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Der Detektiv – Das Gespensterwrack – Teil 5

Walter Kabel
Der Detektiv
Kriminalerzählungen, Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1920
Das Gespensterwrack

Teil 5

Ich lag in meiner Koje im engen Schlafraum des Optimus und stierte immer wieder hinüber auf das zweite leere Bett – auf meines Freundes leeres Lager.

Da – ein Geräusch im Wohnsalon. Dann klopfte jemand; dann des alten Tiessen Stimme: »Herr Schraut, Herr Schraut, ich bin so besorgt um Harst!«

Ich öffnete. Wir berieten. Auch Pedersen kam und sagte: »Ach was, ob Herr Harst Ihnen auch befohlen hat, hier auf ihn zu warten: Ich jedenfalls fahre jetzt mit dem Optimus zu dem verteufelten Wrack!« Man merkte, dass auch in sein altes Seemannsherz eine starke Zuneigung für Harst sich eingeschlichen hatte.

Und wir fuhren. In aller Stille machten wir den Optimus los. Die mondhelle Nacht gestattete uns, den Motor mit voller Kraft laufen zu lassen.  Ich stand neben Tiessen am Steuer. Er spie den Tabaksaft über Bord, meinte dumpf: »Und wenn wir ihn und den Jungen auf dem Wrack nicht finden?«

»Dann suchen wir bei den Burtons!«

»Burtons? Wer ist denn das?« Er wusste bisher nichts von dem Ehepaar.

»Hm, ich möchte darüber doch erst sprechen wenn es unbedingt nötig ist. Harst liebt es …«

Plötzlich packte Tiessen meinen Arm. »Ein Boot! Dort voraus! Wahrhaftig, sie sind es!«

Gleich darauf stiegen Harst und Karl an Bord.

Es ging dann zu der Burtonschen Insel hin. Unterwegs berichtete Harst nur das, was ich im vorigen Kapitel geschildert habe. Was er in dem Grottenversteck außer den Gerippen noch gefunden hatte, erwähnte er nicht.

Wir legten an der Nordspitze der Burton-Insel an. Die letzte Strecke hatten wir die Jacht durch das geruderte Beiboot geschleppt, um das Geräusch des Motors zu vermeiden.

Im Wohnhaus rechts vom Eingang waren zwei Fenster erleuchtet. Wir standen draußen und horchten. Die gelben Vorhänge waren geschlossen. Ein Mann ging drinnen hastig auf und ab. Sein Schatten erschien auf den Vorhängen, verschwand wieder.

Zu verstehen war kein Wort. Es mussten aber drei Personen sein; eine Frau darunter. Die Frau war erregt; ihre Stimme versagte oft unter einem überlauten Aufschluchzen.

Harst führte uns zu der Hintertür. Sie war nur eingeklinkt. Wir zogen die Stiefel aus, nahmen unsere Schusswaffen in die Hand. Auch Karl hatte nun einen Revolver. Und er war nicht wenig stolz darauf.

Dann waren wir im Vorderflur. Dann riss Harst die Tür linker Hand auf, trat schnell ein. Wir drängten nach.

»Guten Abend«, sagte Harst ruhig. »Rühren Sie sich nicht. Ich mache mit Mördern wenig Umstände.«

Die Frau war mit leisem Schrei in ihrer Sofaecke zusammengesunken, richtete sich aber schnell wieder auf. Neben ihr saß ein gut gekleideter Mann mit blondem Spitzbart. Der glatt rasierte Burton stand daneben an dem mächtigen Kachelofen.

»Setzen Sie sich!«, befahl Harst dem Maler. »Dort auf jenen Stuhl, neben Ihre Frau, vorwärts! Sonst …!« Er hob den Arm mit der mattierten Pistole.

Selten habe ich so verstörte bleiche Gesichter gesehen, wie die dieser beiden Verbrecher. Burton taumelte förmlich auf den Stuhl zu.

»Ich will mich kurz fassen«, begann Harst wieder. »Wissen Sie, wer ich bin?«

»Nein. Aber wohl ein deutscher Detektiv«, murmelte Burton.

»Allerdings. Harald Harst heiße ich. Vielleicht kennen Sie den Namen.«

»Mein Gott!«, stöhnte die Frau auf.

Und Burton flüsterte: »Dann … haben wir wenig Hoffnung, dass … dass …« Er ließ den Kopf sinken, schwieg.

»Ja, das man nicht entdeckt haben könnte, was Sie auf dem Hardanger treiben. Ich habe es entdeckt. Ihre Werkstatt, Ihre Falschmünzerwerkstatt!«

Burton nickte kaum merklich. »Wir erkannten, dass Sie einer der Angler in dem Segelboot waren«, murmelte er heiser. »Nachher sahen wir noch den Jungen da. Und deshalb …«

»Schon gut. Ihre Fälscherwerkstatt zu entdecken, war nicht ganz leicht. Die dort stehende Druckpresse, die Druckplatten, Farben, Chemikalien und so weiter bestätigen nur, was ich schon vorher als sicher angenommen hatte, dass Sie beide die Falschmünzer sind und Ihre Reisen nur den Zweck hatten, die Scheine unterzubringen. Das wäre alles. Ich war diese Erklärungen meinen Freunden schuldig. Ich möchte jetzt nur noch eins wissen: Weshalb hatten Sie für das alte Ehepaar ein so reges Interesse, Burton, dass Sie den Leuten folgten?«

Die Antwort gab Frau Burton!

Sie sprang auf und  rief: »Master Harst, ich habe Tom so und so oft kniefällig gebeten, sich nicht mehr mit Barklay einzulassen. Barklay ist Toms Verführer gewesen. Er ist Kupferstecher von Beruf. Die beiden Kriminalbeamten aus Christiania, die sich in dem Kessel gleichfalls verborgen hatten, hat er ersticken lassen. Tom wollte damals mit mir fliehen. Aber Barklay verstand es, meinen Mann wieder für sich zu gewinnen. Barklay hat auch die Leichen im Fjord versenkt.«

»Und der Amerikaner, der noch außerdem verschwunden ist?«, fragte Harst schnell. »Er war bärtig, trug Brille. Hm, ob nicht Ihr Mann dieser Amerikaner war, Frau Burton, der hier vielleicht nur den für den Spuk Interessierten spielte, um zu sehen, ob das Wrack nicht als Fälscherwerkstatt zu benutzen wäre?«

»So ist es, Herr Harst, so ist es! Ich will nichts verschweigen, nichts. Ich will auch zugeben, dass heute gegen elf Uhr abends Barklay und Tom …«

»Verdammt!«, fuhr der Blonde da auf. »Verrücktes Frauenzimmer, willst …«

Da, und dies hatte niemand vorausgeahnt! Da hatte Burton blitzschnell einen Revolver gezogen, feuerte auf Barklay, richtete dann die Waffe auf die eigene Stirn, drückte ab, schlug lang zu Boden.

Aufweinend stürzte die arme Frau sich über den, der sich soeben selbst gerichtet hatte.

Die beiden Verbrecher waren tot. Frau Burton bewies nun eine seltene Seelenstärke. Sie erhob sich sehr bald wieder und berichtete nun, dass Barklay und Burton abends um elf die beiden angeblichen Pragers, die sie für verkleidete Detektive hielten, weil Burton in der Haltung und Gangart des alten Herrn einen Deutschen wiederzuerkennen glaubte, der vor Kurzem schon einmal das Geheimnis des Gespensterwracks zu enthüllen versucht hatte, also dass sie die beiden Pragers, mit deren Erscheinen auf der Insel sie rechneten, beim Landen mit einem Boot überrascht, niedergeschlagen, gefesselt und geknebelt in eine Kammer des Stalles eingesperrt hatten. Sie aber habe dann nachher die beiden ohne Wissen ihres Mannes befreit, um ihn so zu zwingen, mit ihr nunmehr von hier zu fliehen. Als wir in das Zimmer eindrangen, hatte sie soeben den beiden Männern erklärt, dass die verkleideten Spione frei seien und man daher sofort flüchten müsse.

Ich stelle an die Kombinationsgabe des Lesers wohl kaum zu hohe Anforderungen, wenn ich als selbstverständlich erachte, dass er nach dem Vorausgegangenen sich selbst sagt, wer Herr Prager war: eben unser Konkurrent Lihin Omen!

Als wir am nächsten Abend in Christiania im Hafen mit unserem Optimus lagen, brachte ein Dienstmann einen Brief für Harst an Bord – von Lihin Omen!

Geehrter Herr Harst! Ich habe Pech gehabt. Zum ersten Mal. Ich glaubte, schneller als Sie Burton und Barklay völlig entlarven zu können. Ich war auf die beiden Vallö dadurch aufmerksam geworden, dass Sie in der Eisbein-Kneipe heimlich das jüngere Ehepaar so scharf beobachteten, besonders den Ehemann! Ja, ich habe sehr gute Augen; mir entgeht nichts! Im Hotel König Christian erfuhr ich dann, dass dieser Mann mit der verhärmten Frau und dem blonden Kind Burton hieße, erfuhr noch anderes, das meinen gegen ihn gefassten Verdacht bestärkte. Sie haben mir also bei dieser Gespenstergeschichte hier den Rang abgelaufen! Ich werde die Scharte auswetzen! Meine Frau ist mein Gehilfe, ein Mann, der Ihrem Max Schraut tausendfach überlegen ist. Sie sollen uns beide schon noch kennen lernen! Ihr leider vom Glück nicht so sehr begünstigter Konkurrent und Beschützer Lihin Omen!

Wir lachten, dass der Wohnsalon dröhnte, lachten so, dass Kapitän Tiessen hereingelaufen kam und fragte was los sei. Er hatte, Palperlons Bilderrätsel in der Hand, das er sich von Harst vorhin ausgebeten hatte, da er seinen Scharfsinn daran erproben wollte.

»Lieber Herr Harst«, sagte er nun ganz stolz, »eine große Überraschung! Diese Zeichnung kann nur ein seemännisch geschulter Verstand deuten.«

»Na, na!«, gab lächelnd Harst von sich. »Sollte die Zeichnung vielleicht eine Karte der Südostküste Islands, allerdings eine absichtlich nur durch wirre Striche angedeutete, sein und die Buchstaben darin nicht vielleicht die entsprechenden Zahlen je nach der Nummer im Alphabet, das Ganze aber der Hinweis auf eine Insel, die östlich von Island liegen muss und auf die Palperlon mich aus irgendeinem Grund aufmerksam machen will? Sie sehen, bester Tiessen, inzwischen ist mir auch diese Erleuchtung gekommen. Wie wär es, wenn wir mal mit dem Optimus uns nach Island hinaufwagten? Ich miete die Jacht für weitere vier Wochen. Ist es Ihnen recht?«

»Und ob! Hier meine Hand!«

So kam es, das wir am folgenden Morgen schon wieder Christiania verließen und dem Löwen aus Flandern entgegenfuhren.

So will ich Harsts nächstes Abenteuer betiteln.

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