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Der Hexer Band 1

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer Band 1
Das Erbe der Dämonen

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 16. April 1985, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Maren

Das Böse war stark in jenen Tagen; allzu schnell erlag der Mensch seinen Lockungen. Doch wisse – ein Mann stellte sich gegen die Dämonen, ein Mann, der ein schreckliches Erbe in sich trug. Er machte sich eine uralte, sagenumwobene Macht zum Feind. Und wurde gnadenlos von ihren Todesboten gejagt. Doch er war nicht wehrlos. Wissen war seine Macht, Magie seine Waffe. Die Menschen mieden ihn ob seiner unheimlichen Kräfte. Und man nannte ihn den HEXER …

Leseprobe

Vor einer Sekunde hatte das Gesicht des Alten noch ganz normal gewirkt. Jetzt verzerrte sich sein Antlitz. Von einer Sekunde auf die andere erlosch das stumpfsinnige Grinsen auf seinen Zügen und machte einem Ausdruck tiefsten Entsetzens Platz.

Und in seinen Augen flammte ein Ausdruck auf, den ich nur zu gut kannte: Angst.

Todesangst.

Ich erstarrte mitten in der Bewegung, als ich die Veränderung auf den Zügen des ärmlich gekleideten Alten bemerkte. Seine Augen schienen vor Entsetzen halb aus den Höhlen zu quellen, während er mich anstarrte.

Zwei, drei Sekunden lang hielt ich seinem Blick stand, dann stieß ich mit einem entschlossenen Ruck die Tür der Kutsche vollends auf und sprang auf die staubige Straße hinab.

Als hätte meine Bewegung auch den Bann gelöst, der von dem Alten Besitz ergriffen hatte, prallte er zurück, schlug das Kreuzzeichen und wollte davonlaufen, aber ich hielt ihn mit einem raschen Griff an der Schulter zurück und zwang ihn, mich anzusehen.

»Verzeihung, Sir«, sagte ich. »Es täte mir außerordentlich leid, wenn ich Sie erschreckt haben sollte, aber ich hätte gerne eine Auskunft von Ihnen.«

Der Alte keuchte, schlug meinen Arm mit erstaunlicher Kraft beiseite und machte abermals das Kreuzzeichen.

»Satan!«, wimmerte er. »Weiche von mir! Geh!«

Er begann zu kreischen, stolperte rücklings von mir fort und fiel, rappelte sich aber sofort wieder auf und rannte davon, so rasch ihn seine von der Gicht gekrümmten Beine trugen.

Verwirrt starrte ich ihm nach, bis er in einer der ärmlichen Hütten, die die schmale, ungepflasterte Hauptstraße von Innsmouth säumten, verschwunden war. Der Knall, mit dem die Tür hinter ihm zufiel, hörte sich in der Stille des Abends wie ein Kanonenschuss an. Es war nicht das erste Mal, dass ich erleben musste, wie ein Fremder erschrocken auf meine äußere Erscheinung reagierte – aber noch niemals in derart extremer Weise. Großer Gott, der Ausdruck in seinen Augen war Todesangst gewesen. Er hatte mich angestarrt, als stünde er dem Leibhaftigen persönlich gegenüber!

Verstört und mit allmählich aufkeimender Verärgerung wandte ich mich um und sah zu dem Kutscher hinauf, der zusammengesunken auf dem Bock des zweispännigen Fahrzeuges hockte. Er wirkte müde und hatte ein Recht dazu, denn er hatte annähernd sechs Stunden ununterbrochener Fahrt hinter sich. Aber auch in seinem Blick stand die gleiche, ungläubige Verblüffung geschrieben, die ich selbst empfand.

»Was in Dreiteufelsnamen ist denn mit dem los?«, murmelte er. »Was haben Sie ihm gesagt, Sir?«

»Gesagt?« Ich schüttelte den Kopf. »Ich wollte, ich hätte Gelegenheit gehabt, ihm irgendetwas zu sagen. Sind die Leute hier in der Gegend immer so gastfreundlich?«

Der Kutscher überlegte einen Moment, schüttelte dann den Kopf und unterdrückte ein Gähnen. »Eigentlich nicht«, murmelte er, sprang vom Wagen und schlug einem der Pferde spielerisch auf den Rücken. Das Tier schnaubte wie zur Antwort. »Aber ’s is’ schon ein komisches Kaff, dieses Innsmouth«, fuhr er fort. »Ich war noch nicht oft hier, aber man erzählt sich die seltsamsten Geschichten über die Leute hier.«

Er grinste und tippte sich dabei bezeichnend an die Stirn. »Scheint, als wären sie allesamt nicht ganz beieinander, wenn Sie verstehen, was ich meine, Sir.« Er gähnte jetzt noch und deutete auf ein kleines, etwas abseits stehendes Haus, nur wenige Schritte entfernt.

»Das da ist das Gasthaus, Sir«, sagte er. »Oder das, was sich hier so schimpft. Was halten Sie von einer kleinen Pause, ehe wir weiterfahren. Die Pferde brauchen Ruhe.«

Und er ein Bier, fügte ich in Gedanken hinzu. Aber ich widersprach nicht. Die Aussicht auf ein kühles Bier oder wenigstens einen Kaffee erschien mir nach der langen Fahrt in einer schaukelnden Kutsche mehr als verlockend.

Ich sah mich neugierig um, während wir auf das Gasthaus zugingen. Wir schrieben den 16. April 1885, und die Landschaft, durch die wir während der letzten sechs Stunden gefahren waren, war die Neu-Englands, aber ich hatte eher den Eindruck, in einem verarmten irischen Fischerdorf zu sein. Die Häuser waren klein und buckelig und kamen mir vor wie Tiere, die sich angstvoll aneinanderdrängten, grau und hässlich. In ihnen hausten sicher ebenso graue und angstvolle Bewohner.

Ich verscheuchte den Gedanken, ging ein wenig schneller, um nicht den Anschluss zu verlieren, und trat hinter dem Kutscher in die Gaststube. Eine Welle erstickend warmer, verqualmter und nach Bier und Schweiß riechender Luft schlug mir entgegen. Der Eingang war so niedrig, dass ich den Kopf senken musste, um nicht gegen den eichenen Türsturz zu stoßen.

Als ich den Blick hob, bot sich mir ein so bizarres Bild, dass ich mitten im Schritt stehenblieb.

Alle Möbel in dem niedrigen, verwinkelten Schankraum wirkten verdreht und schief. Bänke, Tische, Stühle und die roh gezimmerte Theke im Hintergrund waren krumm und bizarr und sahen aus, als wären sie in sich zusammengestaucht; alle Linien irgendwie in sich verdreht und falsch. An den Wänden hingen Bilder so abscheulichen Aussehens, dass sich mein Blick weigerte, auf ihnen zu verharren.

Das Bizarrste aber waren die Leute, die sich in der Gaststube aufhielten.

Es waren ungefähr ein Dutzend Männer, zumeist alt und in zerschlissene Arbeitsjacken gekleidet. Und jeder einzelne von ihnen war schrecklich verkrüppelt!

Im ersten Moment empfand ich nichts als Ekel, einen so starken Abscheu, dass ich am liebsten auf dem Absatz herumgefahren und wieder zur Kutsche gestürmt wäre. Dann wich der Ekel und machte einem starken Gefühl von Mitleid Platz. Ich hatte kein Recht, auf diese bedauernswerten Kreaturen herabzusehen oder sie gar zu verachten.

Langsam schloss ich die Tür hinter mir, ging zur Theke und wandte mich an den buckeligen Wirt, um ein kühles Bier zu bestellen.

Wenigstens wollte ich es.

Als ich seinem Blick begegnete, erstarrte ich.

Der Ausdruck in seinen Augen war der gleiche wie der, den ich im Blick des sonderbaren Alten draußen gesehen hatte. Es war Angst.

Angst vor mir!

Ein polterndes Geräusch hinter meinem Rücken ließ mich herumfahren.

Als ich den Raum betreten hatte, hatten seine sonderbaren Bewohner in kleinen Gruppen an den Tischen gesessen und leise miteinander geredet. Aber die Szene hatte sich in den wenigen Augenblicken, die ich abgelenkt gewesen war, vollkommen verändert!

Auf bedrohliche Weise verändert …

Es war ein Bild wie aus einem Alptraum. Die Männer hatten sich von ihren Stühlen erhoben und zu einem lockeren Halbkreis um mich und den Kutscher geschart.

»Was … was bedeutet das?«, keuchte ich. »Was geht hier vor?«

Eine der bedauernswerten Kreaturen löste sich aus dem Halbkreis und trat einen Schritt vor, und ein neuerlicher Schrecken durchfuhr mich, als ich ihn näher betrachtete. Seine Beine waren unterschiedlich lang, was seinen Gang seltsam trunken erscheinen ließ und seine linke Hand hatte keine Finger. Sein Gesicht war in einem schauerlichen Grinsen gefangen. Nur eines seiner Augen konnte sehen; das andere war trüb und milchig wie eine Kugel aus weißem gesprungenem Glas. Torkelnd näherte er sich mir, hob die gesunde Hand und streckte sechs tastende, zitternde Finger nach meinem Gesicht aus.

Sein dünner Mund öffnete sich, und eine dumpfe, verzerrt klingende Stimme ließ mich erstarren.

»Du bist zurückgekehrt! Das ist dein Tod! Sieh, was du aus uns gemacht hast, du Teufel!«

Der fürchterliche Anblick und seine völlig sinnlosen Worte ließen meine bisher mühsam aufrecht gehaltene Selbstbeherrschung vollends zerbrechen. Ich schrie auf, prallte zurück und stieß schmerzhaft mit dem Rücken gegen die Theke.

Im gleichen Moment brach die Hölle los.

Ein vielstimmiger Schrei ging durch die Reihe der Verkrüppelten, und wie auf ein geheimes Kommando hin stürzten sie sich wie ein Mann auf mich!

Für Sekunden war ich gelähmt vor Schrecken und Überraschung. Eine Faust traf meine Lippe und ließ sie aufplatzen, gierige Finger zerrten an meinen Kleidern und Haaren, Hände rissen an meinen Armen, als wollten sie mir die Glieder aus dem Leib zerren, und eine gichtige graue Klaue schrammte über mein Gesicht und versuchte mir die Augen auszukratzen. Ich schrie auf, riss schützend die Arme vor das Gesicht und sank in mich zusammen, aber die Schläge und Tritte hörten nicht auf, sondern nahmen im Gegenteil noch zu.

»Aufhören!«, brüllte ich. »Zum Teufel, was soll das?« Ich wälzte mich herum, packte einen Fuß, der nach meinem Gesicht stoßen wollte, verdrehte ihn und brachte den Mann, der daran hing, zu Fall. Gleichzeitig schlug ich wütend mit dem anderen Arm um mich und bekam einen Moment Luft. Dann traf ein Fuß mit Wucht meine Nieren.

Der Schmerz brachte mich an den Rand einer Ohnmacht.

Ich wusste, dass sie mich töten würden, wenn ich das Bewusstsein verlor.

»NEIN!«

Der Schrei schien meine Kehle zu zerreißen, mit solcher Urgewalt brach er aus mir hervor. Gleichzeitig bäumte ich mich auf, sprang, von einer Kraft beseelt, die mich selbst erschreckte, auf die Füße und riss die Arme empor.

Die finstere Kraft, die meine Gedanken ausfüllte, explodierte wie ein unsichtbarer Vulkan. Ein vielstimmiger Aufschrei gellte in meinen Ohren. Furcht, nackte, panische Furcht, gegen die es keine Gegenwehr mehr gab, raste wie eine finstere Woge durch den Raum, ergriff die Angreifer und schleuderte sie zu Boden. Von einer Sekunde auf die andere verwandelte sich der aufgebrachte Mob in einen Haufen vor Angst kreischender Kreaturen.

Ich hörte ein Splittern hinter mir, spürte die Gefahr und wirbelte herum. Meine Faust kam hoch, traf das Handgelenk des Wirtes. Ich schmetterte ihm die zerbrochene Flasche aus der Hand, die er mir in den Nacken hatte stoßen wollen. Gleichzeitig schlug ich mit aller geistiger Macht zu.

Sein Körper schien von einer unsichtbaren Faust ergriffen zu werden. Er brüllte, fiel auf die Knie und wurde fast im gleichen Moment wieder hochgerissen, herum- und zurückgewirbelt und gegen die Theke geschleudert. Mit einem lautlosen Seufzer sank er in sich zusammen und verlor das Bewusstsein.

Ich fuhr abermals herum.

Aber aus dem tobenden Mob, der mich noch vor Sekunden hatte töten wollen, war ein Haufen verängstigter Männer geworden, von dem keine Gefahr mehr ausging. Zwei, drei von ihnen waren aus dem Raum gestürmt. Die anderen lagen oder hockten noch immer da, wo sie die Woge körperlicher Angst, die ich direkt in ihre Seelen geschleudert hatte, niedergeworfen hatte. Obwohl mich diese Männer noch vor Augenblicken mit Freuden umgebracht hätten, taten sie mir für einen Moment beinahe leid.

Dann ließ ich die Hände sinken, trat zu einer der gestürzten Gestalten hinüber und zerrte sie auf die Füße. Der Mann wimmerte, hob angstvoll die Hände und versuchte mich von sich zu schieben. Ich stieß ihn grob gegen die Theke, legte die linke Hand auf seine Schulter und drückte fest zu.

»Was bedeutet das?«, schnappte ich. »Was soll das heißen, Kerl? Warum greift ihr mich grundlos an?« Ich schüttelte ihn und verstärkte den Druck auf seine Schulter noch. Die einzige Reaktion, die ich damit erzielte, war ein leiser Schmerzlaut und ein erneutes Aufflammen von Angst in seinem Blick. Er versuchte sich meinem Griff zu entwinden, krümmte sich und machte mit der Hand das Kreuzzeichen auf der Stirn. »Satan!«, wimmerte er.

Verblüfft ließ ich ihn los.

»Was … was soll das heißen?«, fragte ich. »Zum Teufel, was ist hier los? Ich verlange eine Antwort!«

Aber ich bekam keine. Statt dessen wirbelte der Bursche mit einer unerwartet flinken Bewegung herum, tauchte unter meinen zupackenden Händen hindurch und raste davon. Auch die anderen sprangen auf und begannen auf die Tür zuzuhasten; für einen Moment entstand Gedränge vor der viel zu schmalen Öffnung.

Ich sprang mit einem Satz hinterher, packte einen der Burschen und zerrte ihn am Kragen zurück. Er wehrte sich, aber der Zorn gab mir zusätzliche Kraft. Ich hielt ihn fest, schüttelte ihn kräftig durch und stieß ihn vor mir her in den Raum zurück. Der Mann kreischte, hob die Fäuste und versuchte nach mir zu schlagen.

Ich versetzte ihm eine Maulschelle, die seinen Widerstand endgültig zerbrach.

Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, begann er zu wimmern. »Nicht … mehr schlagen, Herr!«, keuchte er. »Bitte nicht mehr schlagen.« Er begann zu weinen und verbarg das Gesicht in den Armen.

Ich zerrte ihn hoch, drängte seine Arme auseinander und zwang ihn, mich anzusehen. »Keine Angst«, sagte ich, nicht mehr ganz so zornig wie bisher, aber noch immer in drohendem Ton. »Ich schlage dich nicht – aber ich will wissen, was hier gespielt wird, verdammt noch mal! Was soll das alles heißen?«

Voller Angst hob mein Gegenüber den Blick. Er war weniger verkrüppelt als die meisten der Männer, die auf mich eingedrungen waren, aber seine Augen waren leer, und seine Mundwinkel hingen schlaff herunter; Speichel rann über sein Kinn, ohne dass er es überhaupt bemerkte. Ich unterdrückte ein enttäuschtes Stöhnen, als mir klar wurde, dass ich einen Schwachsinnigen vor mir hatte.

»Nicht mehr … schlagen, Herr«, wimmerte er. »Floyd nicht mehr böse sein. Floyd nur Angst.«

»Floyd?«, wiederholte ich, nun schon weit weniger scharf als bisher. »Ist das dein Name?«

Er nickte, zog lautstark die Nase hoch und sah mich mit einer sonderbaren Mischung aus Furcht und – ja, und was eigentlich? – an. Etwas in seinem Blick ließ mich schaudern. Es war nicht nur der Blick eines Schwachsinnigen … Er sah mich an, als … als kenne er mich. Und es war ein Erkennen, das mit Furcht gepaart war …

»Hör mir zu, Floyd«, sagte ich leise. »Ich tue dir nichts, bestimmt nicht.« Ich versuchte zu lächeln. »Ich bin dein Freund, weißt du?«, fuhr ich fort. »Aber du musst mir verraten, was hier geschehen ist. Warum habt ihr mich angegriffen? Ich habe euch nichts getan.«

»Nicht … mehr schlagen, Herr«, wiederholte Floyd, als hätte er meine Frage gar nicht gehört. »Floyd ist ein lieber Junge.«

Ich seufzte. Es sah nicht so aus, als würde ich viel aus meinem Gefangenen herausbekommen. Zumindest nicht auf diese Weise.

Einen Moment zögerte ich noch. Der Gedanke an das, was ich tun musste, gefiel mir nicht. Ich habe es stets verabscheut, den Geist anderer Menschen zu missbrauchen, ihnen meinen Willen aufzuzwingen; es ist nicht fair, mit übersinnlichen Kräften gegen einen normalen Menschen vorzugehen. Aber es ist auch nicht gerade fair, zu zwölft über einen Wehrlosen herzufallen und ihn totschlagen zu wollen.

»Sieh mich an, Floyd«, sagte ich. Er begann zu wimmern und wollte wieder die Hände vor das Gesicht heben, aber ich hielt seinen Blick fest. Seine Augen schienen zu flackern.

Dann brach sein Widerstand.

»Du verstehst mich?«, fragte ich.

Floyd nickte. »Ich verstehe Sie, Herr«, antwortete er. Seine Stimme klang mit einem Male sonderbar flach.

»Dann beantworte meine Frage«, sagte ich. »Warum wollten mich diese Männer töten?«

»Angst«, sagte Floyd. »Alle Angst. Alle sagen, Herr tot und Herr niemals wiederkommen. Jetzt sehen.«

»Zum Teufel, was soll das heißen?«, schnappte ich. »Ich war in meinem ganzen Leben noch nie …« Ich sprach nicht weiter, als ich das neuerliche Aufflammen von Angst in seinem Blick sah. Trotz des suggestiven Bannes brodelte er innerlich vor Furcht.

»Ihr habt also Angst vor mir?«, fuhr ich wesentlich freundlicher als bisher fort.

Er nickte. »Viele Geschichten über Herr. Aber Herr tot, und jetzt …«

Hinter meinem Rücken fiel die Tür krachend ins Schloss. Ich fuhr zusammen, drehte mich rasch herum und war für einen Moment abgelenkt.

Floyd schrie auf, stieß mir die Hände in den Rücken und stürmte an mir vorbei. Ich taumelte, fiel über einen zerbrochenen Schemel und schlug ziemlich unsanft mit dem Gesicht auf dem Boden auf.

Als sich die flimmernden Kreise und Punkte vor meinem Blick lichteten, fiel die Tür ein zweites Mal ins Schloss, und das letzte, was ich von Floyd sah, war ein verzerrter Schatten, der draußen vor dem Fenster vorbeihuschte.

Enttäuscht stemmte ich mich hoch. Einen Moment überlegte ich, ob ich zur Theke zurückgehen und warten sollte, bis der Wirt aus seiner Bewusstlosigkeit erwachte, entschied mich aber dann dagegen und wandte mich zur Tür.

Es begann bereits dunkel zu werden, als ich auf die Straße hinaustrat. In der hereinbrechenden Dämmerung wirkte die Stadt düsterer und bedrohlicher als zuvor. Die Straße lag wie ausgestorben vor mir. Von den Bewohnern von Innsmouth war keine Spur mehr zu sehen.

Allerdings auch nicht von meiner Kutsche. Der Fleck, an dem das zweispännige Gefährt gestanden hatte, war leer – nur meine beiden Reisekoffer standen am Straßenrand. Der Kutscher musste wie von Furien gehetzt den Ort verlassen haben. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln.

Eine Weile blieb ich stehen und sah mich unschlüssig um.

Ich fühlte mich ziemlich hilflos in diesem Moment. Der plötzliche Angriff auf mich war durch Floyds Worte nicht logischer geworden; im Gegenteil. Ich fand weniger denn je eine Erklärung dafür.

Ich war noch nie hier gewesen – nicht einmal in der Nähe. Und doch schienen diese Menschen mich zu kennen. Und zu hassen. Und irgendwie schien ich die Schuld an ihrem Schicksal zu tragen. Es war gespenstisch.

Wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst war, dann hatte ich Angst. Ich wollte diesen ungastlichen Ort mit seinen mörderischen Bewohnern so schnell wie möglich verlassen. Mein eigentliches Ziel war nicht mehr sehr weit entfernt, und später würde ich reichlich Gelegenheit haben, zurückzukommen und herauszufinden, welches Geheimnis dieses kleine Fischerdorf barg. Wenn ich auch ahnte, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.

Mit einem resignierenden Seufzer ging ich zu meinen Koffern hinüber, hob sie auf und wandte mich nach Westen. Noch vor wenigen Minuten hatte ich geglaubt, den schlimmsten Teil meiner Reise hinter mir zu haben; es waren kaum noch fünf Meilen bis zu meinem eigentlichen Ziel. Aber fünf Meilen Fußmarsch über ausgefahrene Feldwege und unbekanntes Gelände, noch dazu beladen mit einem Zentner Gepäck, waren selbst für einen Hexer ein schönes Stück Weg …

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