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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Buch vom Rübezahl – Teil 11

Das Buch vom Rübezahl
Neu erzählt von H. Kletke
Breslau, 1852

12. Rübezahl als Jäger

1

Vor Zeiten wohnte unten am Gebirge ein armer schlichter Mann, welcher im Sommer mit seiner Sense da hinaufzugehen pflegte, dort das Gras abmähte und es in Haufen legte, welche er im Winter auf einem Schlitten leicht herab­holte. Diesem Manne nun soll es oft begegnet sein, dass der Berggeist ihn in Gestalt eines Jägers auf einem Pferd unvermutet anrannte, ohne dass der andere gewahr wurde, woher er komme; konnte auch nicht begreifen, wie der Reiter dro­ben zwischen den Felsen und Klüften so leicht hindurchkönne. Bisweilen kam ihm Rübezahl so nahe und ritt mit seinem schnaubenden, schäumenden Pferd so dicht vorbei, dass ihm der Schaum an der Achsel kleben blieb, wobei Rübezahl dann gefragt hatte: »Was machst du hier?« »Ach Herr, ich habe ein bisschen Heu geholt«, versetzte jener, worauf Rübezahl fortritt, der Mann aber Hals über Kopf nach Hause eilte.

 

2

Rübezahl mag es nicht leiden, dass man mit großem Schall in seinem Gehege jagt und hetzt. Einstmals beredeten sich zwei vornehme Jäger, die sich in Warmbrunn des Bades bedient hatten, das Gebirge zu durchjagen, um etwa seltenes Wildbret nach Hause zu bringen. Sie ließen also ihre zwei besten Windhunde zum Jagen nachführen und machten sich getrost auf den Weg zu dem Gebirge. Sobald sie einen guten Teil Weges zurückgelegt hatten und nun an einen schönen Wald gelangten, banden sie ihre Pferde an einen Baum, hießen einen von ihren Dienern dabei bleiben, gingen in den Wald, stießen ins Horn und wollten mit ihren Hunden rasch einen Versuch machen. Alsbald aber hörten sie den Schall eines fremden Hornes nebst einer großen Meute hetzender Hunde. Die beiden Jäger machten sich anfangs nicht viel daraus, aber der Mut sank ihnen doch, als der Schall des heran­nahenden Treibers und das entsetzliche Lärmen und Tosen immer heftiger wurde.

Nicht lang, so kamen einige Hunde und gleich darauf der ganz erhitzte Jagdherr selbst, welcher , gespornt auf einem großen gesattelten Wildschwein sitzend, einen Wurfspieß in der Hand, die beiden anschnauzte: »Wer gibt Euch die Freiheit, in meinem Gehege Wild zu jagen?«

Sie wollten sich höflichst entschuldigen, dass sie von einem Verbot, hier zu jagen, nichts gewusst hätten, und dass sie beson­dere Liebhaber der edlen Waidkunst seien. Aber all ihre Einwendungen, wie artig und geschickt sie dieselben auch vorbrachten, um ihn zu bewe­gen, ihnen dies Vergnügen ein wenig zu gestatten, wollten nichts fruchten, sondern sie mussten sich begnügen, ohne Verzug den Rückweg anzutreten. Dennoch waren sie herzlich froh, dass sie ungeschoren und ohne Schaden davongehen, auch ihre Hörner und Hunde behalten konnten. Sie liefen, was sie konnten, bis sie wieder zu ihren Pferden gelangten, während Rübezahl ihnen auf dem Fuß folgte. Als sie zu Pferde saßen, nahmen sie höflichst Abschied von ihm, ritten schleunig das Gebirge hinunter, ohne sich einmal umzusehen, und ließen jagen, wer da ja jagen wollte; denn sie begehrten nicht mehr der Ehre, an diesem Ort ein Wildbret aufzujagen, waren vielmehr froh, als sie auf die Ebene kamen und zu den ihren; konnten auch nachmals nicht genug versichern, wie furchtbar es sich angehört habe, da Rübezahl in sein Waldhorn geblasen und Hasen, Füchse, Rehe und allerhand fremdes Wild vor und hinter den Hunden, auch um des Jägers Ross gesprungen und solch Gelärm erhoben, dass sie, die beiden sonst beherzten Jäger, kaum gewusst hätten, wo­hin sie sich wenden sollten.

 

3

Bekanntlich leidet auch der Berggeist keinen Hund auf dem Gebirge, weil er der Einzige sein will, der das Wild hetzt. Dennoch geschah es, dass einmal der eigentliche Herr des Orts seinem Jäger befahl, er solle einen Hund zur Hilfe mit hinaufnehmen, denn ob der Jäger gleich sein Häuschen und seine Wohnung immer droben gehabt, hatte er doch bisher keinen Hund halten und behalten können. Aller Einwendungen unge­achtet musste er endlich dem Befehl seines Herrn gehorchen und einen wackeren Windhund zu sich nehmen. Wie er nun das Gebirge hinauf ging, begegnete ihm ein Mann, welcher beim Anblick des Hundes stehen blieb und ihn so lange unver­wandt mit den Blicken verfolgte, bis der Jäger in sein Häuslein gelangt . Daselbst sperrte er den Hund in einen Stall. Wie er des anderen Morgens aber nach ihm sehen wollte, war kein Hund weder zu sehen noch zu hören. Dagegen fand er im Laufe des Tages, als er nach Wild umherstrich, bald hier, bald da ein Viertel seines Hundes im Gebüsch hängen.

 

4

Manchem hat dagegen Rübezahls Jagd ein unverhofftes Glück gebracht. Als drei Tischler­gesellen einst über das Gebirge reisten, hörten sie von fern einen Jäger. Bald darauf kam ein angeschossenes Reh und fiel mitten auf den Weg vor ihnen nie­der. Sie nahmen das Reh, schleppten es fort, und als sie im Wirtshaus dasselbe abzogen und zerteilten, fanden sie drei goldene Kugeln in seinem Leib. Das war ein schöner Zehrpfennig, wofür sie dem unbekannten Geber mit Freuden dankten.