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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 13

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band

XIII. Sein Glück

Swieten machte eine Pause, um sich von Neuem mit Lebensmitteln zu versehen! Claras Blick hing mit großer Aufmerksamkeit an seinem Mund und Jacobson lächelte.

»Ich hätte es mir denken können, Swieten«, sagte er, »Geld musste das Fundament Eurer Handlungen sein, das Ziel, auf welches Ihr lossteuertet; ohne die Absicht, Geld zu machen, hättet Ihr sicher keinen Schritt getan.«

»Ich könnte Ähnliches einem gewissen Mann zurückgeben«, sagte Swieten, »und wenn dabei das Geld nicht sein Ziel ist, so macht dies die Sache nur noch lächerlicher – denn Geld ist wirklich ein reeller Grund und wer es zu erhalten sucht, wird imstande sein, auch andere Dinge auszuführen, die ihm ohne dem nie gelingen können.«

Jacobson blickte mit einem leichten Stirnrunzeln zu seinem Steuermann hinüber, nahm dann eine verächtliche Miene an und machte eine heftige Handbewegung.

»Wir kennen uns«, murmelte er, »jeder nach seiner Weise!«

»Das ist auch meine Meinung!«, sagte Swieten, ruhig seinen Tee schlürfend und fuhr fort, als er den Rest der Tasse zu sich genommen hatte.

»Bei alldem muss ich dem verständigen Menschen in meinem damaligen Wahn wie ein halb Verrückter oder wie ein von einer wahnwitzigen Idee beharrter Bursche vorgekommen sein, und dennoch sollte die Folge zeigen, dass so wenig meine Einbildung wie meine späteren Anstrengungen einer reinen Chimäre nachjagten.

Sie wissen vielleicht, dass die Portugiesen die Insel Ceylon entdeckten, besetzten und sich dabei entweder durch Unredlichkeiten oder Bedrückungen den Hass der Eingeborenen zuzogen, die gerne das verhasste Joch abgeschüttelt hätten.

Dies machten sich die Holländer zunutze, als sie in Ostindien festen Fuß gefasst hatten und von ihnen unterstützt, wurden die Portugiesen von der Insel zum Teil verjagt, zum anderen Teil unterdrückt.

Doch die aus zwei verschiedenen Völkerstämmen bestehenden Ureinwohner des Landes sahen bald zu ihrem Verdruss, dass sie aus dem Regen in die Traufe gekommen waren, weil meine edlen Landsleute das Erpressungssystem noch besser kannten als die Portugiesen.

Die Engländer beeilten sich deshalb, den Holländern denselben Dienst zu leisten, welche diese den Portugiesen erwiesen hatten. Und so wurde die Insel englisch und die eigentlichen Besitzer derselben einsehend, dass sie nichts mehr vor der Macht, Hab- und Raubgier der Europäer schützen könne, unterwarfen sich an den Küsten, während die des Inneren in undurchdringlichen Wäldern ihre Unabhängigkeit zu erhalten suchten.

Van Straaten hatte seinen Versuch, die von ihnen auf dem Adamspik gemachten Schätze zu heben, unter der Herrschaft der Holländer gemacht, ich machte ihn, als die Engländer die Herren der Insel waren.

Als mein Schiff die Insel verlassen hatte, hielt es mich nicht länger mehr in Point de Gallo. Ich fuhr mit einem Küstenfahrzeug nach Trinkomale, um hier Spuren des van Straaten nach den Hinweisen des gedachten Buches, welche mir in der Erinnerung geblieben waren, aufzufinden.

Ich fand denn auch das Hospital in Trinkomale, wo er vermutlich verstorben war. Ich fand ein Schloss in der Nähe der Stadt, welches wahrscheinlich dem Señor gehört hatte, in dem jedoch jetzt der englische Gouverneur der Stadt wohnte.

Das war vorläufig alles und gewiss nicht viel. Ich versuchte mich inzwischen über die Lage des Adamspik und den Weg dorthin zu informieren, namentlich aber in Erfahrung zu bringen, ob man wohl durch das Land bis dahin reisen könne.

Das Erstere gelang mir recht leicht, das Resultat der letzteren Forschungen ging jedoch darauf hinaus, dass wer nicht von den wilden Elefanten der Ebene oder den Büffeln der Sümpfe getötet, es sicher von den wilden reißenden Tieren und den Schlangen des Waldes würde, und dass wer diesen entginge, notwendig einer großen Affenart des Hügelterrains, die einige auch für eine Menschenart hielten, verfallen müsse. Wer aber alle Gefahren überwinde und bis in das Reich der Singhalesen gelangte, werde sicher von diesen besonders von den Wächtern des Königs auf dem Berg selbst getötet, gar nicht daran zu denken, dass der Rückweg noch fast schwieriger als der Heimweg sei. Das lautete allerdings wenig tröstlich.

So viel ich bemerkte, wusste niemand im Land von den unermesslichen Schätzen des Adamspik und ich hütete mich natürlich, es zu sagen, rüstete mich dagegen auf alle Fälle, und wenn es auch allein sein sollte, eine Reise dahin anzutreten.

Während dieser Zeit besuchte ich täglich, sobald es das Wetter erlaubte, den Hafen und nun, Kapitän, sollen Sie sehen, dass ich doch noch einen anderen Sporn kannte, um deswillen ich die schon von mir als Eigentum betrachteten Schätze zu heben suchte.

Ich mag im Grunde wohl eine trübselige Figur bei meinen Spaziergängen gezeigt haben, jedenfalls fiel ich einem älteren Herrn auf, der mir häufiger, bald allein, bald in Begleitung einer verschleierten Dame begegnete, deren ausgezeichnete Gestalt auch von mir nicht unbeachtet blieb.

Eines Tages redete mich dieser Mann teilnehmend an, vielleicht glaubte er, dass ich ein von seinen Landleuten misshandelter Holländer sei. Wir unterhielten uns längere Zeit. Dies wiederholte sich in der Folge fast täglich, weil ich noch warten musste, bis die mir günstige Jahreszeit eingetreten war. Mitunter richtete auch die Dame, wenn sie gerade den Herrn begleitete, einige Worte an mich. Der Klang ihrer Stimme erschütterte förmlich mein ganzes Nervensystem.

Der alte Herr und ich wurden endlich vertrauter; ich hatte ihm mitgeteilt, dass ich jemand auf der Insel erwarte. Er lud mich endlich ein, ihn so oft und wann ich wolle, zu besuchen.

Ich folgte dieser Einladung nur zu gern, sah bei meinen Besuchen das Antlitz der Dame, erfuhr, dass es die Tochter meines Freundes oder Gönners sei. Mein Herz fing Feuer, ich liebte Jenny mit aller Kraft meiner Seele, die bis dahin durch dieses Gefühl noch nicht erregt worden. war.

Das Folgende machte sich nun von selbst. Man geht nur nach Ostindien, um reich zu werden und nach einigen Jahren zurückzukehren, seinen Reichtum in Europa und dem Komfort seiner großen Städte zu genießen, wenn nämlich die verschiedenen Fieber eine Rückkehr erlauben. Wer es also gut mit seiner Familie meint, lässt sie in Europa.

Jennys Vater war Kaufmann und nach ernstlichen Spekulationen zu demselben Zweck nach Ceylon gekommen; er hatte sich jedoch nicht von der einzigen Tochter trennen können, sie vielleicht auch nicht von ihm und somit hatte er Eile, sein Ziel zu erreichen.

Nach dem oben Gesagten konnte der Aufenthalt auf der Insel einer jungen Dame nicht viel Interessantes bieten, besonders gab es keine Gesellschaft für sie und dies war gewiss meiner, sonst vielleicht nicht von ihr beachteten Person günstig. Denn wir verstanden uns bald, wir liebten uns, wir waren glücklich – ja ich glücklich, dass ich fast gar nicht mehr an meinen Plan dachte.

Den Augen des Vaters konnte unsere Annäherung nicht lange verborgen bleiben; ich erkannte sehr leicht, dass sie ihn unangenehm berührte und er es bereute, mich in sein Haus aufgenommen zu haben. Doch wurde er nicht eigentlich erzürnt, sondern gab mir nur Winke, meine Besuche einzustellen. Als es nicht geschah, begann er selbst das erste Wort über eine Sache auszusprechen, die mich, so mutig ich sonst war, ihm gegenüber hasenherzig gemacht hatte.

Jennys Vater verhehlte mir nicht, wie wenig angenehm es ihm sei, dass ich sein Vertrauen nun dazu benutzt hatte, mich in das Herz seiner Tochter zu stehlen; aber er erklärte mir, dass er nur für diese Tochter lebe und dass er auf alles eingehen werde, was das Glück derselben ausmachen könne und sollte es auch sein müssen, dass er ihre Hand einen von ihm nicht gern gesehenen Mann zuspräche.

›Jedoch!‹, fügte er hinzu, ›wenigstens muss dieser Mann nachweisen können, dass er ihrer würdig ist, und dass er die Mittel hat, welche ich für Jenny zu erwerben suche. Sie scheinen Seemann zu sein und die Mittel zu haben, anständig leben zu können. Doch weiter weiß ich nichts von Ihnen. Ihre Untätigkeit in einem Land, wo man nur Schätze zu erwerben sucht, spricht nicht für Sie. Der Vater Jennys muss, ehe das Verhältnis fortgeht, von Ihnen Nachweise über Ihre Person, Ihr Vermögen, Ihre Aussichten verlangen, um danach beurteilen zu können, ob jenes abzubrechen sei, solange es noch Zeit ist!‹

Es durchzuckte mich wild in diesem Augenblick, denn so wenig ermunternd die Rede war, ließ sie mich doch Hoffnung schöpfen. Ich sprang auf und ergriff die Hand des alten Mannes.

›Herr!‹ rief ich dabei, ›ich bin vielleicht in diesem Moment der reichste Mann der ganzen Insel, vielleicht des ganzen britischen Ostindiens, und das will sicher etwas heißen. Es kommt nur darauf an, meine Schätze zu heben!‹

Der Kaufmann sah mich bedenklich an, ich hatte früher so wenig Neigung zu exaltierten Stimmungen gezeigt, dass er vielleicht glaubte, ich habe mit meinem Herzen auch den Verstand verloren.

›Erklären Sie sich deutlicher‹, sagte er endlich langsam.

Ich deckte mein früheres Leben vor dem alten Herrn auf und er verzog keine Miene dabei. Ich hütete mich wohl, die Quelle zu nennen, aus der mein eingebildeter Reichtum entsprang, schloss aber meinen Vortrag durch den Anhang, dass ich, was jenes Buch beschrieb, bruchstückweise auf meinen Reisen erfahren habe und meine Absicht sei, den Schatz zu heben, zu welchem Zweck ich hier einstweilen meinen Aufenthalt genommen hatte. Schließlich bemerkte ich, er werde mein Vertrauen ehren und mein Geheimnis bewahren!

Der Mann war aufmerksam und endlich aufgeregt geworden.

›Es ist richtig!‹, sagte er, ›ich habe davon ebenfalls gehört, doch gezweifelt, dass es einen Menschen geben werde, der Mut genug besäße, zu unternehmen, was Sie beabsichtigen. Ich billige Ihre Absicht und gelingt Ihr Vorhaben auch nur teilweise, so ist Jenny die Ihre. Doch Sie müssen allein das Wagnis bestehen, denn finden Sie jemand, der denselben Mut wie Sie hat, so dürfen Sie auch darauf rechnen, dass er Mut genug hat, Sie zu berauben – Gold und Schätze blenden! Gehen Sie allein!‹

›Gut, ich gehe allein!‹, rief ich lebhaft. ›Doch zuvor verloben Sie mich mit Jenny. Es soll Sie, wenn mein Unternehmen misslingt, nicht genieren, denn dann habe ich aufgehört, unter den Lebenden zu sein!‹

›Es sei so‹, sagte der alte Herr.

Jenny wurde herein gerufen, ich machte sie mit unserem Glücke bekannt. Sie selbst hatte an des Vaters Zustimmung gezweifelt und konnte nicht ahnen, wodurch ich denselben dazu gebracht hatte. Doch ebenso selig wie ich, sank sie an meine Brust, nachdem der Vater unsere Hände zusammengelegt hatte.

Freilich erschrak sie, als ich zu einem Unternehmen auszog, dessen Natur sie zwar nicht kannte, dessen Gefahren sie jedoch ahnte.«