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Der Hexer 23

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer, Band 15
Wo die Nacht regiert
Das verlorene Reich im Meer

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 29. Oktober 1985, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Paul R. Alexander

Jenseits des zollstarken Glases herrschte immerwährende Nacht. Manchmal bewegten sich Schatten durch die Finsternis; große Dinge, die sich dem Auge nicht genau zu erkennen gaben, aber bedrohlich und böse wirkten. Dann wieder war es die Schwärze selbst, die sich bewegte: ein schwerfälliges mühsames Wogen und Gleiten, als wäre sie selbst ein sonderbares, finsteres Ding. Nemo schauderte. Es war kalt geworden im Salon der NAUTILUS; so kalt, dass sein Atem als flüchtiger grauer Nebel vor seinem Gesicht erschien. Das Wasser, das zu Millionen und Abermillionen Tonnen auf dem stählernen Leib der NAUTILUS lastete, saugte die Wärme aus dem Schiff. Aber es war nicht allein die Kälte, die ihn frösteln ließ. Sie würden nicht erfrieren. Sie würden tot sein, lange bevor die Temperaturen an Bord der NAUTILUS so tief gesunken waren, dass ein Leben an Bord des verlorenen Schiffes unmöglich wurde …

Leseprobe

Die Welt des Hexers

An einem dunklen See in Schottland wird das Mädchen Jennifer, einem alten Ritus gehorchend, dem Fischgott DAGON zum Opfer gebracht. Er ist einer der Priester aus der Vergangenheit, die den Thul Saduun huldigten, einer Dienerrasse der GROSSEN ALTEN, und die er verriet. Nun bangt Dagon, dass die Thul Saduun erwachen und ihn bestrafen könnten. So schafft er sich ein Heer aus schrecklichen Fischwesen – seinen Kindern. Auch Jennifer – wie die Mädchen vor ihr – tötet er nicht, sondern macht sie zu seiner Braut.

Außerdem plant Dagon, ein gewaltiges Schiff zu bauen: seine Festung gegen die Thul Saduun. Dazu bedient er sich menschlicher Sklaven; die Frachtschiffe der Reederei Scotia bringen die benötigten Bauteile aus aller Welt herbei. Doch diese Aktivitäten bleiben nicht unentdeckt. Plötzlich stellt sich ein neuer Feind dem Fischgott: ein metallenes Ungeheuer, über achtzig Yards lang, versenkt zwölf der Scotia-Frachter und ein Küstenwachschiff, das das vermeintliche Ungeheuer angreift. Es ist die NAUTILUS. Kapitän Nemos legendäres Unterseeboot! Mittlerweile ist auch Robert Craven auf Dagons Spur gestoßen. Im Büro des Scotia-Eigners findet er das Modell der DAGON, dem Schiff des Fischgottes. Doch als er zusammen mit seinem Freund, Kapitän Bannermann, dem Geheimnis auf den Grund gehen will, schlägt Dagon zurück – Bannermann wird entführt.

Robert wendet sich an eine in Aberdeen stationierte Marineeinheit. Fregattenkapitän Spears sagt ihm Unterstützung zu. Bei den Ermittlungen werden sie von Dagons Kindern angegriffen – und im letzten Moment von Nemo und seinen Männern gerettet. Spears ist von Hass gegen Nemo erfüllt – auf dem Küstenboot, das die NAUTILUS versenkte, befand sich sein Bruder. Spears wird in sicheren Gewahrsam gebracht, kann aber fliehen und sich an Bord des Unterseebootes stehlen.

Inzwischen wird Robert in Nemos Pläne eingeweiht. Es stellt sich heraus, dass die beiden einen gemeinsamen Bekannten besitzen – Howard Lovecraft! Robert weiß nicht, dass sich sein Freund schon an Bord befindet – in eine luftdichte Tiefseemontur gehüllt. Howard ist von der Tollwut befallen; er hat nur noch kurze Zeit zu leben.

Robert wird oberhalb des schottischen Sees abgesetzt – er will Kapitän Bannermann finden und aus Dagons Händen befreien. Ihm bleiben nur 24 Stunden, dann will Nemo den Fischgott angreifen und dessen unterseeisches Reich zerstören.

Doch Robert Craven wird gefangen genommen. Und muss erkennen, dass Dagon keineswegs sein Feind ist, sondern sich nur gegen die Thul Saduun wappnet, die von einer geheimnisvollen Macht durch das Öffnen von sieben Toren, hinter denen sie gefangen sind, befreit werden sollen.

Doch bevor sich die Fronten klären können, greift die NAUTILUS an! In dem entstehenden Chaos kann Robert zusammen mit Jennifer entkommen. Die NAUTILUS jedoch sinkt plötzlich auf Grund – Spears rächt den Tod seines Bruders und löst eine Explosion an Bord des Unterseebootes aus …

 

*

 

Seufzend trat Nemo von der riesigen, runden Scheibe zurück, die wie ein übergroßes Auge die Stahlwandungen des Schiffes durchbrach, schlug die Hände um die Oberarme und wandte sich mit einem Ruck ab. Die beiden Männer, denen er die letzten Stunden schweigend zugesehen hatte, waren gegangen; er war allein im Salon des Schiffes. Allein mit sich und seinen Gedanken, seiner Furcht.

Seltsam – er hatte niemals Angst gehabt, obgleich er nicht das erste Mal in einer Situation war, aus der es scheinbar keinen Ausweg mehr gab und in der jeder andere aufgegeben hätte.

Jetzt hatte er Angst; mehr Angst als je zuvor in seinem Leben.

Und er durfte sie weniger zeigen als je zuvor.

Wieder blickte sich der schlanke, ausgezehrt wirkende Mann in der Zentrale des Schiffes um, warf einen neuerlichen Blick auf das runde Sichtfenster und trat dann an das hufeisenförmige Pult, an dem die beiden Mechaniker die letzten Stunden wie besessen gearbeitet hatten.

Nicht, dass es einen sichtbaren Erfolg gehabt hätte; im Gegenteil. Das mit Schaltern, Knöpfen und verwirrend aussehenden Skalen und Anzeigeinstrumenten übersäte Pult war ein einziges Chaos. Was Spears mit seinem sinnlosen Angriff nicht zerstört hatte, das hatten die beiden Mechaniker herausgenommen oder zum Teil demontiert. Die Abdeckplatte mit den schweren messingfarbenen Nieten war zerborsten; aus dem gezackten Loch quollen bunte Leitungen und Drähte wie mechanische Eingeweide. Wie um das Bild perfekt zu machen, war eine Leitung geborsten: Dunkles Öl tropfte aus den zerrissenen Enden wie dickflüssiges Blut. Das Gehirn der NAUTILUS war zerstört. Vielleicht für immer.

Die beiden Mechaniker hatten kaum ein Wort geredet; mit Ausnahme der Bemerkungen, die sie ab und zu austauschten, oder der gelegentlichen Bitten an ihn, das eine oder andere Instrument zu betätigen, damit sie seine Funktion prüfen konnten. Aber er hatte in ihren Gesichtern gelesen.

Und was er gesehen hatte, entsetzte ihn. Trotzdem hatte er sich beherrscht und die bohrenden Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, heruntergeschluckt. Die beiden Mechaniker verstanden ihr Handwerk, wie alle seine Leute. Wenn es jemanden gab, der aus dem Gewirr von zerborstenem Glas und Metall wieder eine funktionstüchtige Maschinerie machen konnte, dann sie.

Das leise Scharren eines aufgleitenden Schotts riss ihn aus seinen Gedanken. Nemo fuhr hoch, drehte sich mit einer fast schuldbewussten Bewegung um und lächelte unwillkürlich, als er die beiden ungleichen Gestalten in den monströsen Tauchermonturen erblickte, die den Salon betreten hatten. Die größere von beiden trat ohne ein weiteres Wort zum Sichtfenster und blickte hinaus, während die andere, kleinere, einen beinahe flüchtigen Blick auf das zertrümmerte Pult warf und dann auf ihn zuging. »Nun?«

Nemo registrierte das Dutzend unausgesprochener Fragen, das in diesem so harmlos klingenden Wort verborgen war. Er seufzte, schüttelte den Kopf und ließ sich mit einer erschöpften Bewegung in einen Sessel fallen.

»Wir müssen abwarten«, sagte er stockend. »Sie werden es schaffen.«

Der Mann in der Tauchermontur legte den Kopf auf die Seite. Selbst hinter dem spiegelnden Glas des Helmes war der besorgte Ausdruck auf seinen Zügen überdeutlich zu erkennen. »Ist das das, was sie sagen – oder was du hoffst?«, fragte er.

Nemo lachte leise. »Macht das einen Unterschied?«

Der Mann in der Tiefseemontur blickte ihn an, dann schüttelte er den Kopf und lachte seinerseits. »Nein«, murmelte er. »Ich hätte es nur gerne gewusst, das ist alles.«

»Wir haben eine gute Chance«, antwortete Nemo, nachdem er eine Zeitlang an dem Riesen in der Tauchermontur vorbei in die Unendlichkeit jenseits des Glases geblickt hatte. »Unsere Lebensmittel reichen für Monate, und die Lufttanks sind voll.«

Der Mann in der Tauchermontur antwortete nicht gleich, aber der Ausdruck in seinen dunklen, von einem Netz winziger Fältchen umgebenen Augen, wurde noch besorgter. »Wie lange reicht unsere Atemluft?«

Nemo seufzte. »Eine Woche. Vielleicht acht Tage.«

»Nur so viel Zeit wernse uns nich lassn«, nuschelte der Mann am Fenster.

Nemo wollte widersprechen, aber er kam nicht dazu, denn im gleichen Moment ging ein tiefer, knirschender Laut durch das Schiff, gefolgt von einer spürbaren Erschütterung, die die Gläser auf dem Tisch vibrieren ließ.

Keiner der drei sagte ein Wort, aber jeder wusste, was der andere dachte. Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Laut hörten. Einen Laut, der an das Geräusch erinnerte, mit dem gewaltige Zähne über den stählernen Rumpf der NAUTILUS scharren mochten …