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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Lugennatzl von Lugenhausen Teil 9

Der Lugennatzl von Lugenhausen
und seine wunderbaren Reiseabenteuer zu Land und zu Wasser als Schuhkünstler, Kammerdiener, Kindsmagd, Kindervergrößerer, Windmacher, Riesenkatzenfabrikant, Mastbaumausreißer, Meerkropfbesitzer, Robinson auf einer lebendigen Insel, Luftfahrer nach Schlaraffia und Entdecker des sechsten Weltteiles, wo die Welt mit Brettern verschlagen ist, usw.

Natzl entdeckt den sechsten Weltteil

Wir sahen ein Land vor uns liegen, welches der neue Weltteil sein musste, und zwar der sechste. Als wir etwa noch 60 Fuß vom Boden entfernt waren, hätten wir bei dem Anblick der Bewohner vor Lachen beinahe ersticken müssen. Die größten Personen waren ungefähr eine Elle hoch. Da sie nur einen Fuß hatten, so konnten sie nicht gehen, wie andere Menschen, sondern nur hüpfen, und wenn sie müde waren, machten sie einen Purzelbaum und standen dann auf dem anderen Fuß, der sich dort befand, wo andere Leute ihren Kopf haben, und so wechselten sie immer ab. Sie hatten auch einen doppelten Bauch mit 2 Mägen, wovon der eine zur Verdauung der Speisen, der andere zur Ansammlung einer Art leichten Gases diente, welches sie derart leicht machte, dass sie über jeden Fluss hinwegspringen konnten. Bei Flüssen von besonderer Breite oder wo Binnenmeere vorhanden waren, konnten sie einem Fisch gleich leicht über die Oberfläche hinwegschwimmen. Wegen Mangel an Bauholz können sie nämlich keine Brücken über die Flüsse bauen. In der Mitte des Leibes war ein Gesicht vorn und ein solches auch hinten, jedes mit einer Nase und einem breiten Mund; und mitten auf der Stirn mit einem einzigen Auge, so groß wie eine Kreuzersemmel. Sie hatte keine Arme und keine Hände, die Zehen ihrer Füße gebrauchten sie als Finger. Wenn sie aßen oder tranken, so reichten ihnen die Zehen des oberen Fußes Speise und Trank, dann machten sie einen Purzelbaum, wodurch der untere Fuß, auf dem sie während des Essens und Trinkens standen, sodann der obere Fuß wurde, der nun den anderen Mund fütterte und tränkte, denn ein Gesicht schaute hinauf und das andere herab. Somit wurde jedes Gesicht von einem Fuß bedient. Es sah komisch aus, wenn so ein Fuß die Nase schnäuzte, was auf eine natürliche Weise geschah, weil dort das Sacktuch noch nicht erfunden wurde. Ihre Kleidung besteht aus der dünnen inneren Haut einer Baumrinde, wodurch sie aussehen wie Regenschirme in einem Überzug. Die sechsjährigen Kinder, nur eine Spanne lang, sind niedlich und recht lustig anzusehen. Die Leute waren recht freundlich mit uns und brachten uns delikate Früchte und einen köstlichen süßen Wein, den sie durch Anzapfen von saftvollen Bäumen bekamen. So viel ich aus unseren Gesprächen mit den männlichen und weiblichen Bewohnern entnahm, hielten sie uns für Missgeburten, weil wir nicht so gewachsen waren wie sie.

Ich klopfte einem alten Purzelbaummacher auf die Sohle seines oberen Fußes, weil er keine Schultern hatte, auf die ich ihn hätte klopfen können, und fragte ihn: »Wie heißt denn dieses Land?«

»Spargelia.«

»Ein passender Name!«, antwortete ich lachend, denn ich dachte daran, dass die Leute wie Riesenspargel aussahen. Ich deutete nach Westen und fragte: »Warum ist es denn dort so finster?«

»Das ist der Rauch des Feuermeeres, das uns vom Ende der Welt trennt, wo sie mit Brettern verschlagen ist.«

»Wie? Hier ist also die Welt ganz vernagelt?«

»Wir fliegen darüber hin, Freund!«, sagte Windson, »das müssen wir sehen.«

»Unmöglich! Ihr werdet in der Luft ersticken oder brennen.«

Da war guter Rat teuer und Windson wusste nicht zu helfen. Ich aber schon. Wir nahmen Abschied von den Purzelbaummachern des sechsten Weltteiles Spargelia und fuhren einige Meilen weit dem aufsteigenden Gewitter entgegen, von dem ich eine ungeheure Wolke, 1 Stunde hoch und 2 Stunden breit, am Boden des Luftschiffes von außen annagelte, wonach wir ohne alle Gefahr über das Feuermeer fliegen und an das Ende der Welt kommen konnten, wo sie mit Brettern verschlagen ist, aber mit Brettern von Diamant, und dieser Verschlag hat eine selbst für Luftschiffer unerreichbare Höhe. Wir fanden dort nichts als einige versteinerte Hühnereier, denen ich zwei zum Andenken in meine Tasche steckte. Wir fuhren nun im Luftballon nach Hinterindien, wo ich allerlei Raritäten kaufte und mit einem Schiff nach London fuhr. Windson war durch Geschäfte in Indien zurückgehalten. Bei Lord Astley und seiner Familie wurde ich freudig und wie ein Kind vom Hause aufgenommen. Der Lord stellte mich dem König vor, dem ich ein seltenes Geschenk zu Füßen zu legen die Ehre hatte, wofür mich Seine Majestät mit Ehren und Würden belohnte. Auf der Reise von London hierher scheiterte das Schiff und meine Barschaft von achttausend Dukaten in einer eisernen Kiste versank im Meer. Ich rief Arion um Beistand an, der mich auf seinem Rücken nachts in den Hafen unserer Seestadt trug. Ich habe mein Vermögen verloren, aber dennoch werde ich in 3 Tagen das Rittergut Schwertberg kaufen und den Kaufpreis von einhunderttausend Talern bar ausbezahlen!

Natzl schwieg.

»Was muss denn wohl dem Gas in diesem Saal heute fehlen«, fragte ein Zuhörer, »dass alle Gesichter blau aussehen?«

»Das Gas ist nicht daran schuld«, entgegnete ein Nachbar laut, »sondern der Lugennatzl hat uns blau anlaufen lassen.«

Ein allgemeines Gelächter entstand, das dem guten Dorchen im Herzen weh tat, und nach dessen Aufhören der anwesende Stadtdirektor auf die Bühne hinaufging und sagte: »Lugennatzl, ich verhafte dich, weil du auf den König von England gelogen hast!«

»Nicht gar so hitzig, Herr Stadtdirektor!«, erwiderte Natz, »ich heiße nicht Lugennatzl, sondern Ignatius, englischer Graf von Wahrmund, Ritter des Bathordens, mit welchem der König mich eigenhändig schmückte. Hier sind die Urkunden!«

Er zog diese unter seinem Rock hervor und reichte sie dem Stadtdirektor, der sie aufmerksam las, mit vielen Entschuldigungen gratulierend ihm zurückgab und dann mit den zierlichsten Kratzfüßen abkratzte und das Eintrittsgeld von mehr als 2000 Gulden nach Anordnung des berühmten Reisenden für die Stadt armen mitnehmen ließ.

Vor Erstaunen rissen alle Anwesenden ihre Mäuler weit auf und verließen neidvoll den Saal. Dorchen und ihre ganze Begleitung waren wie aus den Wolken gefallen. Auf alle ihre Fragen zu Hause, sagte er immer lächelnd: »Nur noch ein wenig Geduld!«

Drei Tage später lief eine englische Fregatte in den Hafen ein, an deren Bord Graf von Wahrmund, vulgo Lugennatzl, 2 Stunden lang blieb. Der Leibarzt schnitt ihm den Meerkropf heraus und der mitgekommene Direktor der Bank von England leistete die Bezahlung mit einer Million Gulden in Gold und drei Millionen in Banknoten. Das Geld wurde einstweilen in Dorchens Hütte gebracht, dieses glückliche Ereignis mit einem großen Schmaus daselbst gefeiert.

Und nun erzählte der ehemalige Lugennatzl weiter.

In Indien sagte mir ein jüdischer Juwelier, dass meine 2 versteinerten Hühnereier Diamanten noch in der Kruste und Stück für Stück wenigstens 30 Millionen wert, aber gerade deshalb nicht leicht zu verkaufen seien. Er schliff sie mir vortrefflich, wofür ich ihm tausend Dukaten gab. Auf seinen Rat kittete ich beide unter einer breiten und dicken Pippstücklhaut vorn an den Hals, sodass es aussah wie ein Kropf, den kein habsüchtiger Räuber für einen Schatz halten konnte. Einen davon verehrte ich in London dem König, der mich dafür zum Grafen und Ordensritter machte, und den anderen kaufte die Bank von England, die ihn, weil ich ihn auf gleiche Art in die Seestadt mitnahm, soeben holen und bezahlen ließ.

Noch am nämlichen Tag kaufte Graf Natzl das Rittergut Schwertberg, versorgte dort den Pfarrvikar nebst Mutter und Schwester, welcher er ein Heiratsgut von fünfzigtausend Gulden gab, kaufte das ganze Dörflein Lugenhausen und sein elterliches Haus, für das er dem Schuhmacher Schlager ein großes Haus samt einer Schuhmachergerechtigkeit in der Seestadt verschaffte, machte den Martlbauern zum reichsten Bauern weit und breit und wies der Frau von Rieseling und ihren zwei Töchtern eine ergiebige jährliche Pension an. Nach 8 Tagen vollzog der Pfarrvikar als Schlosspfarrer von Schwertberg die feierliche Trauung des schönen Paares, Graf Natzl und Dorchen, das bei dem prachtvollen Hochzeitfest durch einen Besuch des Lords Astley mit Frau und Sohn sehr angenehm überrascht wurde. Graf Natzl blieb aber nicht müßig.

Um den vielen ehelichen Zwisten in der durch lockere Sitten bekannten Seestadt ein Ende zu machen, verfertigte er insgeheim künstliche moralische Stiefel und Schuhe, deren Träger und Trägerinnen zwar geradeaus, aber nicht abseits gehen konnten.

Bei Herrn Windson bestellte er eben solche versteinerte Hühnereier, unter dem Vorwand, sich in seinem Schlossgarten eine Grotte daraus bauen zu lassen, zur täglichen heilsamen Erinnerung an das Ende der Welt, mit dem Anerbieten, für jedes Stück 6 Dukaten zu bezahlen, eigentlich aber in der Absicht, seinem Lebensretter ein solches Ei zu schenken, die anderen nach und nach zu verkaufen und den Erlös zu wohltätigen Stiftungen zu verwenden.

Ende

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