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Andromeda – Die Evolution

Michael Crichton, Daniel H. Wilson
Andromeda – Die Evolution

Science-Fiction-Thriller, Paperback, Heyne Verlag, München, April 2021, 384 Seiten, 14,99 Euro, ISBN: 9783453424777, übersetzt aus dem Amerikanischen von Stefanie Adam und Kristof Kurz

Vor etwa 50 Jahren – im Jahr 1969 – kam mit einer aus dem Erdorbit abgestürzten Sonde eine höchst adaptive außerirdische Virusstruktur auf die Erde und rottete eine Kleinstadt fast vollständig aus, bevor das Virus in einer Militärforschungsbasis untersucht werden konnte. Eindämmen ließ es sich nicht: Es mutierte und lauert in der Atmosphäre, wo es Gewebe wie Dichtungen und Kunststoffe zerfrisst. Über den (fiktiven) Vorfall berichtete noch im selben Jahr Michael Crichton in seinem Wissenschaftsthriller ANDROMEDA, der seinerzeit neue Maßstäbe für das Genre setzte.

Auf Basis dieser Geschichte hat der amerikanische Autor Daniel H. Wilson (ROBOCALYPSE) eine Fortsetzung entwickelt, die 2019 spielt. Das Andromeda-Virus ist wieder da – und es hat sich erneut verändert. Seit dem Vorfall vor 50 Jahren suchen Satelliten den Planeten nach chemischen Strukturen ab, die den bekannten Virusvarianten ähneln. Plötzlich taucht mitten im südamerikanischen Dschungel auf Höhe des Äquators etwas auf, das ins Raster fällt. Erste Untersuchungen ergeben eine wachsende Struktur, die sich dort breit macht. In Windeseile wird – wie schon vor fünf Dekaden – ein Wildfire-Wissenschaftler-Team zusammengestellt, das vor Ort untersuchen soll, was geschehen ist und wie groß die Gefahr für die Menschheit diesmal ist.

Zur Gruppe, bestehend aus Militärs, einer Andromeda-Expertin, die ein Schutzspray gegen das Virus entwickelt hat, einem Robotik-Experten und Sohn eines Mitglieds des ersten Wildfire-Teams von 1969, einer chinesischen Wissenschaftlerin und einem Xeno-Geologen gehört auch eine Forscherin an Bord der ISS, die von dort aus Analysen durchführen kann. Mit Drohnenunterstützung arbeitet sich das Team voran, stets in der Angst vor einer Ansteckung und Misstrauen, wegen möglichen Geheimaufträgen ihrer unterschiedlichen Institutionen. Was sie am Ende der Expedition erwartet, überschreitet ihre Erwartungen und Befürchtungen bei Weitem – denn wieder einmal ist die gesamte Menschheit in Gefahr, und noch dazu die Zukunft des Planeten.

ANDROMEDA ist ein Crichton-Klassiker, der durch seine originelle Machart mit Ausschnitten aus Protokollen, Dossiers und Abschriften seinerzeit eine besonders dichte Atmosphäre kreierte und Glaubwürdigkeit ausstrahlte. Aus heutiger Sicht wirkt er ein wenig angestaubt, denn die Forschung hat ja nicht stillgestanden. Das nimmt Daniel H. Wilson zum Anlass für eine Fortführung und ein Update der Story, übernimmt formal die Aufteilung Crichtons in die Tagesstruktur bei den Kapiteln und wählt den etwas erzählfreundlicheren Weg, über seine Experten-Figuren entsprechendes Wissen zu vermitteln, wenn es notwendig wird.

Während in der ersten Hälfte des Romans das Tempo noch etwas gemächlich ist, schafft es Wilson später mit interessanten und unerwarteten Wendungen sowie sich steigernder Gefahr für das Figurenensemble und die Welt, eine Lesesogwirkung entstehen zu lassen, wie es Crichton mit Romanen wie JURASSIC PARK häufig ebenfalls gelang. Die Science-Fiction-Elemente werden ordentlich hergeleitet, Wilson bringt aktuelle Diskussionen aus der Robotik, der Virusforschung und den unterschiedlichen Xeno-Wissenschaften mit ein und baut daraus am Ende eine derart abenteuerliche Mischung, dass es eine wahre Freude ist.

Fazit:
ANDROMEDA – DIE EVOLUTION ist ein gewagtes, aber ein überaus geglücktes Experiment. Selbst wer den Ursprungsroman nicht kennt, kommt hier voll auf seine Kosten: Wo nötig, gibt es kleine Zusammenfassungen. Die sind aber häufig nur interessantes Beiwerk und nicht essenziell für das Geschehen. Wilson findet überzeugende Ansätze in der Vorlage, entwickelt sie weiter, bietet den ein oder anderen Nostalgie-Anker zum Crichton-Roman und schafft es, die vom Kultautor durch seinen späteren Stil gewonnenen Elemente des Staunens, des Sense of Wonder, wunderbar in seinen Roman zu übertragen. Dem 2008 verstorbenen Crichton hätte das sicherlich sehr gefallen. Der Leser kann sich im späteren Verlauf des Buch auf sehr spannende Ideen auf der Höhe der Zeit freuen. Auch mit den Figuren wird – immer im Rahmen der Möglichkeiten des Genres – ordentlich umgegangen, hier und da neue Facetten offenbart und an Klischees geschickt vorbeimanövriert. Kurzum: Eine Freude von Thriller – abenteuerlich, vielseitig, spannend!

(sv)