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Der Welt-Detektiv Band 6

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Deutsche Märchen und Sagen 134

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

174. Arkenbald von Burde

Arkenbald von Burde war ein mächtiger und edler Herr und so sehr eifrig für die Gerechtigkeit, dass vor ihr ihm jener gleich galt. In einer schweren Krankheit hörte er eines Tages in seinem Bett ein großes Getümmel und klagende Weiberstimmen aus einer nahen Kammer dringen. Als er sich nach der Ursache davon erkundigte, wagte keiner der Umstehenden es, ihm die Wahrheit von der Sache zu bekennen. Da rief er einen von seinen Dienern und sprach: »So dir deine Augen lieb sind, sage mir die reine Wahrheit.«

Da antwortete der Diener zitternd: »Herr, Eurer Schwester Sohn wollte eine Frau schänden, das war die Ursache des Schreiens.«

Da sprach Arkenbald tief ergriffen zu seinen Soldaten: »Geht hin und hängt ihn.«

Die Soldaten entfernten sich, doch vor der Tür sprachen sie zueinander: »Töten wir diesen edlen Jüngling und stirbt unser Herr, wie sehr wahrscheinlich ist, bald, dann wird man uns gleicherweise töten oder wenigstens verbannen.«

Sie gingen zu dem Jüngling, sagten ihm alles und schärften ihm ein, ja nicht vor seines Oheims Augen zu kommen. Dann gingen sie einige Stunden später zu Arkenbald und sagten diesem, sein Wille sei nun vollbracht.

Fünf Tage danach glaubte der Jüngling, sein Oheim habe nun alles vergessen und gedenke der Sache nicht mehr. Er öffnete leise die Tür des Krankenzimmers und schaute einmal hinein.

Als Arkenbald ihn erblickte, sprach er mit schmeichelnden Worten zu ihm, er solle sich neben ihn ans Bett setzen. Kaum hatte der Jüngling das aber getan, als Arkenbald ihn um den Hals fasste, heimlich sein Messer zog und es ihm in die Gurgel stach, sodass er tot hinfiel. Unter Klagen und Tränen wurde der Jüngling herausgetragen; die ganze Gegend schauderte ob der grausigen Tat.

Arkenbald war selbst so sehr davon ergriffen, dass seine Krankheit sich verschlimmerte und er zum Bischof sandte, dass dieser ihm den Leib des Herrn bringe.

Als der Bischof kam, beichtete Arkenbald ihm unter vielen Reuetränen seine Sünden, des Mordes aber verschwieg er.

Da sprach der Bischof erzürnt, warum er sich dessen nicht anklage.

»War denn das eine Sünde?«, fragte Arkenbald.

»Und noch dazu eine schwere«, erwiderte der Bischof.

Aber Arkenbald sprach: »Ich sehe keine Sünde darin und verlange also auch nicht, dass Gott sie mir vergebe.«

Der Bischof erwiderte zornig: »Dann gebe ich Euch die Wegzehrung nicht eher, als bis ihr Euch des Mordes angeklagt habt.«

Arkenbald sprach: »Wisst, Herr, ich habe meinen Neffen nicht aus Hass oder in einer Aufwallung von Zorn getötet, sondern nur aus Furcht Gottes und Liebe zur Gerechtigkeit. Nie liebte ihn einer inniger, denn ich. Versagt Ihr mir auch des Herrn Leib, dann kann ich dem Herrn doch ebenso meinen Leib und meine Seele anbefehlen.«

Der Bischof ging, doch kaum hatte er die Türschwelle überschritten, als der Kranke ihn zurückrief, indem er sprach: »Kehrt zurück, Herr Bischof, kehrt zurück und seht, ob die Hostie noch in Eurer Büchse ist.«

Das tat der Bischof, aber siehe, die Hostie war verschwunden.

Da sprach Arkenbald: »Der, den ihr mir versagt, hat sich mir nicht versagt.« Er zeigte dem Bischof die Hostie, welche er noch im Mund hielt.