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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 10

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band

X. Unerwartete Hilfe

Die Ursache, aus der die Flucht des Majors so schnell entdeckt wurde, war einfach genug.

Sowohl Wardow als auch seine Leute hatten bei ihrem Unternehmen nur das Gelingen desselben im Auge, jedoch nicht die Sicherung desselben. Als sie den Turm verließen, hatten sie daher nicht daran gedacht, alle Türen desselben zu verschließen, sondern eilten nur, um davonzukommen.

Unter Umständen hätte dies auch wenig auf sich gehabt, doch der Zufall wollte, dass gleich nach ihnen der Offizier der Ronde erschien und die Bescherung im Turm noch ganz warm fand.

Der herbeigerufene Posten ergänzte, was der übertölpelte Schließer nicht wusste, und der Offizier erfuhr dadurch was er zu tun habe. Er eilte, so schnell er konnte, zu dem Posten, auf dem sich die Lärmkanone befand und ließ dieselbe lösen. Ein Lichtsignal deutete außerdem an, dass der Flüchtling sein Fortkommen zur See zu bewerkstelligen versucht.

Der Hafen kam sofort in Aufruhr, die Wachtschiffe spähten umher, und das Boot war sehr bald vermittelst ihrer Nachtlichter entdeckt. Da kein solches im Dienst sein konnte, so musste es das sein, in welchem sich der Deserteur befand. Eine Anzahl Fahrzeuge kamen in Bewegung, um Jagd auf dasselbe zu machen.

Im Boot hatte der Schuss zuerst die Wirkung ausgeübt, dass alle einen Moment ganz starr vor Schreck wurden.

Der Major sprach zuerst wieder. »Also vergebens!«, stieß er mit einem tiefen Seufzer hervor.

»Angezogen!«, rief dagegen der alte Klassen und gab dem Ruder eine Bewegung, dass das Boot den Schnabel landwärts, das heißt der Rügener Küste zuwendete. »Wohin?«, fragte Wardow.

»Wir müssen an Land!«, antwortete der Bootsmann. »Vielleicht erreichen wir auf diese Weise unsere Schaluppe, der Weg nach Norden sowie südwärts zu Wasser ist uns abgeschnitten.«

»Wahr!«, murmelte Wardow.

»Sollte Gefahr drohen«, meinte Grieben, »so will ich mich lieber vorher ergeben!« »Niemals!«, sagte der alte Bootsmann bestimmt.

Die Matrosen hatten kaum den Befehl des Alten vernommen, als sie auch mit vereinter Kraft zu arbeiten begannen. Das kleine Fahrzeug schoss dahin wie ein Pfeil und war dadurch allerdings bald dem Lichtkreis der Verfolger entrückt. Dessen ungeachtet feuerte man einige Schüsse ab und die Kugeln sausten nahe genug an den Flüchtigen vorüber. Doch das Geschützfeuer musste eingestellt werden, um die Verfolger nicht zu gefährden. Nach einer halben Stunde ungefähr stieß das Boot Wardows zwischen Altefähr und Bandewitz auf den Strand. Man wollte eben vereint in das Land eilen, als eine Stimme dies Unternehmen unterbrach.

»Holla!«, rief dieselbe, »was gibt es denn da drüben; wohin wollt ihr?«

Das Wiehern mehrerer Pferde ließ erkennen, dass man es mit einem Reitertrupp zu tun hatte. Einer derselben sprengte auch näher. Obwohl der Abend dunkel geworden war, ließ sich doch die Uniform eines Husaren erkennen.

Plötzlich stieß Wardow einen Ruf freudiger Überraschung aus. »Lebrecht!«, sagte er hinterher, »dich hat Gott gesendet, Junge. Aber lass uns von der Stelle, sie wird bald nicht mehr geheuer sein; oder noch besser, lasse durch deine Leute unseren Verfolgern eine falsche Spur nachweisen!«

»Wardow!«, rief der andere. »Was zum Henker bist du im Ausreißen begriffen!«

»Nein und ja!«, erwiderte der Junker. »Doch nur erst fort, dann sollst du alles wissen!«

Der Husar wendete sich an seine Leute und gab einige Befehle in schwedischer Sprache, worauf sich diese vereinzelt am Strand verteilten.

»Vorwärts also!«, sagte er dann und von ihm begleitet rannte der Trupp in das Land hinein. Von der Stelle, wo Wardow gelandet war, bis zu der, wo das kleine Fahrzeug lag, welches er befehligte, mochte ungefähr eine halbe Meile sein. Man hatte die Richtung nach dem Letzteren eingeschlagen und unterwegs teilte der Fähnrich dem Husaren das Nötige mit.

Sie mussten sehr vertraut miteinander sein, diese beiden jungen Leute, denn wahrlich nicht jeder hätte wissen dürfen, was Wardow hier dem anderen sagte.

Doch dieser lachte nur infolgedessen munter. »Das ist hübsch!«, meinte er dabei. »Ich freue mich, Ihnen begegnet zu sein, Herr Major. Man bedauert Sie bereits allgemein im Land; doch Wardow, du Wetterbursche, es wird dir den Hals kosten!«

»Mag es! Wenn man mich erwischt«, antwortete der junge Mann munter, »doch fürs Erste denke ich daran nicht!«

»Halten wir einen Augenblick!«, sagte der Husar.

Herr Major, nehmen Sie mein Pferd. Sie scheinen müde zu sein!«

Es war so, wie der junge Mann sagte, und deshalb hatte auch der Major nicht auf die Rede desselben geantwortet.

»Ich nehme Ihr Anerbieten mit Dank an!«, erwiderte der Major, in den bereits von dem Husaren verlassenen Sattel steigend. Noch schneller als vorhin ging es dann vorwärts. Eine halbe Stunde reichte aus, die Gesellschaft raschen Laufs querfeldein zum Strand und an die Stelle zu bringen, wo die Schaluppe lag. Auf die Rufe der Ankommenden, deren Stimmen man drüben erkannte, wurde das Fahrzeug dem Land näher gebracht und man schickte sich zur Einschiffung an.

Der Major war bereits vom Pferd gestiegen und hatte dies seinem Eigentümer wieder übergeben.

Letzterer schüttelte Wardow die Hand. »Glück zu, also!«, sagte er dabei. »Du hast viel eingesetzt, aber ich hätte es für denselben Preis ebenso gemacht!«

»Reichen Sie auch mir die Hand!«, sagte der Major. »und wenn ich noch eine Bitte an Sie wagen darf, so sagen Sie mir, wem ich schließlich meine Rettung zu verdanken habe!«

»Mein Name wäre eigentlich nicht nötig«, sagte der junge Mann, sich in den Sattel schwingend, »doch ich kann Ihnen denselben auch nennen. Er ist unbedeutend genug, um ihn recht bald zu vergessen. Ich heiße Lebrecht von Blücher!«