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Hexengeschichten – Das Kornseil und die drei Hunde – Kapitel 6

Ludwig Bechstein
Hexengeschichten
Halle, C. E. Pfeffer. 1854

Das Kornseil und die drei Hunde
Nach Aktenstücken des Sennebergischen Gesamtarchivs

6

In der Tat, Kurt Ehrhard war ein vernünftiger Mann. Er hatte ein prachtvolles Geständnis abgelegt, welches Herbertus Schulz, der Registrator und danach Sekretarius eines hochlöblichen und hochwohlweisen kur- und fürstlich sächsischen General-Zentschöffengerichts, sauber in Reinschrift gebracht und daran besagtes Gericht eine herzinnige Freude hatte, sintemalen und alldieweilen besagtes Geständnis ein wahres Muster eines solchen, und ohne alle Marter und Pein abgelegt war. Dieses Geständnis wurde nun dem hochweisen Schöppenstuhl zu Jena übersendet und war darauf allerdings nichts Gewisseres zu erwarten als das Todesurteil des Inkulpaten und zwar durch Feuer.

Folgendes hatte Kurt in der Güte ausgesagt, und laut dem Datum des Protokolls am 1. Juni des Jahres 1611.

»Es mögen nun vier Jahre her sein, als mein Bruder Cunz, der wegen Hexerei ausgetreten, mir sagen ließ, ich möge doch zu ihm kommen, und zwar nach Stockheim. Dies tat ich und fand meinen Bruder, der mir schmerzlich seine Not und sein elendes Wesen klagte und wie kümmerlich es ihm ergehe. ›Lieber Bruder‹, sagte ich, ›es gebet mir eben auch gar klamm. Ich habe nichts übrig und gebricht mir sogar an Korn.‹

›Korn könnte ich dir wohl verschaffen‹, sagte mein Bruder. ›Wenn du mir folgen willst, so will ich dir eine Kunst lehren und dir etwas geben, davon du Korn bekommst.‹

Solchen Vorschlag war ich wohl zufrieden, und so gab mir mein Bruder einen halben Pflugring, der inwendig auf der Achse gelegen hatte und gleisend war, den sollte ich in des Teufels Namen über mein Korn hängen, so würde ich dessen genug haben. Da ich nun nach Hause kam, band ich den Ring an ein Seil, tat, wie mir geheißen war und läutete alle Woche nur an einem Tag, doch vier oder fünfmal in des Teufels Namen daran, so fiel jedes Mal ein halbes Metzlein Korn herunter.

Nach der Hand im selben Jahre ging ich – es war am heiligen Johannistag – auf den Geißhauk (Bergwald bei Bettenhausen) in die Beeren. Da stieß mir ein Kerl auf von ziemlichem Alter, in hübschen schwarzen Kleidern, der trug einen grünen Hut und redete mich an: ›Woher? Woher?‹ Und dieser Kerl hatte drei Hündlein bei sich. So antwortete ich: ›Von Bettenhausen, ich bin ein wenig in die roten Beeren gegangen.‹ Und weiter sagte ich: ›Er hat da drei hübsche Hündlein!‹

Da sagte jener: ›Gefallen sie dir? Wohlan, ich will sie dir verkaufen mit dem Gedinge, dass du mein bist und den Großen verläugnest (mit welchen Großen sotaner Kerl den lieben Gott meinte). Die Hündlein sind brav, sie können viel und werden dir Geld bringen.‹

Das hörte ich gern, dass die Hündlein mir Geld bringen sollten, denn ich war gar ein armer Schwart und versprach des Kerls Diener zu sein und zu tun, was er haben wolle, wolle auch Gott im Himmel abschwören, und musste ihm die rechte Hand geben, und versprach nicht mehr dem Herrn Christus, sondern ihm zu dienen.

Da ich nun die Hündlein doch nicht umsonst bekam, sondern sie kaufen sollte, so hatte ich nicht mehr Geld bei mir als einen Groschen. Den gab ich hin dafür und glaube, hätte ich mehr dafür gegeben, so hätten sie mir mehr gebracht, denn niemals hat mir eines oder das andere mehr gebracht als einen Groschen. Doch tat es gut. Die Hündlein hießen Kittel, Spanier und Wacker. Sie liefen mit mir und ich tat sie in den Barren in der Scheuer oder auch in den Pferdestall. Manches Mal, etwa alle vier Wochen, kam der Kerl zu mir und fragte mich, ob ich Kornes und Geldes genugsam habe, und ich hatte immer so viel, dass ich mich damit behelfen konnte.

Meine Frau, Gott habe sie selig, hat niemals die Hündlein zu sehen bekommen, ihnen also auch niemals, wie gesagt worden ist, Brot vorwerfen wollen. Auch hat sie nie an dem Kornseil geläutet, das kann ich bei meiner Seelen Seligkeit beschwören. Mein Sohn aber kann wohl jezuweilen die Hündlein gesehen haben.

Gestern, ehe Meister Wahl zu mir kam, besuchte mich mein Herr unversehens im Gefängnis und sprach zu mir: ›Kurt, du sollst heute gemartert werden. Sei gescheit, tue, was Meister Wahl dir sagen wird, so behältst du gesunde Gliedmaßen. Schon vor länger als einem Vierteljahr, etwa im Spätherbst oder Vorwinter kam mein Herr zu mir und sagte, ich solle ihm die Hündlein wieder geben. Er wolle mir andere bringen; und so hat er sie alle drei mit sich genommen, mir aber keine anderen gebracht, was mir ganz lieb war, denn ich mich seiner ganz abzutun gedachte. Habe auch den Pflugring nicht weiter gebraucht, sondern er liegt im Kasten unter dem alten Eisen. Es war des Kornes, das er gab, gar zu wenig, und hatte ich genug geerntet, war Gottes Segen viel größer als die Gaben des Feindes. Auch die Hündlein brachten, wenn es hoch kam, die ganze Woche kaum sechs Gröschlein und oft nur in einzelnen Pfennigen.

In meinem ganzen Leben ist mir niemals eingefallen, zu stehlen. Die Hemmkette, von der die Rede in den Zeugenaussagen gewesen, habe ich damals, es sind schon sechzehn Jahre her, der Böhmin aus Schalkheit und Schabernack abgenommen und in ihren eigenen Schoppen versteckt.

Zum Heiligen Abendmahl bin ich des Jahres nur einmal gegangen, habe aber drei Jahre her auf Geheiß meines Herrn den Leib Christi heimlich aus dem Mund genommen und denselben ihm gegeben; weiß nicht, was er damit gemacht hat. Sonst hat mir mein Herr auch geboten, Vieh umzubringen und meine Feinde zu vergeben und zu sterben, habe aber dergleichen niemals getan.«

Das Protokoll schloss stilgemäß:

In praesentia
Nicolai et Wolff Siebenfreuden.
Walter Zieglers und Michael Schottens, beide Centschöffen.
Herbertus Schulz.

Der neue Bericht und das Bekenntnis ging den Weg nach Jena durch einen Expressboten, welcher rückkehrend das Urteil mitbrachte. Es lautete für den Verhafteten wegen bekannter Verleugnung Gottes und des Heilands, schändlichen Teufelsbündnisses und Übung des Hexenwerkes darauf, dass Kurt Ehrhard durch Feuer vom Leben zum Tode gebracht werden, sein unmündig Söhnlein aber mit Ruten gestäupt und auf ewige Zeiten Landes verwiesen, das Gütlein Ehrhards aber pro fisco eingezogen werden solle, alles von Rechtswegen.

Aber der Himmel mag wissen, was dem General-Zentgericht zu Meiningen die General-Hexenfreude verdarb! (Eine Hexenfreude über etwas haben, ist noch immer sprichwörtlich im alten Henneberger Lande) Weder Kurt Ehrhard noch sein Söhnlein Claus wurden gerichtet, der kleine Claus wurde auch nicht gestäupt.

In der alten Meininger Chronik von Sebastian Güth ist gewissenhaft verzeichnet, wer im Jahre 1611 alles bloß der Hexerei halber hingerichtet worden, wie folgt:

1611. Den 13. Februarii sind Catharina, Stoffel Lotzen Weib und Martha Schneiderin von Schmiedfeld, ingleichen Margareth Möllerin von Heinrichs-Imgleichen, den 15. Martii Anna Jörgen Gramanns, gewesenen Schultheißen Weib zu Dreißigacker Wittib achtzig Jahre alt, sowohl den 11. Maji Catharina und Susanna Förschin, Mutter und Tochter, von Queienfeld, und abermal im Junio fünf Personen, alle von Walldorf, sowohl auch den 29. Julii Barbara Jörgen Wölferlings Weib, sonsten die Barchfelderin genannt, und endlich den 9. Dezember zehn Weiber, Hexerei wegen, verbrannt, und zugleich eine Magd, so dem bösen Feind widersaget, ausgestäupt worden.

Summa Summarum in einer einzigen sehr kleinen Stadt in einem Jahre zweiundzwanzig Frauen als Hexen durch den Feuertod hingerichtet!

Kurt und Klaus Ehrhard von Bettenhausen waren nicht dabei! Sie waren beide von dannen, es war ihnen gelungen, aus dem Gefängnis zu entspringen.

Der weise Mann im Eckweisbach mochte doch wohl redlich Wort gehalten und sein Bestes getan haben. »Es wird sich alles wohl schicken!«, hatte er gesagt. Und siehe – er hat wahr gesprochen.

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