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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 8

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman Zweiter Band

VIII. Eine würdige Liaison

Der Baron Staelswerd hatte des Fähnrichs von Wardow in einer Weise gedacht, die ihm Ehre machte und für den jungen Mann von Erfolg war.

Doch der brave Baron sollte bald darauf einen Schreck bekommen, der durchaus nicht gering zu nen­nen war.

Soweit wir das Leben des Leutnants von Staelswerd verfolgt haben, lag gegen ihn nichts vor, wodurch er den Verdacht der Patrioten besonders erregen konnte.

Zwar ahnte man, dass er mit den Maßnahmen dieser Partei nicht eben zufrieden sein mochte; man sieht es wohl nie gern, dass ein Bruder enthauptet wird.

Doch die Gedanken galten damals noch meistens frei zollfrei, und somit hatte noch niemand gewagt, den Baron anzuklagen.

Sein Bewusstsein war darüber hinaus der Art, dass er sich von jeder Schuld vor dem Gesetz frei wusste, wenn schon dies etwas weiter griff, als er im Stillen billigen mochte.

Man kann sich daher den Schreck des Barons denken, als auch er zur Verantwortung gezogen wurde.

Soweit dies den Verlust in einem Gefechte betraf, war die Sache natürlich, denn es ist einmal seit langer Zeit bei allen seefahrenden Nationen Sitte gewesen, dass die Schiffsführer ihre Schäden als unabweislich hinzustellen haben.

Doch dass man ihm auch einen absichtlichen Ver­lust in die Schuhe schieben wollte, das setzte ihn in Erstaunen und, die Wahrheit zu sagen, in Angst.

Zu der letzteren Gemütsbewegung hatte der Baron ohne Frage alle Ursache, denn das Partei­getriebe urteilt stets nur einseitig und Staelswerd, hiervon überzeugt, beeilte sich, der drohenden Gefahr zuvorzukommen.

Einigermaßen ist die Parteistellung hier schon früher hervorgehoben worden. In den deutschen Be­sitzungen Schwedens waren die Parteien zwar nicht so schroff getrennt wie in Schweden, doch dies bot nur eine Gefahr mehr für den unterliegenden Teil, denn die Schwankung hatte überhaupt keinen Halt und sprach deshalb umso rücksichtsloser.

Staelswerd wählte deshalb ein Mittel, welches schon öfter als probat befunden wurde. Er knüpfte eine Bekanntschaft aufs Neue an, die ihm einst viel Wider­willen verursacht hatte.

Der Vizegouverneur von Pommern und Rügen war nämlich zu jener Zeit ein gewisser Baron Engeström, ein Mann , dessen Vergangenheit höchst un­gleich gewesen und dessen Haut etwas von dem Fell des Chamäleons hatte.

Durch welche Umstände er auf den gegenwärtigen Posten gekommen war, kann hier gleichgültig sein; gewiss war dagegen, dass er es geraten fand, mit aller Zähigkeit dem Senat und Reichsrat an­zugehören.

Ehedem hatte er auch am Hofe eine Rolle ge­spielt, und aus dieser Zeit kannte Staelswerd seine Tochter, eine junge Dame von weniger Schönheit, aber großem Stolz, von feinem Gemüt, aber vieler Hartherzigkeit.

Die Wandelbarkeit des Charakters ihres Vaters hatte auch auf die Baronesse Flora ihren Einfluss geübt. Sie war allgemach übersehen und dann ignoriert worden. Selbst an dem Ort, wo nun ihr Vater eine so hohe Stelle bekleidete, war es ihr nicht wieder gelungen, in die Mode zu kommen.

Diese Dame als Schild zu benutzen, und sollte es auch um den höchsten Preis sein, beschloss der Baron Staelswerd, sobald er die ihm drohende Ge­fahr erkannte. Staelswerd war Hofmann, wie schon früher bemerkt worden war, und ein Hofmann denkt anders als gewöhnliche Leute.

Flora von Engeström nahm den jungen Kavalier, sobald er sich bei ihr meldete, in einer Weise auf, welche zeigte, dass sie seine Aufmerksamkeit nach Ge­bühr zu würdigen wisse. Er erhielt sofort eine Einladung, im Kreis der Familie zu erscheinen, so oft er Lust habe, und Staelswerd versäumte nicht, dieser Ein­ladung Folge zu leisten.

Damit war indessen noch nichts gewonnen, denn ob­wohl die gegen ihn eingeleitete Untersuchung, seit er das Haus der Engeström besuchte, liegen blieb, so blieb sie jedoch eben auch über seinem Haupt schwe­ben; denn Baronesse Flora, besonders aber ihr Herr Papa waren Leute, die so leicht nicht überlistet werden konnten. Staelswerd sah deshalb ein, dass er den ent­scheidenden Schritt tun müsse. Er entschloss sich, ihn zu tun. An Gelegenheit, diesen Entschluss aus­zuführen, konnte es ihm nicht fehlen, da sie genug geboten ward.

Der Baron begab sich deshalb eines Vormit­tags schon in das Gouvernementshaus und stattete zunächst dem Gouverneur seinen Besuch ab. Danach begab er sich zur Frau desselben, und endlich zu der Baronesse Flora.

Staelswerd war Hofmann, wir wiederholen es zum dritten Mal, und Comtesse Flora war am Hof gewesen. Sie verdiente außerdem die Bezeichnung einer klugen Dame. Flora lächelte, als sie den Baron ein­treten sah. Dieser bemerkte das Lächeln und war klug genug, es zu verstehen.

»Meine gnädige Baronesse!«, begann er. »in der Regel spielen die Leute Versteck miteinander und suchen einander zu übervorteilen, ohne dass es einem der beiden Teile damit so recht ge­lingt. Wir wollen daher offenes Spiel treiben, einander die Karten zeigen und daraus das Resultat arrangieren!«

»Ich bin vollkommen Ihrer Meinung, mein Herr!«, antwortete die Dame, »ja, ich habe sogar erwartet, dass Sie sich mir auf diese Weise nähern wür­den, doch es ist an Ihnen zu sprechen!«

»Jawohl!«, antwortete Staelswerd mit einer Verbeugung. »Ich habe unsere frühere, etwas flüchtige Be­kanntschaft erneuert, weil es mir eine Notwendigkeit geworden war und ich mir günstige Folgen davon erwarte!«

»Ich wusste dies von Anfang an, mein Herr«, sagte die Baronesse sehr ruhig, »und ich ließ die Annäherung geschehen aus Gründen, die Sie sich selbst sagen mögen.«

»Ihr Herr Vater gehört einer Partei an, die vielleicht Ursache haben könnte, mich zu verfolgen. Ich wünschte, dass diese Verfolgung gänzlich aufge­hoben würde!«

»Das kann geschehen«, sagte Flora ruhig, »denn mein Vater ist stets nur so weit Parteimann, wie es sein Vorteil erheischt!«

»In gewisser Hinsicht sind wir dies alle!«, antwortete Staelswerd. »Und der eigentliche Zweck, der Parteinahmen die Erreichung eines gewissen Ziels. Das meine wäre ein leidlich schnelles Emporsteigen, wozu im Übrigen die Zeit wohl günstig sein dürfte!«

»Ein solches liegt in meinem Interesse für einen gewissen Fall. Sind das Ihre Bedingungen, Baron?«

»Ich bin damit am Ende, ja!«

»Nun, so erlauben Sie mir wohl, die meinen zu stellen?«

»Ich bitte darum!«

»Sie sind reich , haben einen geschätzten Namen und werden später einen bedeutenden Rang einnehmen. Ich wünsche, dies alles mit Ihnen zu teilen!«

»Nicht mehr als billig, meine gnädige Ba­ronesse!«

»Ich wünsche aber außerdem, völlig unabhängig zu sein – was Sie natürlich zu Gleichem berechtigt!«

»So sind wir also einverstanden!«, sagte der Baron, die Hand der Dame nehmend und an seine Lippen führend. »Ich darf mich an den Herrn Papa wenden und meinen Antrag stellen!«

»Wir schließen eine rechte und echte Konvenienz­heirat!«, antwortete die Dame, jedoch diesmal mit einem Lächeln. »Vielleicht ist sie dennoch so glücklich, wie überhaupt eine Ehe sein kann!«

Der Baron verbeugte sich und verließ seine Braut. Am nächsten Tag machte er wiederum deren Vater zur rechten Zeit seine Auswartung und bat um die Hand der Tochter.

Der Vizegouverneur sagte dem Bewerber dieselbe zu, und noch an demselben Tag fand die Verlobung des Paares statt. Die Untersuchung wider den Baron wurde sofort eingestellt. Vier Wochen später fand die Vermählung des Paares statt und am Hochzeitstag erhielt der junge Ehemann das Patent als Kapitän der Flotte.

Schon am Tag nach der Hochzeit wurde ihm das Kommando über ein Geschwader von acht Kriegs­schiffen übertragen, mit denen er besonders auf den Freibeuter Jacobson Jagd machen sollte.

Zu dieser Maßregel hatten hauptsächlich Er­eignisse beigetragen, die wir noch näher betrachten müssen.

Der Baron verließ seine junge Gemahlin ebenso gleichgültig, wie diese ihn scheiden sah. Beide hatte indessen ihren Zweck erreicht.