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Deutsche Märchen und Sagen 120

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

159. Zaubernadeln

In ein gewisses Haus kam alle Tage eine Milchbäuerin, um ihre Milch dort zu verkaufen. Die Frau vom Haus hatte ein Kleinkind. Jedes Mal, wenn die Bäuerin kam, wunderte sie sich über des Kindes Schönheit, nahm es auf den Arm, liebkoste es und sprach immer: »Ach, welch ein lieb Kind! Welch ein lieb Kind!« Es war aber sonderbar, dass das Kind jedes Mal plötzlich und peinlich ausschrie, wenn die Bäuerin es nahm. Auch bemerkte die Frau, dass das Kind Geschwüre bekam. Und jedes Mal, wenn das Weib im Hause gewesen war, fand sie der Geschwüre mehr. Was sie auch dagegen tun mochte, dieselben waren unheilbar und daraus schloss sie richtig, das Kind müsse bezaubert sein.

Als die Bäuerin nun am folgenden Tag wiederkam, gab die Frau ihr das Kind nicht, bat sie aber, weil es Winter und sehr kalt war, ein wenig am offenen Herdfeuer niederzusitzen. Inzwischen rief die Frau ihren Mann und der kam alsbald, steckte heimlich einen Nagel aus der Osterkerze unter den Stuhl, auf dem das Weib saß, schürte dann das Feuer und machte eine so große Flamme, dass die Bäuerin es vor Hitze nicht aushalten konnte. Sie wollte aufstehen, vermochte es aber nicht und bat den Mann, sie ein wenig rückwärts zu schieben.

»So viel Kraft habe ich nicht«, antwortete der, »Ihr seid mir zu schwer und könnt wohl selbst ein wenig zurückrücken.« Und mit den Worten warf er noch mehr Holz in die Flamme.

Da begann das Weib zu seufzen, zu jammern und bat den Bauern, sie doch loszulassen. Nun war es klar, dass sie die Hexe gewesen war, welche es dem Kind angetan hatte. Der Mann verwies ihr das auch mit herben Worten.

Sie gestand endlich und sprach: »Ja, ich habe Euer Kind bezaubert; ich habe es mit Zaubernadeln gestochen. Sie liegen in meiner Kommode, im siebenten Kästchen der obersten Schublade in einem Döschen. Da habt Ihr den Schlüssel, nehmt sie und werft sie weg und Euer Kind ist genesen. Lasst die anderen aber liegen.«

Der Mann nahm den Schlüssel und schloss den Kasten auf. Er fand darin viele Döschen, in denen allen Nadeln lagen, die er sämtlich wegwarf. Beim Suchen sah er eine besonders große Dose. Als er die neugierig öffnete, sah er eine zweite darin, in der zweiten eine dritte und also bis zu sieben. Die letzte war gespickt voll Nadeln. Nicht nur für seine Ruhe besorgt, sondern auch für die seiner Nebenmenschen, warf er auch die weg, sodass das Weib nicht mehr damit schaden konnte. Nach Hause zurückgekehrt, warf er sie vor die Tür. Sie hat sich seitdem nie mehr in das Haus gewagt.

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