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Neue Gespenster – 30. Erzählung

Samuel Christoph Wagener
Neue Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit
Erster Teil

Dreißigste Erzählung

Im Jahre 1773 erkrankte plötzlich ein reisender Kaufmann zu Clermont, und starb. Der zu ihm gerufene katholische Pfarrer des Ortes half ein Verzeichnis seines Nachlasses entwerfen, um denselben seinen Angehörigen, sobald sie bekannt würden, zuzustellen. Zufälligerweise fand man aber in dem Felleisen, welches der Verstorbene bei sich führte, und worin unter andern – was man gar nicht vermutet hatte – hundert Louisdor befindlich waren, gar keine Notiz von seiner Heimat und Familie.

Aus diesem Grund glaubte man daher, etwas Bedeutendes von dieser schönen Summe auf ein recht stattliches und ehrenvolles Begräbnis verwenden und die Seelenmessen nicht knickerig lesen lassen zu müssen. Auch kaufte man eine ungeheure Menge Wachslichter, um auch von dieser Seite einem Gebrauch der christkatholischen Kirche zu genügen.

Eine Menge Menschen, die der Leiche die letzte Ehre erweisen und sie zur Gruft begleiten sollten, war zusammen gebeten und ließ sich während des Leichenmals den Wein, der gut und reichlich herbeigeschasst und aufgepflanzt war, vortrefflich schmecken.

Plötzlich ging eine Seitentür des großen Saales auf, wo die muntere Gesellschaft auf Kosten des Unbekannten sich gütlich tat. Spukend schwebte der Geist dieses Unbekannten durch die Tür und nahm mitten unter den Leichengästen Platz. Der Geist im Leichengewand glich vollkommen dem Verstorbenen, der in dem nämlichen Seitengemach in das Paradebette gelegt worden war, denn er war es selbst. Er hatte nur im Scheintod gelegen.

Es ist nicht möglich, das Entsetzen auszudrücken, welches in diesem Augenblick der halb berauschten Anwesenden sich bemächtigte. Alles verstummte, erblasste, bebte, sank in die Knie. Endlich nahm der vermeinte Geist selbst das Wort und erzählte, dass er schon sonst einmal von einer anhaltenden Starrsucht überfallen worden war und alles vernommen habe, was mit ihm und um ihn hervorgegangen sei; dass er aber, ungeachtet aller Anstrengung, nicht die Kraft gehabt habe, ein Zeichen seiner nur schlummernden Lebenskraft zu geben, geschweige denn zu befehlen, dass man ihm statt der Leichengäste besser den Arzt herbeirufen sollte.

Übrigens war die Verlegenheit des Pfarrers nicht gering, als sich der Genesene weigerte, die Zeche zu bezahlen.

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