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Slatermans Westernkurier 08/2021

Auf ein Wort, Stranger, erinnerst du dich noch an Samuel Brannan?

Wenn es je einen Mann gegeben hat, auf den im 19. Jahrhundert das amerikanische Märchen vom Tellerwäscher zum Millionär zutraf, dann war es Samuel Brannan. Allerdings, wer hoch steigt, kann auch tief fallen. Brannans Abstieg vom Millionär zum Bettler verlief genauso spektakulär wie sein Aufstieg.

Aber der Reihe nach.

Samuel Brannan wurde am 2. März 1819 in Saco im US-Bundesstaat Maine als Sohn von Thomas und Sarah Emery Brannan geboren.

Im Alter von 14 Jahren zog er mit seiner Familie nach Ohio, wo er den Beruf des Druckers erlernte. Noch in jungen Jahren trat er in die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten

Tage (Mormonen) ein und übersiedelte 1844 nach New York, wo er im Auftrag der Kirche mit der Herausgabe der religiös geprägten Zeitung The Prophet begann.

Nach dem Mord an ihrem Führer Joseph Smith im Juni 1844 entschied sich die noch junge Kirche unter dem Vorsitz von Brigham Young, ihren Sitz von Nauvoo, Illinois, nach Westen zu verlegen. Brannan führte dabei über zweihundert Kirchenmitglieder per Schiff via Kap Horn nach Kalifornien.

Im Gepäck hatte Brannan eine uralte Druckerpresse.

Am 31. Juli 1846 erreichte das Schiff Yerba Buena, das heutige San Francisco. Dort begann Brannan mit den Druck der ersten Zeitung der Stadt, dem California Star. In der Nähe von Sutters Fort eröffnete er zudem ein Handelsgeschäft. Brannan hatte nämlich ziemlich schnell erkannt, das im Goldland Kalifornien das Graben und Waschen des Edelmetalls nur in den seltensten Fällen einem Mann zu Reichtum verhalf. Kaufen und Verkaufen war das, was wirklich Gewinn abwarf.

Also kaufte er sämtliche Schaufeln, Hacken und Pfannen der Umgebung auf und verkaufte sie den Goldgräbern zum Teil zum siebzigfachen des Einkaufspreises. Die Pfannen beispielsweise kosteten ihn 20 Cent, verkaufen konnte er sie für 15 Dollar. So machte er binnen neun Wochen 36.000 Dollar Gewinn. Sein Laden warf schließlich so viel ab, dass er in dem sich lebhaft entwickelnden Hafen von San Francisco mehrere Grundstücke in Schlüsselpositionen erwerben konnte, die er mit geradezu astronomischem Gewinn wieder veräußerte. Mit diesem Geld konnte er immer mehr Grundstücke kaufen, bis er um 1865 laut Zeitzeugen über zwanzig Prozent der ganzen Stadt besaß, zusätzlich noch einen großen Teil von Sacramento.

Brannan, ohnehin eine durch und durch extrovertierte Person, schwelgte in seinem plötzlichen Reichtum und der Prominenz, die ihn nun umgab. Er hatte Visionen eines ersten Bürgers von ganz Kalifornien und sonnte sich in dem inoffiziellen Titel »Der erste Forty Niner«, obwohl er in Wirklichkeit bereits 1846 angekommen war und es bisher sorgfältig vermieden hatte, Hacke oder Schaufel anzurühren und nach Gold zu graben.

Er entschloss sich daher, sich von nun an nicht mehr in der Kirche der Heiligen der Letzten Tage einzubringen, sondern sich nur noch seinen Geschäften zu widmen. Er behauptete, dass ihm dieser Entschluss unglaublich schwer gefallen war, doch eine Weiterführung seiner kirchlichen Aktivitäten hätten nur einen Sinn gemacht, wenn er sich wieder ganz in die Glaubensgemeinschaft hätte einbringen können. Da dies aber wegen seiner gesellschaftlichen Stellung und seinen Geschäften nicht mehr möglich war, wollte er den Weg für Jüngere freimachen.

So jedenfalls die eine Version zur Beendigung seiner kirchlichen Aktivitäten. Die andere hingegen ist weniger pathetisch, aber dafür wahrscheinlicher.

Brannan war einer der Führer im ersten Vigilanz-Komitee von San Francisco und maßgeblich daran beteiligt, dass man einen der Ganoven, welche die Stadt unsicher machten, zur Abschreckung kurzerhand aufhing.

Die Tat brachten ihn bei seiner Kirche derart in Misskredit, dass er kurz darauf von der Mitgliedschaft ausgeschlossen wurde.

 

*

 

Aber was kümmert es den Baum, wenn sich eine Sau daran reibt. Samuel Brannan, der sich fortan nur noch Sam Brannan nannte, jedenfalls nicht.

Im Gegenteil, nachdem ihn die Kirche aus ihren Reihen entfernt hatte, stieg sein Stern in Kalifornien beinahe kometenhaft auf.

Er gründete die Society of California Pioneers, deren Vorsitzender er wurde, und war einer der Hauptsponsoren des Musikfonds von San Francisco. Brannan wurde weithin bekannt als Gönner der Stadt, der den Goldgräbern nicht nur ein wertvolles Grundstück für einen Friedhof schenkte, sondern auch einer von ihm gegründeten Feuerwehr eine nagelneue Feuerspritze.

Und was für eine, es war die kostbarste und schönste Feuerspritze der ganzen Stadt, von einer Bostoner Firma nach seinen eigenen Angaben gebaut.

Alle Stahl- und Eisenteile waren reich mit Silber eingelegt, das Holz des Kastens aus feinstem Mahagoni und an jeder Seite der Wagenkupplung ein vergoldeter Greifenkopf angebracht.

Die linke Seite der Feuerspritze zeigte eine Landschaftsmalerei mit Pferden, Bäumen und einem See mit einer Ruderpartie, die rechte eine wunderbar genaue Ansicht der Niagarafälle.

Die Feuerspritze kostete ihn 10.000 Dollar, aber was war das für einen Mann, der die attraktivste und wohl berühmteste Frau im Westen, die Schauspielerin Lola Montez hofierte, einen Posten im Stadtrat von San Francisco und einen im kalifornischen Senat innehatte und sein eigenes Papiergeld in einer von ihm gegründeten Bank ausgab!

Als leidenschaftlicher Verfechter der Union organisierte er Ende Oktober 1862 ein kostspieliges Bankett zur Feier der Eroberung von Charleston und überredete den Offizier der örtlichen Artillerie, zur Feier eine Salve aus seinen Garnisonsgeschützen abzufeuern. Die Druckwelle zerstörte in der Stadt Fensterglas im Wert von beinahe 3.000 Dollar, aber wie immer zahlte Brannan, ohne mit der Wimper zu zucken.

Hier der Betrag für die Feuerspritze, dort das Geld für das durch die Druckwelle zerbrochene Fensterglas … Wenn man weiß, dass um 1850 ein Dollar der heutigen Kaufkraft von etwa 23 Euro entsprach, kann man wohl erahnen, mit was für Summen Brannan um sich geworfen hat.

Sam Brannan war jetzt auf dem Höhepunkt seiner Millionärskarriere.

Er legte etwas über eine Million Dollar in mexikanischen Wertpapieren an, um Benito Juarez in seinem Kampf gegen die französische koloniale Unterdrückung zu unterstützen, und erwarb nebenbei im Napa Tal etwas über 1.000 Hektar Land, auf dem er ein Gut aufbaute, das er Calistoga nannte (California Saratoga).

Auf den Weiden grasten reinrassige Pferde und Merinoschafe, auf den Hügeln gediehen Obstgärten und Weinreben, aus denen er jährlich 340.000 Liter Brandy in einer eigenen Brennerei produzierte. Eine der heißen Quellen auf seinem Land besaß ein derart mineralhaltiges Wasser, das wie Suppe schmeckte.

Brannan ließ dort immer Salz, Pfeffer und Cracker bereithalten, damit Vorbeikommende sich an dem Wasser laben konnten.

Das Leben konnte so wunderbar sein.

 

*

 

Ein Mann kann noch so viele Millionen auf seinem Konto sein Eigen nennen, wenn er es zulässt, dass zwei gewisse Faktoren damit beginnen, sein Leben zu bestimmen, nämlich Frauen und Alkohol, ist sein Ruin nicht mehr weit.

Sam Brannan machte hierbei keine Ausnahme, sein Niedergang begann um 1869.

Er hatte schon immer eine Vorliebe für Hochprozentiges und wurde so nach und nach zum Trinker. Der Alkohol beherrschte ihn derart, dass er nur selten imstande war, vor dem Mittag aus dem Bett zu finden, und wenn, dann alles andere als nüchtern.

Brannan hatte inzwischen überhaupt kein Verhältnis mehr zu seinem Geld, das sich durch seine Frauengeschichten und Alkoholeskapaden inzwischen in geradezu atemberaubender Weise verringerte.

Sein anderes Unglück war seine Frau, Anna Eliza Corwin, die ihn unaufhörlich ob seines verschwenderischen Lebensstils anfeindete und sich ihm schließlich verweigerte und damit in die Arme von anderen Frauen trieb. Dieselbe Frau, die körbeweise Geld für livrierte Lakaien und einen jahrelangen Europaaufenthalt verschwendete.

Als Mrs. Brannan nach 13 Jahren überraschend ins gemeinsame Heim in San Francisco zurückkehrte, erwischte sie ihren Mann prompt in flagranti mit einer anderen Dame.

Als sie 1870 verkündete, sich scheiden zu lassen, stürmte Brannan aus dem Haus und wurde nicht wieder gesehen.

Der Teil des Vermögens, den die Gerichte Anna Eliza Corwin zusprachen, machte etwa den halben Wert von Brannans Landbesitz aus, etwas mehr als 500.000 Dollar. Da Sam aber sein ganzes Geld in seine Ländereien gesteckt hatte und Anna nur Bargeld akzeptierte, war er gezwungen, seinen Besitz zu veräußern. Zu einem Bruchteil seines Wertes, denn die Käufer wussten um seine Notlage und nutzten diese schamlos aus.

1876 war Brannan dann so gut wie pleite.

Hilflos, fast mittellos und durch die Auswirkungen seiner Alkoholeskapaden halb gelähmt

versuchte er sich mehr schlecht als recht als Grundstücksmakler. In dieser Zeit schwor er endgültig dem Schnaps ab. Mitte der achtziger Jahre erhielt er von der mexikanischen Regierung 49.000 Dollar, eine verspätete und geradezu lächerliche Ablösung seiner Pfandbriefe von 1,5 Millionen Dollar, die er fast zwanzig Jahre zuvor gekauft hatte, um Juarez bei seinem Kampf gegen die Franzosen zu unterstützen.

Mit diesem unerwarteten Geldsegen konnte Brannan den Rest seiner Schulden samt Zinsen abbezahlen. Übrig blieb danach nicht einmal so viel, dass er seine eigene Beerdigung bezahlen konnte.

Sam Brannan starb am 14. Mai 1889, andere Quellen nennen den 5. Mai, in Escondido, Kalifornien, an einer Darmentzündung.

Zwar nüchtern, aber völlig verarmt und vergessen.

Quellenhinweis:

• Gary S. Breschini, The First Newspaper in California, Monterey County Historical Society 2000

• Bernard R. Bachmann, Abenteuer Goldrausch, Verlag Neue Züricher Zeitung 2008, ISBN 978-3-03823-457-9

• William Weber Johnson, Der Goldrausch, Time Life Bücherreihe -Der Wilde Westen, aus dem Englischen   übertragen von Wiebke Schmaltz, Redaktionsleitung der deutschen Ausgabe Hans Heinrich Wellmann, Textredaktion Heike Renwrantz

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