Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Lugennatzl von Lugenhausen Teil 6

Der Lugennatzl von Lugenhausen
und seine wunderbaren Reiseabenteuer zu Land und zu Wasser als Schuhkünstler, Kammerdiener, Kindsmagd, Kindervergrößerer, Windmacher, Riesenkatzenfabrikant, Mastbaumausreißer, Meerkropfbesitzer, Robinson auf einer lebendigen Insel, Luftfahrer nach Schlaraffia und Entdecker des sechsten Weltteiles, wo die Welt mit Brettern verschlagen ist, usw.

Natzl auf einer lebendigen Insel

Am anderen Morgen nach dem Frühstück nahm ich meinen Regenschirm und ein Säckchen, in welches ich eine Axt und einen Pack Nägel legte, und stieg in den Mastkorb hinauf, unter dem Vorwand, nach dem Wetter zu schauen. Mittags kam ich nicht zum Essen. Gegen Abend kam der Schiffskapitän mit allen anderen auf das Verdeck und rief mir zu, herunterzukommen, da ich eben durch die vom Meerfräulein erhaltene Schuppe ein Loch gebohrt und sie an einer Schnur um meinen Hals geschlungen hatte, sodass sie wie ein Orden sichtbar auf meiner Brust hing.

»Pressiert nicht!«, erwiderte ich schnippisch, worauf er in die grässlichsten Drohungen ausbrach, in welche die Übrigen einstimmten.

»Elender, einäugiger Seelenverkäufer und ihr anderen miserablen Halunken«, schrie ich hinunter, »glaubt ja nicht, dass ich so dumm bin, mich heute Nacht von euch erwürgen zu lassen, wie ihr beschlossen habt. Betet, denn euer Ende ist nahe!«

Da ich, ganz nach meinem Wunsch, in gerader Richtung vor uns, etwa 4 Seemeilen entfernt, eine große Insel liegen sah, löste ich den dritten Knoten am lappländischen Fetzen. Plötzlich brach ein Sturmwind los, wie ihn gewiss seit der Erschaffung der Welt noch kein Meer brüllen hörte. Zu gleicher Zeit stieg aus der Tiefe des Meeres eine Wasserhose, die bekanntlich keine Naht braucht, und wirbelte das Schiff turmhoch gegen die Insel. Mitten oberhalb derselben spannte ich meinen Regenschirm auf, sprang aus dem Mastkorb über Bord und kam wie mit einem Fallschirm glücklich auf den Boden der Insel herab. Das Schiff aber wurde jenseits derselben von der Wasserhose verschlungen und mit Mann und Maus im Abgrund des Meeres begraben.

Ich dankte Gott für meine Rettung. Die Luftfahrt hatte mir Hunger und Durst gemacht, den die große Hitze noch vermehrte. Ich war so unbesonnen gewesen, keine Lebensmittel aus dem Schiff mitzunehmen. Nicht fern von mir erblickte ich ein Kastanienwäldchen und hörte, näher kommend, ein unheimliches Knistern und Klappern in demselben. Furchtlos trat ich hinein und sah zu meiner größten Freude an den Bäumen warme Kastanien, die durch die ungeheure Hitze gebraten waren und in diesem Zustand zu Tausenden auf den Boden herabfielen. Ich aß, bis ich satt war ,und stärkte mich durch einen zweistündigen Schlaf, weil die Nacht in diesen Gegenden nicht länger dauert. Ein heftiger Durst weckte mich auf und ich wanderte fort, immer der aufgehenden Sonne entgegen, bis ich mittags an das Ufer des Meeres kam. Hier hieb ich von einem Baum einen dicken Ast mit meiner Axt, spitzte ihn zu und schlug ihn in den Boden, um meinen Regenschirm wie ein Zelt daran zu befestigen, wobei ich ein unterirdisches, leises, aber schaudervolles Ächzen vernahm, das ich mir nicht erklären konnte. Ich legte mich unter den Schirm und schaute zum Himmel empor, voll Besorgnis, dass ich vielleicht lebenslänglich als ein Robinson auf dieser Insel werde bleiben müssen.

Plötzlich hörte ich eine Stimme rufen.

»Heil mir, dass ich den großmütigen Freund meiner geliebten Unda erblicke!«

Überrascht fuhr ich empor. Ein Delphin plätscherte vor meinen Augen fröhlich im Meer und blies Wasserstrahlen aus seiner Luftröhre. Er war etwa 10 Fuß lang, hatte einen walzenförmigen Körper mit glatter Haut, oben schwarz und unten weiß, und einen spitzig zulaufenden Kopf, über der Schnauze eine breite Binde. Die Delphine gehören zu den säugenden Seetieren.

»So? Du bist der Liebhaber der schönen Unda? Nun, es freut mich sehr, deine Bekanntschaft zu machen. Kennst du mich denn?«

»An der Schuppe meiner Unda habe ich dich erkannt. Wenn ich nur wüsste, womit ich dir meine Dankbarkeit bezeigen könnte!«

»Mit einer Maß Bier, lieber Delphin, oder wenn dies nicht sein kann, mit einem Krug frischen Quellwassers, denn ich verschmachte vor Durst.«

»Bier, Wein und die besten Speisen will ich dir bringen«, sagte er, »nur eine kurze Geduld!«

Er tauchte unter und brachte mir schon nach sechs Minuten in einem großen wasserdichten Korb, den er auf seinem Rücken trug, Trank und Leckerbissen in Hülle und Fülle, englisches Bier und Madeirawein, sogar Vanilleeis, aber dieses in viel kleineren Portionen, als die Eisberge waren, die ich nach meiner Trennung vom Magnetberg gesehen hatte. Ich dankte dem Delphin herzlich und ließ mir alles trefflich schmecken.

»Wie kommst du denn zu allen diesen guten Sachen?«, fragte ich.

»Wir Delphine sammeln die ins Meer versunkenen Ladungen gescheiterter Schiffe, legen Magazine davon an und verhandeln dann, was wir nicht selbst brauchen, an andere Fische gegen Perlen und Korallen, mit denen wir unsere Liebchen, die Meerfräulein, schmücken.«

»Ein profitabler Handel. Auch ich werde meine Bedürfnisse bei dir kaufen, so lange ich hier bin, und weil ich kein Geld bei mir habe, dich mit den Erzeugnissen dieser Insel bezahlen.«

»Das ist aber keine Insel.«

»Was denn sonst?«

»Ein Krake, das größte Seeungeheuer der Meere, das Berge und Täler mit Waldungen, auf seinem Rücken trägt, auf dem Grund des Meeres lebt, bei stiller Witterung heraufkommt, ein ganzes Jahr lang sich satt frisst und dann zur Verdauung wieder untertaucht. Ich habe gesehen, wie es gestern ein Schiff, welches von einer Wasserhose über seinen Rücken in das Meer geschleudert wurde, samt einer großen Ladung von Eisenbahnschienen verschlungen hat.«

»Dieser Krake muss eine gute Verdauung haben, um mit einer so starken Kost fertig zu werden.«

»Du bist also auf dieser lebendigen Insel deines Lebens nicht sicher. Komm mit mir in mein schönes Muschelhaus im Meer, nicht weit von da. Meine liebe Unda, die dich vielmals grüßen lässt, würde sich unendlich freuen, dich wiederzusehen. Du setzt dich auf meinen Rücken und ich schwimme mit dir unter dem Bauch des Kraken durch, was sehr sehenswürdig ist. Undas Schuppe schützt dich vor jeder Gefahr. Komm!«

Ich packte meine Sachen zusammen, setzte mich rittlings auf den Rücken des Delphins, der schnell mit mir untertauchte. Ich spürte weiter nichts, als dass es im Meer feucht ist. Gleich kamen die Haifische, welche mich wahrscheinlich für ein neues Meerungeheuer hielten, denn nach einer tiefen Verbeugung fuhren sie auf und davon. Das Haus des Delphins war aus Muscheln und Korallen sehr zierlich und wasserdicht gebaut, mit einem kleinen hübschen Garten und mehreren Springbrunnen. Unda war eben in der Küche beschäftigt, neben anderen Speisen auch delikate Fische und Apfelküchelchen zu backen. Sie trug eine Küchenschürze, die ihren Fischschweif verdeckte, was sich sehr gut machte. Sie küsste mir sogleich die Hand und lud mich zu Gast; ich sollte dableiben, solange es mir beliebe. Zugleich stellte sie mir vier auf Besuch anwesende Freundinnen vor, ebenfalls Meerfräulein, die glücklicherweise in Reifröcken erschienen, sodass sie deutschen Institutsfräulein täuschend ähnlich sahen. Sie sprachen mit mir Englisch, was sie von einer bei einem Schiffbruch versunkenen und von einem Delphin für ein Meerfräulein-Erziehungsinstitut geretteten, englischen Gouvernante gelernt hatten, welche auf ihr dringendes Bitten nach zwei Jahren vom nämlichen Delphin wieder in einen englischen Hafen gebracht wurde, von wo sie schnell nach London reiste und gerade noch zur rechten Zeit kam, um ihren Liebhaber heiraten zu können, der sie schon lange als tot trostlos beweint hatte und sich eben nach einem tröstenden Ersatz umsehen wollte.

Das Mittagsmahl war auserlesen, nach dessen Schluss auf Wunsch des Delphin und auf meine dringende Bitte, Unda sich an ein prächtiges englisches Klavier setzte und das Lied Robert mein Geliebter mit einer wunderschönen Stimme seelenvoll sang, wozu sie sich selbst akkompagnierte. Dann sangen die vier Freundinnen herrlich. Nun spielte Unda eine Polka Mazurka, welche jene auf eine höchst komische Weise hüpften, weil sie dieselbe aus Mangel an Füßen nicht tanzen konnten. Unangenehm war mir der Geruch in diesem Hause; es fischelte gar zu stark wie auf dem Fischmarkt unserer Seestadt. Ich wünschte, bald wieder fortzukommen, und fragte nach dem Kaffee den Delphin, ob ihm keine noch nicht entdeckte Inseln bekannt seien, die ich als Professor der unentdeckten Wissenschaften gerne entdecken würde.

»Ich weiß sehr wunderbare Inseln«, erwiderte er, »zu denen ich dich in einer Stunde bringen kann; aber es tut mir sehr leid, dass du uns so bald wieder verlassen willst.«

»Auch ich bedauere es, von deiner Gastfreundschaft nicht länger mehr Gebrauch machen zu können, allein mein Urlaub geht bald zu Ende und ich muss den kleinen Rest desselben fleißig benutzen, um noch viel Merkwürdiges zu sehen, bevor ich meine Rückkehr antrete, um rechtzeitig in meiner Heimat wieder einzutreffen.«

»Gut«, entgegnete der Delphin, der genug Menschenverstand besaß, um dies zu begreifen, »ich will dich nicht von der Erfüllung deiner Pflicht abhalten. Diesmal schwimme ich langsamer unter dem Bauch des Kraken durch, damit du ihn genauer beobachten kannst.«

Dankend nahm ich freundlichen Abschied von den fünf Meerfräulein, welche die zarte Aufmerksamkeit für mich hatten, noch das schöne Lied zu singen: Welche Lust gewährt das Reisen  aus der Oper Johann von Paris von Boieldieu. Ich bestieg den Delphin, um dessen Hals eine wasserdichte Tragbutte mit Lebensmitteln hing, um mich in der ersten Zeit meiner Entdeckungsreise nicht verhungern zu lassen. Wir kamen bald unter den Bauch des Kraken. Ich betrachtete mir seine Füße, mehrere Hundert an der Zahl, so lang und so dick wie drei Dorfkirchtürme aufeinander gestellt, in Gänsefüße mit Schwimmhäuten auslaufend, die so groß waren, wie ein Exerzierplatz für 10 Regimenter. Ich war sehr froh, als wir wieder im offenen Meer schwammen. Nach einer weiteren halben Stunde erreichten wir die Küste der Inseln.

»Das sind die Wunderinseln!«, sagte der Delphin. »Steig ab und beginne deine Entdeckungen! Ich verlasse dich jetzt. Wenn du meiner bedarfst, solange du auf diesen Inseln oder anderswo bist, so nimm die Schuppe in die rechte Hand und rufe: Arion! Und ich werde in einer Viertelstunde bei dir sein. Aber wenn du mich rufst, musst du an einem Brunnen, Bach, Fluss, See oder Meer stehen, mit welchem all jene unterirdisch in Verbindung stehen. Nimm diese Tragbutte auf deinen Rücken. Ihr Inhalt wird dir gute Dienste leisten. Und nun leb wohl, teuerster Freund!«

»Leb wohl, charmanter Delphin! Tausend Grüße an die holden Damen deines Hauses!«

Der gute freundliche Delphin tauchte unter und verschwand.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert