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Abenteuer des Captains Bonneville Anhang 4

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Anhang 4

Die Flathead und die Blackfeet

Eine große Gruppe der Flathead war um das Fort herum gelagert. Sie waren kürzlich erst aus dem Bereich der Büffel zurückgekehrt und hatten ihre Niederlage vom vorhergehenden Jahr durch einen ausgezeichneten Sieg über ihre Feinde, die Blackfeet, gerächt. Mehrere von den Kriegern der Letzteren waren mit ihren Frauen gefangen genommen worden. MʼMillans Tabak- und Warenvorräte waren vor meiner Ankunft gänzlich ausgeräumt worden und die Indianer sehr in Not um Schießbedarf. Meine Erscheinung oder vielmehr jene der Waren, die ich mitbrachte, verursachte daher beiden Teilen eine große Freude. Die Einwohner rauchten das beliebte Kraut mehrere Tage hintereinander. Unsere Jäger töteten einige Gebirgsschafe und ich brachte einen Sack Mehl, einen Sack Reis, eine Menge Tee und Kaffee, etwas Pfeilwurzel und fünfzehn Galonen vorzüglichen Rum mit. Wir verlebten frohe Weihnachtsfeiertage. An einem flackernden Feuer in dem warmen Zimmer vergaßen wir die Leiden, die wir auf unserer traurigen Reise durch die Wälder überstanden hatten; allein mitten in unseren Festlichkeiten war etwas, das der Freude, die wir sonst genossen haben würden, einen großen Abbruch tat. Ich meine nämlich die unglücklichen Blackfeet, die von den Flathead gefangen worden waren. Da ich unterrichtet wurde, dass sie einen ihrer Gefangenen umzubringen im Begriff stünden, so begab ich mich in ihr Lager, um Zeuge des Schauspiels zu sein. Der Mann wurde an einen Baum gebunden, wonach sie einen alten Flintenlauf in das Feuer legten, bis er glühend wurde. Damit brannten sie ihm Beine, Schenkel, Hals, Wangen und Bauch. Sie fingen dann an, das Fleisch um die Nägel abzulösen, die sie ausrissen, und dann die Finger, Glied für Glied, von der Hand abtrennten. Während dieser Grausamkeiten hörte man den unglücklichen Gefangenen nie jammern. Statt um Gnade zu bitten, reizte er ihren barbarischen Scharfsinn durch erbitternde Schmähungen, von welchen uns unser Dolmetscher einen Teil übersetzte, wie folgt: »Mein Herz ist stark. Ihr tut mir nicht weh. Ihr könnt mir nicht weh tun. Ihr seid Narren. Ihr versteht das Martern nicht. Versucht es noch einmal. Ich fühle noch keine Schmerzen. Wir foltern eure Verwandten viel besser, dass sie laut schreien wie die kleinen Kinder. Ihr seid nicht tapfer. Ihr habt enge Herzen und fürchtet euch zu schlagen.« Sich dann an einen besonders wendend, versetzte er: »Es war durch meinen Pfeil, dass du dein Auge verlorst«, worauf der Flathead auf ihn zustürzte und ihn mit einem Messer in einem Moment eins seiner Augen ausbohrte, wobei er ihm zugleich die Nase beinahe völlig auseinanderschlitzte. Dies hielt ihn nicht ab. Mit dem übrig gebliebenen Auge blickte er einen anderen finster an und sagte: »Ich habe deinen Bruder getötet und den alten Narren, dein Vater, skalpiert.«

Der Krieger, an den er diese Worte gerichtet hatte, sprang sogleich auf ihn zu und zog ihm die Stirnhaut ab. Er stand dann im Begriff, ihm ein Messer in das Herz zu stoßen, als ihn der Häuptling abzustehen hieß. Der kahle Schädel, die blutigen Augenhöhle und die verstümmelte Nase boten nun einen schrecklichen Anblick dar, änderten aber keineswegs den trotzigen Ton seine Worte.

»Ich war es«, sagte er zu dem Häuptling, »der dein Weib im letztem Herbst gefangen nahm. Wir stachen ihr die Augen aus, wir rissen ihr die Zunge aus dem Hals, wir behandelten sie wie einen Hund. Vierzig unserer jungen Krieger …«

Der Häuptling wurde wütend in dem Augenblick, wo der Name seines Weibes genannt wurde. Er ergriff eine Flinte, und ehe die letzten Worte ausgesprochen waren, flog ihre Kugel durch das Herz des braven Kriegers und beendete seine furchtbaren Leiden. So empörend jedoch dieses grässliche Schauspiel war, so wurde es doch noch durch die rohen Grausamkeiten übertroffen, die an den weiblichen Gefangenen verübt wurden, woran, wie ich leider sagen muss, die Frauen der Flathead mit einer größeren Wut als die Männer Anteil nahmen. Ich wohnte nur einem Teil der einer unglücklichen jungen Frau auferlegten Qualen bei, deren nähere Umstände zu empörend sind, um solche zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. Wir machten gegen die Verübung solcher schrecklichen Grausamkeiten Vorstellungen, sie erwiderten jedoch, dass die Blackfeet ihre Verwandten auf dieselbe Weise behandelten, dies ein von allen roten Kriegern befolgtes Verfahren sei und sie nicht daran denken könnten, die Befriedigung ihrer Rache dem törichten und weibischen Gefühl der weißen Menschen aufzuopfern. Wir sahen kurz hierauf ein junges Mädchen vorführen, die, allem Anschein nach, nicht über 14 bis 15 Jahren zählte. Sie war von einigen alten Weibern umgeben, die sie zum Ende des Dorfes führten, wohin ihnen eine Anzahl junger Männer folgte. Nachdem wir die schändliche Absicht ihrer Sieger kennen gelernt hatten, erneuerten wir, da wir uns für das unglückliche Opfer interessierten, unsere Vorstellungen, hielten aber beinahe dieselbe Antwort wie zuvor. Da wir sie unbeweglich fanden und wir alle in unserer Macht stehenden, mit unserer eigenen Sicherheit vereinbaren Mittel in der Sache der Menschlichkeit anzuwenden wünschten, so hießen wir unsere Dolmetscher, ihnen zu erklären, dass, so hoch wir auch ihre Freundschaft schätzten und welchen Wert wir auch in ihre Pelze setzten, wir ihr Land doch für immer verlassen würden, wenn sie nicht aufhörten, solche unmännliche und entehrende Grausamkeiten an ihren Gefangenen zu verüben. Dies hatte den erwünschten Erfolg und die unglückliche Gefangene wurde zurück zu der Gruppe ihrer beängstigten Freunde geführt. Unsere Verwendung wurde beinahe durch die wütenden Vorwürfe der teuflischen alten Priesterinnen vereitelt, die sie zum Tode hatten führen wollen. Sie sagten den jungen Kriegern, dass sie Feiglinge und Narren wären, die nicht das Herz eines Flohs hätten, und forderten sie im Namen ihrer Mütter, Schwestern und Frauen auf, in die Fußstapfen ihrer Vorväter zu treten und Rache an den Hunden von Blackfeet zu nehmen. Sie fingen an zu wanken, wir taten aber, als ob wir nicht verstünden, was die alten Weiber gesagt hatten. Wir erklärten ihnen, dass diese Handlung der Entsagung von ihrer Seite vorzüglich den weißen Männern angenehm sei, dass sie sich hierdurch unser beständiges Verweilen unter ihnen sichern könnten und dass wir sie im Tausch für ihre Pelze hinlänglich mit Flinten und Schießbedarf versehen würden, um die Angriffe ihrer alten Feinde abzuschlagen und ihre Verwandten vor der Gefangennahme zu schützen. Dies entschied die Wankenden und der Häuptling versprach getreulich, dass die Gefangenen keinen Qualen mehr unterworfen sein sollten, was, wie ich glaube, streng befolgt wurde, wenigstens für diesen Winter.

Die Flathead waren früher weit zahlreicher als zu dieser Periode. Allein wegen der beständigen Feindseligkeiten zwischen ihnen und den Blackfeet hat sich ihre Zahl sehr vermindert. Während Stolz, Politik, Ehrgeiz oder Vergrößerungssucht die zivilisierte Welt öfters mit Blut tränkt, so wird als einzige Ursache ihrer ewigen Streitigkeiten von den Wilden ihre Liebe zu den Büffeln angegeben. Es gibt ungeheure Ebenen im Osten der Gebirge, die in den Sommer- und Herbstmonaten von zahllosen Büffelherden besucht werden. Hierhin begeben sich die eifersüchtigen Stämme, um diese Tiere zu jagen, damit sie sich so viel von ihrem Fleisch verschaffen können, wie sie bis zur kommenden Jagdzeit benötigten. In diesen Jagdausflügen treffen sie öfters zusammen und es erfolgen die blutigsten Kämpfe.

Die Blackfeet nehmen das unmittelbar um den Fuß der Gebirge liegende Land in Anspruch, das am meisten von dem Büffel besucht wird, und behaupten, dass die Flathead, die sich zum Jagen hierher begeben, Eindringlinge seien, denen sie sich zu widersetzen alles Recht hätten. Die Letzteren behaupten im Gegenteil, dass ihre Voreltern das Recht, auf diesen bestrittenen Ländereien zu jagen, immer in Anspruch genommen und ausgeübt hätten, und dass, solange einer ihrer Krieger am Leben bliebe, sie dieses Recht nicht aufgeben würden. Die Folgen dieser beständigen Kriege sind furchtbar, vorzüglich für die Flathead, welche, da sie an der Zahl der schwächere Teil sind, hierdurch am meisten leiden. Unabhängig von ihrer Minderzahl besitzen ihre Feinde einen anderen großen Vorteil in dem Gebrauch der Feuergewehre, die sie von den Handelsposten der Company erhielten, die in dem Departement der Forts des Prairies angelegt sind. Diesen hatten die Flathead nichts entgegenzusetzen als Pfeile und ihren eigenen unerschrockenen Mut. Ehe wir die Gebirge überschritten, zeugte jedes Jahr für die allmählige Verminderung ihrer Zahl, und eine gänzliche Vernichtung würde bald die Folge gewesen sein, wenn wir nicht mit einem reichlichen Vorrat des verhassten Salpeters angelangt wären. Sie waren darüber erfreut, Gelegenheit zu finden, Waffen und Schießbedarf kaufen zu können, und versahen sich schnell mit einer hinlänglichen Quantität von beiden.

Von diesem Augenblick an trat in ihren Angelegenheiten eine entschiedene, günstige Wendung ein, und in ihren nachherigen Gefechten blieb sich die Zahl der Getöteten, Verwundeten und Gefangenen mehr gleich. Die Blackfeet wurden hierüber wütend und erklärten unseren Leuten an den Forts des Prairies, dass alle weißen Menschen, die ihnen westwärts der Gebirge in die Hände fielen, von ihnen als Feinde behandelt werden würden, weil sie den Flathead Waffen geliefert hätten, von welchen sie mit so tödlicher Wirkung für ihre Nation Gebrauch machten. Ihre Drohung wurde, wie sich nachher ergeben wird, pünktlich in Erfüllung gebracht. Das Land der Flathead war reichlich mit Rotwildbret, Gebirgsschafen, Bären, wildem Geflügel und Fischen versehen. Wenn wir uns mühten, sie zu überreden, dergleichen gefährliche Expeditionen aufzugeben und sich auf die Produkte ihres eigenen Landes zu beschränken, dann erwiderten sie, dass ihre Väter immer auf den Büffelrevieren gejagt hätten, dass sie von ihrer Kindheit gewohnt seien, dasselbe zu tun, und dass sie einen Gebrauch nicht aufgeben würden, der seit mehreren Generationen unter ihrem Volk bestehe.

Mit Ausnahme der grausamen Behandlung ihrer Gefangenen, die, da sie allen wilden Völkern gemein ist, ihnen nicht als ein besonderes Laster angerechnet werden kann, haben die Flathead weniger Fehler an sich als andere Stämme, die ich antraf. Sie sind ehrbar in ihrem Benehmen, tapfer im Feld, ruhig und ihren Häuptlingen gehorsam. Sie lieben die Reinlichkeit und sind entschiedene Feinde der Unwahrheit und des Betrugs jeder Art. Ihre Frauen sind vortreffliche Hausfrauen und Mütter und in ihrer Treue so geprüft, dass wir nie von einem Beispiel vernahmen, dass eine ihrem Manne untreu geworden wäre. Sie sind auch frei vom Laster der Verleumdung, das so gemein bei den niederen Stämmen ist; und die Faulheit ist ihnen fremd. Beide Geschlechter sind sehr schön und ihre Gesichtsfarbe ist etwas lichter als das bleichste Kupfer, wenn es frisch gescheuert ist. Sie sind merkwürdig schön gebaut, von etwas schlanker Gestalt, und nie dickleibig.

Die Kleidung der Männer besteht einzig in langen Beinkleidern, bei den Kanadiern Mettasses genannt, welche von den Knöcheln bis zu den Hüften reichen und durch Schnüre an einen Gürtel befestigt sind, der ihnen um den Leib geht, sodann aus einem Hemd von einem bereiteten, bis auf die Knie herabgehenden Hirschfelle mit weiten, hängenden Ärmeln. Die Frauen sind mit einem weiten Rock aus demselben Stoff bedeckt, der vom Hals bis auf die Füßen reicht, und mit Fransen, Knöpfen, Trotteln und Falkenschellen verziert. Die Kleider von beiden Geschlechtern werden in der Regel mit Pfeifenerde gereinigt, die in einigen Teilen des Landes im Überfluss gefunden wird, und jedes Individuum hat zwei oder drei Anzüge zum Wechseln. Sie haben keine beständige Kopfbedeckung, sondern schützen sich bei nassem und stürmischem Wetter mit einem Teil eines Büffellederkleides, das vollkommen dem Zweck eines Oberrockes entspricht. Die Würde eines obersten Häuptlings ihres Stammes ist erblich. Allein wegen ihrer beständigen Kriege haben sie die weise und heilsame Gewohnheit angenommen, zu ihrem Anführer in der Schlacht jenen Krieger zu wählen, der die größte Weisheit, Stärke und Tapferkeit in sich vereint. Die Wahl findet alle Jahre statt, und es ist bisweilen der Fall, dass der General in einem Feldzug ein Gemeiner in dem nächsten wird. Dieses Kriegshaupt, wie sie ihn nennen, hat, wenn er zu Hause ist, ganz und gar kein Ansehen, wenn aber die Krieger zu ihren Jagd-Expeditionen zu den Büffelebenen aufbrechen, dann übernimmt er das oberste Kommando, das er bis zu seiner Rückkehr mit despotischer Gewalt führt. Er trägt eine lange Peitsche mit einem dicken Stiel, der mit Schädelhäuten und Federn verziert ist, und ernennt gewöhnlich zwei tätige Krieger zu seinen Adjutanten.

Wenn sie gegen den Feind marschieren, so steht er immer an der Spitze, und wenn er zurückkehrt, führt er den Nachtrab an. Es wird während des Marsches eine strenge Ordnung eingehalten, und Herr MʼDonald, der einige dieser Kriegspartien auf das Schlachtfeld begleitete, versicherte mir, dass, wenn irgendeiner des Stammes aus der Reihe träte oder sich sonst gegen die Disziplin verfehle, er sogleich mit der Peitsche des Häuptlings gezüchtigt würde, welcher ganz unparteiisch handle, und einen seiner Subalternoffiziere für die Nichtbefolgung seiner Befehle mit gleicher Strenge bestrafe, wie jeden gemeinen Übertreter. Es hatte sie jedoch die Gewohnheit, vereint mit einem Gefühl ihrer öffentlichen Pflicht, mit diesen willkürlichen Handlungen der Gewalt ausgesöhnt, über die sie sich nie beschwerten oder sich dafür zu rächen versuchten. Wenn der Feldzug vorüber ist und sie auf ihr eigenes Gebiet zurückkommen, dann hört sein Ansehen auf. Alsdann versammelt der Friedenshäuptling den ganzen Stamm und sie schreiten zu einer neuen Wahl. Hier findet keine Stimmenwerbung, keine Kabalen oder Intrigen statt, und wenn der letzte Anführer entsetzt wird, so zieht er sich von seinen Funktionen mit anscheinender Gleichgültigkeit zurück, ohne Missvergnügen darüber zu äußern. Der damalige Kriegshäuptling war fünfmal hintereinander gewählt worden. Er war ungefähr fünfunddreißig Jahre alt und hatte zwanzig Blackfeet in verschiedenen Gefechten getötet, deren Skalpe er mit triumphierendem Stolz an eine Stange vor seiner Zelthüttentür aufgehangen hatte. Seine Frau war ein Jahr vorher von dem Feind gefangen genommen worden, und ihr Verlust machte einen tiefen Eindruck auf ihn. Er wurde von allen Kriegern wegen seiner überlegenen Einsicht und Tapferkeit hoch geschätzt. Das Bewusstsein derselben, vereint mit der Länge der Zeit, wo er an das Befehlen gewöhnt worden war, hatte seinen Manieren einen Grad von Würde mitgeteilt, wie wir sie an keinem anderen Indianer bemerkten. Er wollte keine zweite Frau nehmen, und wenn ihm das Andenken derjenigen, die er verloren hatte, ins Gedächtnis zurückkehrte, dann zog er sich, um seinem Gram nachzuhängen, in die tiefste Einsamkeit der Wälder zurück, wo, wie uns einige des Stammes berichteten, man ihn öfters ihren Geist heraufbeschwören und Rache über ihre Räuber herabrufen sah. Wenn diese Ausbrüche des Grams vorüber waren, dann nahm sein Gesicht den Anstrich einer ernsten Melancholie an, welche ausdrucksvoll die gemischten Gefühle des Kummers und seines unbesänftigten Hasses gegen die Blackfeet bezeichnete. Wir luden ihn bisweilen in das Fort ein, bei welchen Gelegenheiten wir mit ihm seinen Verlust bedauerten, ihn aber zu gleicher Zeit mit der Weise zivilisierter Nationen, Krieg zu führen, bekannt machten. Wir erzählten ihm, dass man die Krieger bloß gefangen nähme, dass man sie nie martere oder töte, und dass kein braver weißer Mann einer Frau oder einem verteidigungslosen Menschen ein Leid zufüge; dass, wenn eine solche Gewohnheit unter ihnen bestanden hätte, er nun durch den Austausch der Gefangenen imstande sein würde, seine Frau wieder zu erhalten, die nach ihrem barbarischen Systeme nunmehr auf immer für ihn verloren sei, und dass, wenn es unmöglich wäre, einen Frieden mit ihren Feinden zustande zu bringen, doch wenigstens die Schrecknisse des Krieges um vieles vermindert werden könnten, wenn sie die Gewohnheit der Europäer befolgten. Wir fügten hinzu, dass er nun eine rühmliche Gelegenheit habe, mit einer solchen Großmut zu beginnen, wenn er die in dem letzten Feldzug gemachten Gefangenen ungekränkt zurückschicken wolle, dass unsere Freunde auf der anderen Seite des Gebirges ihren Einfluss bei den Blackfeet verwenden würden, um diesem Beispiel zu folgen, und dass dies am Ende ein Mittel werden könnte, die beiden auf sich eifersüchtigen Nationen durch die Bande des Friedens zu vereinigen. Er setzte sich dem anfänglich entgegen, die ersten Schritte zu tun. Da wir aber weiter in ihn drangen, so willigte er ein, den Versuch zu machen, wenn das erbliche Oberhaupt des Stammes nichts dagegen einzuwenden habe.

Als er uns verließ, bediente er sich der folgenden Worte: »Meine weißen Freunde, Ihr kennt die wilde Natur der Blackfeet noch nicht. Sie hoffen, unseren Stamm zu vertilgen. Sie sind um vieles zahlreicher als wir, und ohne unsere Tapferkeit würden sie ihre Absicht längst erreicht haben. Wir wollen jetzt, Euren Wünschen gemäß, die Gefangenen zurückschicken. Allein merkt, was ich Euch sage, sie werden über die Verwendung Eurer Verwandten jenseits der Gebirge lachen, und darum keinen Mann, keine Frau oder kein Kind verschonen, deren sie sich von unserer Nation bemächtigen können. Eure Bemühungen, Blut zu sparen, zeigen, dass Ihr ein gutes Volk seid. Wenn sie unserem Beispiel folgen, so werden sie keinen Gefangenen mehr Töten. Ich sage Euch aber, dass sie über Euch lachen und Euch Narren schelten werden.«

Es freute uns sehr, unsere Absicht soweit erreicht zu haben, während er, seinem Wort getreu, die Ältesten und Krieger versammelte, denen er den Gegenstand unserer Unterredung vortrug und ihnen nach einer langen Rede riet, den Versuch zu machen, der ihren weißen Freunden gefallen und ihre Bereitwilligkeit zeigen würde, unnötige Grausamkeiten zu verhüten. Ein so unerwarteter Vorschlag veranlasste eine lebhafte Debatte, die einige Zeit fortgeführt wurde. Er wurde aber, da er von einem Mann unterstützt wurde, für welchen sie eine so hohe Achtung hegten, endlich durchgesetzt. Man beschloss, die Blackfeet am Ende des Winters zu den ihren zu schicken. Wir unternahmen es, sie für ihre Reise zu versehen oder den Flathead eine Vergütung dafür zu bezahlen. Dies wurde genehmigt. Gegen die Mitte des Märzes reisten die Gefangenen, hinlänglich mit getrocknetem Fleisch versehen, ziemlich wohlberitten ab, um sie bis zu den ihren zu bringen. Herr MʼMillan, der drei Jahre in diesem Land verlebt hatte und bekannt mit ihrer Sprache war, benachrichtigte sie von unseren Bemühungen, ihnen das Leben zu erhalten und ihnen die Wiederholung von Qualen zu ersparen. Er bat sie vorzüglich, ihre Landsleute mit diesem Umstand bekannt zu machen, damit sie ein ähnliches Betragen einhielten. Wir gaben ihnen ebenfalls Briefe an die Intendanten der verschiedenen Forts des Prairies mit, worin wir ihnen die Erreichung unserer Absicht mitteilten und ihnen die Notwendigkeit ans Herz legten, bei den Blackfeet in ihrer Nähe zu versuchen, sie zu Befolgung des ihnen von den Flathead gegebenen Beispiels zu vermögen.

Die Ländereien dieses Stammes bieten eine angenehme Abwechselung von Wäldern und Ebenen, Tälern und Bergen, Seen und Flüssen dar. Außer den bereits erwähnten Tierarten haben sie eine Menge Biber, Otter, Marder, Wölfe, Luchse etc.

Die Wölfe dieses Distrikts sind sehr groß und verwegen und befanden sich in großer Anzahl in der Nähe des Forts, an das sie oft dicht herankamen, um sich die Abfälle zu holen. Wir hatten einen schönen Hund von vermischter Rasse, dessen Vater ein Neufundländer und dessen Mutter eine Wölfin war, die jung gefangen und von Herrn La Rocque am Lac la Ronge, am English River, gezähmt worden war. Er traf öfters mit seinem mütterlichen Stamm zusammen, wobei er gewöhnlich übel zugerichtet wurde. Wenn er einen Wolf in der Nähe des Forts bemerkte, dann schoss er mit vielem Mut auf ihn zu. War es ein Männchen, so biss er sich mit ihm herum; war es aber ein Weibchen, so ließ er es ruhig entkommen oder fing an, mit ihm zu spielen. Er war öfters eine Woche bis zehn Tage vom Fort abwesend, und wenn er zurückkehrte, dann war sein Körper und sein Hals mit Wunden bedeckt, die ihm bei seinen verliebten Abenteuern in den Wäldern durch die Fangzähne seiner männlichen Nebenbuhler beigebracht worden waren. Es war ein edles Tier, aber immer erpichter, einen Wolf anzupacken als einen Luchs.

Da uns unser Vorrat an Zucker und Sirup ausgegangen war, so wurden wir genötigt, unsere Zuflucht zum Birkensaft zu nehmen, um diesen Abgang zu ersetzen. Wir erhielten diesen, indem wir die Stämme der Birken an mehreren Orten anbohrten und unten Feldkessel aufstellten, um den Saft aufzufangen. Dieser wurde danach zur Dicke des Sirups eingekocht und als ein Zuckersurrogat zum Tee gebraucht. Es ist eine bittere Süße und entsprach seinem Zweck so ziemlich.

Die Flathead sind ein gesunder Menschenschlag und wenigen Krankheiten unterworfen. Gewöhnliche Brüche, die durch den Sturz eines Pferdes oder einen in der Hitze der Jagd über ein Abhang getanen Fall veranlasst werden, heilen sie mittels eines festen Verbandes, mit Holzstäben, die der Länge nach rings auf dem Bruch aufgelegt und mit ledernen Riemen darauf befestigt werden. Gegen Quetschungen wenden sie gewöhnlich Aderlässe, entweder an den Schläfen, Armen, Handwurzeln oder Knöcheln an, welches mittelst scharfer Kieselsteine oder Pfeilspitzen geschieht. Sie ziehen jedoch den Aderlass mit der Lanze vor und brachten uns häufig Patienten, denen diese Verfahrungsweise sehr gefiel. Nach Weihnachten fiel sehr wenig Schnee, wir hatten aber eine bittere Kälte mit einer heiteren Luft. Ich empfand einige heftige rheumatische Anfälle in den Schultern und den Knien, welche mich sehr belästigten. Ein alter Indianer schlug vor, mich davon zu befreien, wenn ich mich der Heilmethode unterwerfen wolle, die er in ähnlichen Fällen mit den jungen Kriegern des Stammes anwendete. Auf meine Frage, worin diese Methode bestände, die er bei mir in Anwendung zu bringen gedachte, erwiderte er, dass ich bloß einige Wochen lang früh aufstehen, mich in den Fluss stürzen und ihm das Übrige überlassen müsste. Dies war ein sehr frostiger Vorschlag, denn der Fluss war fest zugefroren und es musste jedes Mal erst ein Loch in das Eis gehauen werden.

Ich fragte ihn: »Würde es seinem Zweck nicht ebenso gut entsprechen, wenn ich das Wasser in mein Schlafzimmer bringen ließe?«

Er schüttelte aber seinen Kopf und erwiderte, dass er erstaunt sei, von einem jungen weißen Häuptling, der ein gescheiter Mann sein sollte, eine so närrische Frage zu hören. In Erwägung jedoch, dass der Rheumatismus den Indianern fremd ist, während so viele unserer Leute Märtyrer desselben werden und ich überdies mehr als dreitausend Meilen von einer wissenschaftlichen, ärztlichen Hilfe entfernt war, entschloss ich mich, das unangenehme Mittel anzuwenden, und fing die Operation am folgenden Morgen an. Der Indianer machte zuerst eine Öffnung in das Eis, die hinlänglich für uns beide war, worauf er mir ein Signal gab, dass alles in Bereitschaft sei. In ein weites Büffelkleid gehüllt, begab ich mich an den Ort, warf meine Hülle ab, und wir beide sprangen in die schauerlich kalte Öffnung hinab. Er fing sogleich an, mir Schultern, Rücken und Seiten zu reiben, indessen sich Eiszapfen an meine Haare ansetzten. Während er mir die unteren Glieder rieb, wurde mein Gesicht, Hals und Schultern mit Eis überzogen. Als ich erlöst wurde, wickelte ich mich in eine wollene Decke ein und eilte in mein Schlafzimmer zurück, worin ich zuvor ein gutes Feuer anzumachen befohlen hatte. In wenigen Minuten fühlte ich eine angenehme Wärme meinen ganzen Körper überziehen. So frostig und unangenehm diese Abkühlung war, so setzte ich sie doch, als ich sie wohltätig fand, fünfundzwanzig Tage fort, nach Ablauf welcher mir mein Arzt zu sagen beliebte, dass es länger nicht nötig sei und dass ich meine Pflicht wie ein weißer Mann getan habe. Ich spürte nie wieder einen rheumatischen Schmerz. Einer unserer alten Kanadier, der lange Jahre an einem chronischen Rheumatismus gelitten hatte, fragte den Indianer, ob er ihn nicht auch auf dieselbe Weise heilen könne. Der Letztere erwiderte, dass dies unmöglich wäre, er aber ein anderes Verfahren mit ihm versuchen wolle. Er baute demnach das Skelett einer Hütte in Gestalt eines Bienenkorbes, von viereinhalb Fuß Höhe und drei Fuß Breite, das er mit Hirschfellen bedeckte. Er erhitzte sodann einige Steine an einem nahen Feuer. Nachdem er den Patienten in der Hütte in einen nackten Zustand versetzt hatte, wurden die heißen Steine hineingeworfen und Wasser auf sie gegossen. Der Eingang wurde sodann schnell verschlossen, der Mann einige Zeit darin gelassen, bis er bat, ihn zu erlösen, da die Hitze fast zum Ersticken sei. Als er aus der Hütte trat, befand er sich in dem Zustand einer reichlichen Ausdünstung.

Der Indianer befahl, ihn sogleich in Decken einzuwickeln und zu Bett zu bringen. Diese Operation wurde mehrmals wiederholt. Ob sie gleich keine Radikalkur bewirkte, so hatten seine heftigen Schmerzen doch soweit nachgelassen, dass sie dem Patienten erlaubten, seinen gewöhnlichen Geschäften nachzugehen und den Schlaf in ziemlicher Ruhe zu genießen.

Die Flathead glauben an das Dasein eines guten und bösen Geistes und folglich auch an einen zukünftigen Zustand der Belohnung und der Strafe. Sie halten dafür, dass nach ihrem Tod die guten Indianer in ein Land gehen, in welchem ein ewiger Sommer herrsche; dass er seine Frau und seine Kinder dort antreffe; dass die Ströme voller Fische und die Ebenen voll von ihren so geliebten Büffeln sind und dass er seine Zeit, frei von den Schrecken des Krieges oder der Furcht vor Kälte und Hunger, mit Jagen und Fischen hinbringe. Die bösen Menschen gehen, wie sie glauben, an einen mit ewigem Schnee bedeckten Ort, so, dass sie immer vor Kälte zittern, Feuer in der Entfernung sehen, woran sie sich nicht erwärmen, und Wasser, das sie sich nicht verschaffen können, um ihren Durst zu löschen, und Büffel und Rotwild, das sie nicht zu erlegen imstande sind, um ihren Hunger zu stillen. Ein undurchdringlicher Wald voller Wölfe, Panther und Schlangen trennt diese zurücklebende Sklaven des Winters von ihren glücklichen Brüdern in den Wiesen des Wohllebens. Ihre Bestrafung ist jedoch nicht ewig, und früher oder später erhalten sie nach den Graden ihrer Verbrechen die Erlaubnis, sich zu ihren Freunden in die elysäischen Gefilde zu begeben.

Ihre Vorschriften der Moral sind fasslich, obwohl kurz. Sie sagen, dass Ehrlichkeit, Tapferkeit, Liebe zur Wahrheit, Achtung gegen die Eltern, Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten und Liebe zu ihren Frauen und Kindern die Haupttugenden seien, die ihnen einen Anspruch auf die Wohnungen der Glückseligkeit gäben, während die entgegengesetzten lasterhaften Eigenschaften sie zu jenen des Elends führten. Sie haben eine sonderbare Überlieferung hinsichtlich der Biber. Sie glauben fest, dass diese Tiere ein gefallener Völkerstamm der Indianer sei, die durch ihre Gottlosigkeit den guten Geist gegen sich erzürnt hätten und von ihm zu ihrer gegenwärtigen Gestalt verdammt worden seien, dass ihnen aber mit der Zeit ihre menschliche wieder gegeben werde. Sie behaupten, dass die Biber sprechen könnten, dass sie sie miteinander hätten sprechen hören und über ein Mitglied, so sich verfehlt, zu Gericht hätten sitzen sehen.

Liebhaber der Naturgeschichte sind bereits hinlänglich mit dem überraschenden Scharfsinn dieser wunderbaren Tiere bekannt, mit ihrer Geschicklichkeit, Bäume zu fällen, ihrer Kunst, sich ihre Häuser zu bauen, und ihre Vorsicht im Einsammeln und Aufbewahren hinlänglicher Vorräte, um sie die Wintermonate hindurch zu erhalten. Allein wenige sind, wie ich denke, mit einer merkwürdigen Gewohnheit derselben bekannt, welche mehr als irgendeine andere die Indianer in dem Glauben bestärkt, dass sie eine gefallene Menschenrasse seien. Ganz gegen das Ende des Herbstes versammelt sich eine gewisse Anzahl von zwanzig bis zu dreißig, um ihre Winterwohnungen zu bauen. Sie fangen sogleich an, Bäume zu fällen, und nichts kann wunderbarer sein als die Geschicklichkeit und Geduld, die sie bei diesem mühsamen Unternehmen zeigen, sie ängstlich aufblicken und das Umfallen des Baumes beobachten zu sehen, wenn der Stamm bald vom Stumpf getrennt ist und dann sein Krachen den nahen Fall ankündigt, sie nach jeder Richtung wegspringen zu sehen, um nicht erschlagen zu werden.

Wenn der Baum gefällt ist, dann werden eilig alle Zweige von demselben abgelöst, der Stamm mit ihren Zähnen in mehrere Stücke von gleicher Länge zerschnitten, die sie zum Bach rollen, über welchem sie ihr Haus errichten wollen. Zwei oder drei der Älteren führen gewöhnlich die Oberaufsicht über die anderen, und es ist kein ungewöhnlicher Anblick, sie diejenigen schlagen zu sehen, die sich faul beweisen. Ist aber einer unverbesserlich und weigert sich fortwährend, zu arbeiten, so wird er einmütig vom Stamm vertrieben, um sich sonst wo Schutz und Nahrung zu suchen. Diese Geächteten sind daher genötigt, einen elenden Winter, halb verhungert, in einer Erdhöhle an dem Ufer irgendeines Stromes hinzubringen, wo sie leicht gefangen werden.

Die Indianer nennen sie die faulen Biber, und ihre Pelze sind nicht halb so viel wert als die der anderen Tiere, deren beharrliche Industrie und Vorsicht ihnen Nahrung und ein bequemes Unterkommen während der Strenge des Winters verschaffen.

Ich konnte nicht entdecken, warum die Blackfeet und Flathead diesen bezeichnenden Namen erhalten haben, denn die Füße der Ersteren sind nicht schwärzer als irgendein anderer Teil ihres Körpers, während die Köpfe der Letzteren eine verhältnismäßig runde Form haben. Es ist in der Tat nur unterhalb der Wasserfälle und reißenden Ströme, dass wahre Plattköpfe zum Vorschein kommen und an der Mündung des Columbia River, dass sie sehr übernatürlich gedeihen.

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