist genug, um Fürstentümer zu kaufen!‹

Der Vater sicherte Türen und Fenster. Als dies geschehen war, holte ich meine Schätze heraus. Es ist unmöglich zu beschreiben, wie Vater und Tochter staunten. Lange blieben beide stumm; dann bekam der alte Herr Leben, prüfte und berechnete und rechnete Summen heraus, die ungeheuer genannt werden mussten.

Jenny schwieg immer noch mit fest auf mich gerichteten Blicken.

›Und darum?‹, sagte sie plötzlich, ›deshalb hast du mich verlassen, mir solche Schmerzen berei­tet, vielleicht mich für mein ganzes Leben unglücklich machen können.‹

Ich streckte meine Hand nach dem Vater aus.

›Ich bin fertig!‹, waren meine letzten bewuss­ten Worte, dann sank ich von Neuem zurück und tiefe Todesnacht umfing mich, das Fieber war zum Ausbruch gekommen, mein Wille hatte meine Natur beherrscht, doch als er unnötig geworden war, fiel ich zusammen.

Wochen waren vergangen, bis ich meine Besin­nung wieder erhielt.

Jenny hatte mich gepflegt, ich genas schnell genug wieder von dem meist tödlichen Sumpffieber.

Der Vater hatte die erbeuteten Schätze ver­borgen! Man vermied mit mir, davon zu sprechen, und ich vermied es selbst.

Nach zwei Monaten war ich hergestellt.

›Mein Sohn!‹, sagte da eines Tages der alte Mann zu mir, ›beim ersten Genuss. den mir jene Schätze, die du gehoben hast, gewährten, dachte ich daran, dich zu einem zweiten Gang zu treiben, vielleicht gar dich zu begleiten, doch deine Krankheit und die Fanta­sien derselben haben jede weitere Habgier in mir unterdrückt. Wir haben genug, wenn du zufrieden bist. Fort nach Europa!, heißt jetzt mein Wahlspruch. Du hast für Jenny getan und mehr, als ich tun wollte oder konnte; sie ist dein. Ich habe bereits mein Geschäft verkauft, ein Schiff erstanden und beladen lassen. Du sollst der Führer desselben sein, wenn du willst, und in England oder Holland, du magst bestimmen, wo wir später eine Heimat suchen wollen, werde deine und Jennys Vermählung gefei­ert. Du magst dort als Nabob auftreten, doch hier wol­len wir niemand von unserem Reichtum Kenntnis geben.‹

Ob mir dies recht war? Mir war alles recht, was mich in die Arme meiner Jenny führen konnte und schnell wurden die letzten Anstalten zur Abreise getroffen. Ich hatte keine Lust, meinen lohnenden Gang zum zweiten Mal zu machen.

Nach vier Tagen schon lichtete mein zum Teil durch Malaien bemanntes Schiff die Anker und wir verließen Ceylon. Der Anfang unserer Reise war vom Glück begleitet, doch wir trugen den Fluch des Reichtums mit uns an Bord davon.«

Swieten schwieg einige Zeit , als ob er sich sam­meln wollte, sein Gesicht verbdüsterte sich.

»Es ist ein Unglück«, fuhr er endlich fort, »dass man sich in Ostindien der Malaien bedienen muss. Die von meinem zukünftigen Schwiegervater in den Dienst genommenen, hatten eine Ahnung von unseren Schätzen, vielleicht vermuteten sie auch nur von dem alten Herrn erworbene Reichtümer. Sie überfielen eines Nachts den übrigen Teil der Mannschaft, ermordeten denselben, erstürmten die Kajüte, die ich wütend verteidigte. Der alte Herr und meine Braut wurden, als ich unterlag, vor meinen Augen ermordet, ich selbst in die Sklaverei geschleppt, in der ich fünf Jahre zu bleiben gezwungen wurde, um sie später arm wie Hiob zu verlassen.

Am Morgen des Tages, der jener Nacht voranging, stand ich mit Jenny, wie der Kapitän mit dieser Dame auf der Schanze meines Schiffes, den Auf­gang der Sonne zu betrachten. Dieser Umstand war es, der mich in trübe Gedanken versetzte!«

Swieten schwieg.

»Das hört sich ja animos an!«, rief Jacobson unwillkürlich, »doch fürchten Sie nichts, Clara, hier gibt es keine Malaien!«

»Aber Schweden!«, sagte Swieten, sich erhebend. »Übrigens Kapitän könnten Sie fragen, weshalb ich später nicht einen zweiten Gang wie jenen unternom­men hatte. Hier haben Sie die Antwort: Für meine Jenny konnte ich es wagen, hätte ich es zum zweiten Mal gewagt, doch da dieser Zweck nicht mehr vorhanden war, so brauchte ich keine Millionen. Tausende konnte ich mir in anderer Weise verschaffen. Sie werden hiernach beurteilen, ob ich wirklich habgierig oder geizig bin!«

Swieten wendete sich ab und ging nach vorn; der alte Nehls, welcher seiner Erzählung mit offenem Mund zugehört hatte, sah plötzlich mit einem Seufzer auf.

Gleich hinterher stieß er einen lauten Ruf aus. »Sig­nale!«, lautete jener, und Swieten, seinen Gang hem­mend, kehrte wieder zurück.

»Man avertiert ein fremdes Fahrzeug«, murmelte er.

»Mein Fernrohr!«, rief Kapitän Jacobson. Alles im Schiff wurde lebendig.