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Jim Buffalo – 1. Abenteuer – Kapitel 6

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922

Die Geheimnisse eines Harems
Das 1. Abenteuer Jim Buffalos

6. Kapitel

Das Krokodilbassin

Noch eine Weile stand Harry Norder unbeweglich und wandte keinen Blick von der Tür.

Dort saß sie! Und frühstückte vielleicht! Auf Zehenspitzen schlich er sich bis zu der Flügeltür.

Ruth zuckte jäh zusammen, als sie ihn hereinkommen sah, und blitzte ihm feindselig entgegen. Ohne es zu beabsichtigen, trat sie, von einem plötzlichen Abscheu erfüllt, einige Schritte zurück.

Er verschlang ihre Gestalt mit heißen Blicken.

Seine Augen funkelten in roher Begierde.

Die schwarzen Pupillen glühten wie im Fieber und loderten wie Feuer. Ruth griff nach der Lehne eines Stuhls und klammerte sich in jähem Erschrecken daran fest.

Instinktiv begann sie, die furchtbare Gefahr zu ahnen, in der sie schwebte.

Langsam kam er näher.

Das Lächeln, das seinen Mund umspielte, war das eines Tieres, nichts weiter als ein Zähnefletschen. Ruth schauderte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals herauf. Mit einem Aufschrei flüchtete sie in den äußersten Winkel des Zimmers.

Das Lachen erstarb auf seinen Lippen. Nur der Ausdruck seiner Augen blieb derselbe. Wie ein Raubtier umschlich er sie.

»Fort!«, schrie sie in aufsteigender Todesangst.

Seine Antwort bestand nicht aus Worten, sondern aus unartikulierten Schreien. Er streckte die Hand nach Ruth aus und riss sie an sich.

Ruth wurde von die Verzweiflung gepackt, was ihr Riesenkräfte verlieh. Sie stieß ihn zurück, dass er gegen den Spiegel taumelte und um ein Haar das geschliffene Glas zertrümmert hätte.

Sie selbst flüchtete hinter den Tisch und stand wie eine Bildsäule.

Norder schloss die Augen. Seine Finger krampften sich zusammen und ballten sich zu Fäusten. Er verlor die Herrschaft über seine Sinne.

Er stürzte sich auf sie. Ruths Hand zuckte auf den Tisch und ergriff die Menage.

Zielsicher schleuderte sie ihm das Salz und den Pfeffer ins Gesicht, in die Augen!

Brüllend vor Schmerz taumelte er zurück, stolperte und fiel über die Ottomane, wo er sich in wilden Schmerzen wand. Ruth seufzte auf und eilte zur Tür. Erleichtert bemerkte sie, dass diese unverschlossen war.

Dann fiel ihr etwas ein. Sie schlich zu dem halb Bewusstlosen und wartete den günstigen Moment ab, als er sich wieder mit beiden Händen die brennenden Augen rieb.

Blitzschnell griff sie in die Brusttasche Harrys und zog die Brieftasche hervor.

Da erklang ein Wutschrei von der Tür her. Entsetzt fuhr Ruth herum. Der Herr des Hauses stand mit wildem Blick auf der Schwelle. Abdulla el Raschid, der Türke. Mit einem teuflischen Fluch warf er sich auf das Mädchen und entriss ihr die Tasche.

»Sie will mich ermorden!«, brüllte Norder.

»Warte, Hexe, das sollst du büßen!«, knirschte der Türke. Ohne sich um den wimmernden Mann zu kümmern, zerrte Abdulla Ruth hinaus. So sehr auch das tapfere Mädchen den Griff des Türken zu lockern versuchte – es gelang ihr nicht. So konnte sie es auch nicht verhindern, dass sie der Elende schließlich in ein weites Gemach stieß und die Tür hinter sich zuwarf und abschloss.

Das Staunen nahm Ruths Sinne gefangen.

Wo befand sie sich? War es ein wüster Traum, den sie erlebte? Befand sie sich in Nordland oder in der Türkei?

Rings um sie herum wurde es lebendig; verschleierte Frauen traten auf sie zu und sprachen in fremden Lauten, die sie nicht verstand, auf sie ein. Da fiel es wie ein Schleier von ihren Augen. Nun wusste sie, wo sie sich befand.

Im Harem Abdulla el Raschids, von dem man in Nordland heimlich erzählte!

 

*

 

Horst war Halifar ungesehen gefolgt und hatte diesen zu seiner Verblüffung im Palast des reichen Türken verschwinden sehen. Er musste, koste es, was es wolle, in dieses Haus! Ein Kellerfenster diente ihm als Mittel zum Zweck. Er schlug es ein, lauschte und drang, als alles ruhig blieb, in den Palast ein.

Indessen erstattete Halifar Bericht. Der Türke hörte aufmerksam zu und stieß dann ein höhnisches Lachen aus. »Die Teufelsmaschine muss mein Eigentum werden!«, raunte er dann. »Sie macht mich zum mächtigsten Mann der Welt.«

»Was ist das für eine Maschine?«, forschte Halifar mit lauerndem Blick.

Der Türke antwortete darauf nicht. Er entließ Halifar und klingelte dann nach einem Diener. Wenig später wurde Ruth hereingeführt. Auf einen Wink verließ der Diener den Raum.

Drohend trat Abdulla el Raschid auf das unerschrockene Mädchen zu.

»Aus welchem Grund will dein Vater den Berg von Lambertsen kaufen?«

»Er will einen Tunnel bauen!«

»Du lügst!«

Ruth zuckte die Achseln und schwieg.

»Willst du endlich sprechen?«

»Ich sagte schon einmal …!«

Der Türke lachte hart auf.

»Wenn du nicht die Wahrheit sagen willst, werde ich dich dazu zwingen müssen!« Und er ergriff eine sechsschwänzige Peitsche und ließ sie durch die Luft sausen, sodass sie, ehe Ruth es verhindern konnte, auf ihrem Rücken niederschlug.

Sie schrie auf. Der Schmerz nahm ihr fast die Sinne. Dann aber zuckte die Empörung in ihr auf. Mit einer Kraft, die sie sich selbst nie zugetraut hätte, schlug sie dem Türken ins Gesicht und lief dann blitzschnell zur Tür. Mit wildem Fluch setzte der Erpresser ihr nach.

Ruth lief einen langen Gang hinunter. Hinter ihr erklang das Keuchen ihres Verfolgers. Plötzlich strauchelte sie. Ehe sie wieder auf die Füße kam, hatte Abdulla sie erreicht. Ein verzweifeltes Ringen entstand. Es gelang Ruth, aus dem breiten Gürtel ihres Gegners einen krummen Dolch zu reißen. Doch der Türke sah rechtzeitig die furchtbare Gefahr. Mit einem tierischen Schrei umklammerte er ihr zartes Handgelenk, dass sie aufschreiend den Holzgriff der Waffe losließ.

Im selben Augenblick tauchte am anderen Ende des langen Ganges eine schlanke Gestalt auf, die, vor Schreck wie erstarrt, Sekunden regungslos verharrte, dann aber heranschoss.

Die Wut des Türken kannte keine Grenzen mehr. Er stieß die erstbeste Tür auf und schleppte Ruth hinein.

Ein seltsamer Raum war es. Fliesen bedeckten Boden und Wände. In der Mitte befand sich ein mit orientalischer Pracht aus Marmor gefertigtes tiefes Bassin, aus dem die Köpfe einiger junger Nilkrokodile gierig emportauchten.

An den Rand dieses Bassins stürzte Abdulla mit Ruth und hob ihren Körper hoch empor. Er überhörte die Schritte, die sich draußen in rasender Hast näherten.

»Stirb, weiße Schlange!«, keuchte der Schurke. Da erschien Jim Buffalo.

Vor seinen Augen geschah das Grässliche. Er kam um eine Sekunde zu spät, es zu verhindern.

In hohem Bogen schleuderte der Unmensch sein unglückliches Opfer in das Bassin – in derselben Sekunde packten ein paar zähnestarrende Mäuler den weichen Körper Ruths und zogen ihn unter Wasser.

»Bestie!«, schrie Horst auf und sprang mit wildem Schmerzensruf auf den Türken zu. »Du hast mir das Liebste genommen, das ich auf der Welt besaß – da …!«

Horst vergaß, wo er sich befand. Wie ein Tier schlug er auf den Türken ein, der brüllend unter den mit furchtbarer Kraft geführten Schlägen zusammenbrach. Die Rache brannte in ihm wie Feuer.

»Hinunter!«, schrie Buffalo und stieß den Türken zu dem Bassin.

»Gnade – Gnade …!«

Der andere hörte das Winseln nicht. Er packte den Türken und stieß ihn mit furchtbarem Lachen in das Bassin.

Abdulla el Raschid machte noch ein paar zuckende Schwimmbewegungen, dann verschwand er plötzlich unter der Wasserfläche, die sich blutrot färbte.

Noch lange stand Horst Radichow in dem entsetzlichen Raum. Dann wandte er sich zum Gehen.

Er war in diesen Minuten ein anderer geworden – sein Herz war hart geworden!

In derselben Stunde wurde der Palast des Türken polizeilich ausgehoben. Im geheimen Harem befanden sich nahezu dreißig Frauen, von denen einige schon jahrelang in Gefangenschaft schmachteten. Auch Norder und Halifar fielen in die Hände der Behörde.

Der Multimilliardär erlitt einen schweren Nervenzusammenbruch, als er aus Horsts Mund das furchtbare Ende Ruths vernahm.

Horst selbst war wie verändert. Sein Gesicht war eisern geworden. Nichts verriet, was in ihm vorging. Sein künftiges Leben stand klar und deutlich vor ihm. Es sollte nur jener Maschine dienen, die sich in dem Felskegel befand, die von den Grauen Schwestern bewacht wurde – denn er hatte aus Papieren, die er im Schreibtisch des Türken entdeckte, ersehen, was es für ein Geheimnis war, das mit dem Berg in einem Zusammenhang stand.

Nicht eher wollte er ruhen, als bis er das Geheimnis restlos ergründet und den Mord an Ruth gerächt hatte.

Wie Jim Buffalo sein Ziel erreichte, soll zu schildern dem zweiten Band vorbehalten sein.

Jim Buffalos 2. Abenteuer

Das Testament des Cagliosto

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